Arzthonorar

In den KVen geht es um bis zu 120 Millionen Euro

Im Herbst verlagern sich die Verhandlungen ums Honorar der Kassenärzte auf die Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen. Mit entscheidend, wie viel mehr die Ärzte bekommen, ist die Qualität der Kodierung der Diagnosen.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
An der korrekten Verschlüsselung der Diagnosen hängt nicht nur die Abrechnung des einzelnen Arztes, sondern auch die Gesamtvergütung in den KVen.

An der korrekten Verschlüsselung der Diagnosen hängt nicht nur die Abrechnung des einzelnen Arztes, sondern auch die Gesamtvergütung in den KVen.

© [M] AZ | Miqul / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Für die Behandlung von schwer kranken und alten Patienten soll es mehr Geld geben als für die Betreuung von jüngeren mit Bagatellerkrankungen.

Was auf einzelärztlicher Ebene über den EBM mit Morbi-Pauschalen und Geriatrieleistungen funktionieren soll, das gilt auch auf KV-Ebene - damit das nötige Geld zur Verfügung steht, um die Leistungen bei multimorbiden Patienten adäquat zu honorieren.

Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber es so eingerichtet, dass das Honorar der Vertragsärzte seit dem Jahr 2013 auch an der Entwicklung der Morbidität der Versicherten in einer Region hängt - und an der Demografie.

Der Bewertungsausschuss von Ärzten und Krankenkassen beschließt dazu anhand der vorliegenden Diagnosedaten aus den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und der Daten zur demografischen Entwicklung zwei Veränderungsraten, die dann als Leitplanken für die regionalen Veränderungsraten dienen.

Dabei hat der Gesetzgeber allerdings nicht den Umstand berücksichtigt, dass die Honorare vor 2013 möglicherweise die Krankheitslast in einer Region nicht genügend abbilden. Unter anderem daraus resultieren die Unterschiede bei den Fallwerten zwischen den KVen.

Kein Neustart beim Honorar

Das hat das Bundessozialgericht erst vor kurzem in einem aufsehenerregenden Urteil so bestätigt. Die KV Sachsen-Anhalt konnte in Kassel eine Erhöhung der Honorare um zwölf Prozent aufgrund einer höheren Morbidität der Bevölkerung nicht durchsetzen; für einen solchen Neustart beim Honorar sah das Gericht keinen Spielraum.

In den regionalen Verhandlungen bildeten nur die Veränderungsraten der Morbidität auf der Grundlage der Behandlungsdiagnosen sowie aufgrund demografischer Kriterien den Maßstab.

Das heißt, die beiden Veränderungsraten werden nicht addiert, sondern das Verhandlungsergebnis beim regionalen Honorarzuwachs soll sich in der Regel am Mittelwert dieser beiden Parameter orientieren.

Ende August hat der Bewertungsausschuss nun die Veränderungsraten beschlossen. Die Daten, über die in den KVen zur Morbiditätsorientierten Gesamtvergütung verhandelt wird, stehen damit fest - wobei natürlich noch extrabudgetäre Komponenten auf regionaler Ebene hinzukommen können, zum Beispiel Impfvereinbarungen und ähnliches.

Das Ergebnis des Beschlusses überrascht insofern, als es in einzelnen Regionen offenbar erstmals einen leichten Rückgang in der Krankheitslast gegeben hat.

In Bremen und Berlin liegt die Veränderungsrate aufgrund der Behandlungsdiagnosen jeweils bei knapp minus 0,2 Prozent - das ist nicht viel, aber die Entwicklung liefert auch keine Argumente für ein steigendes Honorar.

Mecklenburg-Vorpommern liegt an der Spitze

Anders sieht das wiederum in den neuen Bundesländern aus. Sie liegen wiederum an der Spitze, auch wenn auch hier die Entwicklung weniger dynamisch verlaufen ist als zuvor: Mit Veränderungsraten von jeweils 1,6 Prozent ist in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern die Morbidität am deutlichsten gestiegen.

Bei der Demografie liegen die Veränderungsraten zwischen 0,03 Prozent in Hamburg und 0,62 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern.

Was das für das Honorar bedeuten kann, hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung am Wochenende präzisiert: Die vom Bewertungsausschuss beschlossenen Veränderungsraten umfassten insgesamt ein Finanzvolumen zwischen 68 und 120 Millionen Euro. Um dieses Geld geht es damit in den Honorarverhandlungen auf KV-Ebene im Herbst.

Ob es glücklich ist, die von den Ärzten verschlüsselten Diagnosen mit dem Honorar zu verknüpfen, lässt sich natürlich trefflich in Frage stellen. Gestaltungsmissbrauch ist dabei nicht auszuschließen - oder eben auch, dass die Ärzte, die eine Verschlechterung des Zustands ihrer Patienten nicht in den verschlüsselten Diagnosen akkurat abbilden, durch ein niedrigeres Gesamthonorar bestraft werden.

Durch die Hintertür hat die in den Kodierrichtlinien von den Ärzten abgelehnte genaue Diagnosenverschlüsselung in den Praxen also letztlich doch Einzug gehalten.

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