Straferlass
Justiz muss laufende Cannabis-Verfahren überprüfen
Die geplante Freigabe von Cannabis sorgt für Mehrarbeit bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Laufende Verfahren müssen angeschaut werden. Der Aufwand ist enorm.
Veröffentlicht:Stuttgart. Die geplante kontrollierte Freigabe von Eigenanbau und Besitz bestimmter Mengen von Cannabis zum 1. April hat enorme Auswirkungen auf die Justiz in Baden-Württemberg. Weil das Gesetz rückwirkend gelten soll, müssen alle laufenden Verfahren und noch nicht vollständig vollstreckten Strafen, die sich auf diese Grenze beziehen, neu aufgerollt werden, wie Justizministerin Marion Gentges (CDU) am Freitag in Stuttgart mitteilte.
Auf die schlechte Idee der Legalisierung von Cannabis folge eine noch schlechtere Umsetzung. „Bereits jetzt wurden alleine in Baden-Württemberg rund 19.000 Verfahren zur Prüfung an die Strafvollstreckungsbehörden übermittelt. Diese Verfahren müssen nun händisch darauf geprüft werden, ob die Vollstreckung von dem rückwirkenden Straferlass betroffen sein könnte oder nicht.“ Welche Dimension das schlussendlich annehme, sei nicht abzuschätzen.
Gentges kritisierte weiter, all das könnte noch getoppt werden mit einer utopischen Frist von maximal vier Werktagen zur Umsetzung des Gesetzes. „Hier zeigt sich wieder einmal, wie der Bund das eigentliche Ziel vollkommen verfehlt und der Justiz einen Bärendienst erweist.“ Nach aktueller Planung der Regierungsfraktionen soll es eine Frist von maximal vier Werktagen zwischen Befassung des Bundesrates und Umsetzung des Straferlasses geben.
Zahlen bezüglich Verfahrensüberprüfungen meldete am Freitag auch Niedersachsen. Eine Sprecherin des Justizministeriums in Hannover sagte, es müssten rund 16.000 Akten in dem Bundesland händisch durchsucht werden. Es müsse geprüft werden, ob Inhaftierte wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz im Gefängnis säßen und ob dies mit Inkrafttreten des neuen Gesetzes möglicherweise nicht mehr strafbar wäre und die Häftlinge somit freikommen könnten.
„Das würde die Justiz hier in Niedersachsen vor einen wirklich unglaublichen Verwaltungsaufwand stellen“, so die Sprecherin. Wie viele Inhaftierte davon in Niedersachsen möglicherweise profitieren würden, konnte das Ministerium noch nicht beziffern. (dpa)