Healthcare

Hoffnungsträger gegen Wachstumsbremse Demografie?

Weltweit bedroht die Überalterung der Gesellschaften das Wirtschaftswachstum. Der Gesundheitssektor könnte diese Delle ausgleichen, postulieren Forscher. Im Fokus steht dabei etwa die forcierte ärztliche Delegation.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Der globale Gesundheitsmarkt bietet noch Wachstumsreserven - wenn alle Räder perfekt ineinandergreifen.

Der globale Gesundheitsmarkt bietet noch Wachstumsreserven - wenn alle Räder perfekt ineinandergreifen.

© Sergey Nivens/fotolia.com

Neu-Isenburg. Der nahezu weltweit zu beobachtende demografische Wandel droht, das Wirtschaftswachstum einbrechen zu lassen. Ohne Gegenmaßnahmen wird das globale Wachstum langfristig um 40 Prozent zurückgehen, prophezeit die aktuelle Studie des McKinsey Global Institute (MGI) mit dem Titel "Global growth: Can productivity save the day in an aging world?".

Produktivitätssteigerungen von jährlich über drei Prozent seien notwendig, um die Folgen des demografischen Wandels auszugleichen, prognostizieren die Forscher des Washingtoner Think Tanks.

Untersucht wurden laut MGI die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung in den G20-Staaten sowie Nigeria als großer aufstrebender Volkswirtschaft Afrikas. Zusammen bildeten diese Märkte mit 63 Prozent rund zwei Drittel der Weltbevölkerung und 80 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung ab.

"Demografische Dividende" schwächt sich ab

Die Weltwirtschaft erlebte laut Studie in den vergangenen 50 Jahren ein beispielloses Wachstum - angetrieben durch Produktivitätssteigerungen von 1,8 Prozent pro Jahr und einer steten Zunahme der Beschäftigung um 1,7 Prozent.

Durch die sinkenden Geburtenraten und die alternde Bevölkerung werde sich diese historisch außergewöhnliche demografische Dividende aber auf 0,3 Prozent deutlich abschwächen, warnen die Forscher.

Die fortschreitende Überalterung der Bevölkerung werde langfristig zu einem dramatischen Rückgang des weltweiten Wirtschaftswachstums führen. Ohne eine erhebliche Steigerung der Produktivität werde das Wachstum von jährlich 3,6 Prozent der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der vergangenen 50 Jahre auf 2,1 Prozent in den kommenden Jahrzehnten sinken.

Für Deutschland bedeute dies zum Beispiel, dass sich selbst bei gleichbleibenden Produktivitätszuwächsen das Wachstum langfristig von durchschnittlich 2,2 Prozent auf 1,0 Prozent jährlich abschwächen würde, schätzen die Forscher.

Um diesem negativen Trend nachhaltig entgegenzuwirken, müsste der MGI-Studie zufolge das weltweite Produktivitätswachstum auf durchschnittlich 3,3 Prozent pro Jahr steigen.

Chancen durch bessere Arbeitsteilung

Dass sogar eine Steigerung um vier Prozent möglich sei, sehen die MGI-Experten durch Fallstudien und internationale Beispiele aus den fünf Sektoren Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -verarbeitung, Automobil, Handel und Gesundheit belegt.

Demnach könnten drei Viertel dieses Wachstums allein dadurch erreicht werden, dass bestehende best practices konsequent angewandt würden - beispielsweise durch die die effizientere Verteilung von Aufgaben zwischen Ärzten, Pflegern und Hilfskräften im Gesundheitswesen.

Übersetzt für Deutschland könnte dies heißen, dass Vertragsärzte zum Beispiel stärkeren Gebrauch machen könnten von der erlaubten Delegation verschiedener Tätigkeiten an die Medizinischen Fachangestellten (MFA) in der Praxis.

Erwünschter Nebeneffekt: Mit Modellen der Delegation von Leistungen an MFA könnte die ärztliche Arbeit gerade auf dem Land wieder attraktiver werden, erwartet zum Beispiel der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU). Die Mitarbeiterinnen könnten die Praxischefs bei Hausbesuchen und anderen Aufgaben entlasten, regte er unlängst an.

Optimierte Behandlung birgt Einsparpotenzial

Weiteres Einsparpotenzial von drei Prozent bei den Gesundheitsausgaben, ohne Abstriche bei der Versorgungsqualität zu machen in den untersuchten Ländern, sehen die MGI-Experten unter anderem bei einer optimierten Behandlung der Patienten.

Dies solle dazu führen, dass in geeigneten Fällen die Behandlung im kostengünstigsten Umfeld geschehen solle. Bessere Prozeduren und Prozesse sollen dabei die Länge zum Beispiel eines Klinikaufenthaltes weiter reduzieren helfen.

Disease-Management-Programme könnten rund zwei Prozent Kosten einsparen helfen - durch niedrigere Management-Aufwendungen für Patienten mit Diabetes, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen, postulieren die Forscher.

Telemedizin als Wachstumstreiber

Das übrige Viertel zum Wachstum könnte laut Studie durch technologische und managementbezogene Innovationen erreicht werden.

Vielversprechende Ansätze hierbei seien beispielsweise intelligentere Roboter, neue Werkstoffe und die gezielte Nutzung mobiler Daten in der Gesundheitsversorgung, die Telemedizin.Voraussetzung für mehr Wachstum ist dem MGI zufolge vor allem ein gesellschaftliches und politisches Umfeld, das Produktivität und Innovationen stärker fordert.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Bundessozialgericht

Bronchoflex Tubus ist ein flexibles Instrument

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Lesetipps
Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Der gelbe Impfausweis

© © mpix-foto / stock.adobe.com

Digitaler Impfnachweis

eImpfpass: Warum das gelbe Heft noch nicht ausgedient hat

Ein Aquarell des Bundestags

© undrey / stock.adobe.com

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zum Ampel-Aus: Eigenlob und davon in rauen Mengen