Urteil
Hinterbliebenengeld allein für seelisches Leid
Das Hinterbliebenengeld hängt nicht von gesundheitlichen Folgeschäden, sondern dem seelischen Leid ab, bestätigt ein Oberlandesgericht. Richtschnur sind 10.000 Euro.
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Nach einem plötzlichen Tod haben Angehörige ein Recht auf Hinterbliebenengeld, bestätigt das Oberlandesgericht Koblenz. Im konkreten Fall ging es um einen Verkehrsunfall.
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Koblenz. Das unter anderem nach einem Tod durch Behandlungsfehler den nahen Angehörigen zu zahlende Hinterbliebenengeld hängt nicht von gesundheitlichen Folgeschäden der Angehörigen ab. Es soll allein das seelische Leid ausgleichen, wie jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz betonte.
Das Hinterbliebenengeld wurde im Juli 2017 eingeführt. Hintergrund sind die hohen Hürden, die die Rechtsprechung für ein Schmerzensgeld gesetzt hat. Nach üblicher Rechtsprechung setzt dies gesundheitliche Folgeschäden voraus.
Trauer und Leid unmöglich zu bemessen
Laut Gesetz bleibt das Schmerzensgeld vorrangig. Ein Hinterbliebenengeld allein für das „seelische Leid“ naher Angehöriger soll gezahlt werden, wenn die Voraussetzungen für Schmerzensgeld nicht erfüllt sind. Anlass kann ein fremdverschuldeter Unfalltod, eine Gewalttat oder ein medizinischer Behandlungsfehler sein.
Das OLG Koblenz betonte nun, dass es eigentlich nicht möglich ist, Trauer und Leid der Angehörigen in Geld zu bemessen. Dennoch habe der Gesetzgeber den Gerichten die Aufgabe zugewiesen, genau hierfür Kriterien zu finden.
Richtschnur seien danach ein Durchschnittsbetrag von 10.000 Euro sowie die Rechtsprechung zum Schmerzensgeld bei „Schockschäden“ naher Angehöriger. Die hierzu ausgeurteilten Beträge könne das Hinterbliebenengeld nicht überschreiten.
„Familiäre Konstellation“ zu berücksichtigen
Im konkreten Fall war ein 20-Jähriger mit seinem Fahrrad ohne Licht auf einer noch dunklen Landstraße unterwegs. Er wurde von einem Auto erfasst und verstarb noch am Unfallort. Die Gerichte gingen von einem hälftigen Mitverschulden aus.
Zuvor hatte der junge Mann noch bei seiner Mutter gewohnt. Sein getrenntlebender Vater klagte auf Hinterbliebenengeld in Höhe von 12.500 Euro. Das Landgericht hatte ihm 4500 Euro zugesprochen. Hiergegen wollte der Vater Berufung einlegen und beantragte Prozesskostenhilfe. Das OLG Koblenz lehnte dies ab. Eine Berufung habe keine Aussicht auf Erfolg.
Zutreffend habe das Landgericht einen Betrag von 9000 Euro angenommen und wegen des hälftigen Mitverschuldens 4500 Euro zugesprochen. Selbst bei einem Schockschaden seien bislang teils weit unter 10.000 Euro ausgeurteilt worden. Zu berücksichtigen sei zudem die „familiäre Konstellation“ und auch, dass der Sohn rasch und ohne langes Leiden verstorben war. (mwo)
Oberlandesgericht Koblenz, Az.: 12 U 870/20