Patientendatenschutzgesetz

KBV sichert sich gute Startbedingungen im Wettbewerb

Die Industrie fühlt sich von einigen Änderungen im PDSG auf den letzten Drücker überrumpelt. Es handele sich um einen fatalen „Schritt zur schleichenden Verstaatlichung der Gesundheits-IT“, heißt es.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Nicht nur bei der E-Patientenakten, auch bei anderen Anwendungen der Telematik fühlen sich Unternehmen im Wettbewerb mit Kassen und vor allem der KBV benachteiligt.

Nicht nur bei der E-Patientenakten, auch bei anderen Anwendungen der Telematik fühlen sich Unternehmen im Wettbewerb mit Kassen und vor allem der KBV benachteiligt.

© terovesalainen / stock.adobe.com

Berlin. Das Patientendatenschutzgesetz war noch nicht verabschiedet, da kamen bereits die ersten Reaktionen der Industrie. Dabei sollten doch die Vorgaben für elektronische Patientenakten und andere Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung des Gesundheitswesens die Industrie eher euphorisieren.

Doch zwei Änderungsanträge auf den letzten Drücker haben die Industrie kalt erwischt und zu heftigen Reaktionen des Bundesverbandes Gesundheits-IT (bvitg) und des Praxis-EDV-Herstellers medatixx geführt.

Nur Kassenakten in TI erlaubt?

Es geht um die Rolle der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung beziehungsweise der KVen für die kommende elektronische Patientenakte und zur Förderung digitaler Innovationen. So heißt es im neuen Paragrafen 341 (Elektronische Patientenakte): „Die Telematikinfrastruktur darf nur für solche (...) elektronischen Patientenakten verwendet werden, die von einer Krankenkasse (oder) von Unternehmen der privaten Krankenversicherung (...) angeboten werden.“

„Das ist eine bewusste Entscheidung gegen den Wettbewerb“, erklärt Sebastian Zilch, Geschäftsführer des bvitg. Der bvitg fordert nun „eine Öffnung des Marktes für Drittanbieter, die nach der Einführung der ePA, spätestens aber ab Januar 2022 erfolgt“.

Damit würde laut bvitg zumindest perspektivisch die Wahlfreiheit für Patientinnen und Patienten gestärkt und „ein Umfeld geschaffen werden, in dem Lösungen durch Nutzerfreundlichkeit und Innovation überzeugen müssen“.

KV-System mit Wettbewerbsvorteilen

Der zweite Stein des Anstoßes für die Industrie ist der neu geschaffene Paragraf 68c, der der KBV und den KVen die Möglichkeit einräumt, die Entwicklung digitaler Innovationen zu fördern und in diesem Rahmen auch Innovationen in Zusammenarbeit mit Krankenkassen zu „entwickeln oder von diesen entwickeln (zu) lassen“. Dafür dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen die versichertenbezogenen Daten, die sie nach Paragraf 285 SGB V „rechtmäßig erhoben und gespeichert haben, im erforderlichen Umfang auswerten“.

Das sei „ein fataler Schritt zur schleichenden Verstaatlichung der Gesundheits-IT“, kommentiert der Praxis-EDV-Hersteller medatixx die neue Passage im Gesetz. Die KBV dürfe damit „deutlich umfangreicher“ als bisher Versichertendaten auswerten und die Ergebnisse nutzen.

„Die Möglichkeiten für einen massiven Eingriff in den Software-Markt, die die KBV damit erhält, sind zutiefst beunruhigend. Sie verschaffen der KBV signifikante Wettbewerbsvorteile bei der Entwicklung und dem Vertrieb eigener Lösungen“, sagt Jens Naumann, Geschäftsführer der medatixx, laut Pressemitteilung. Dies werde zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen“.

Derjenige, der zertifiziert, ist selbst Wettbewerber

„In Anbetracht der großen Marktmacht der KBV, die sie aufgrund ihrer regulatorischen Hoheit besitzt, kann dies bestehende Lösungen vom Markt verdrängen, die Angebotsvielfalt verhindern und zur KBV-Einheitssoftware führen“, fürchtet Naumann. Dieses Vorgehen sei auch rechtlich zu hinterfragen. Es lägen keinerlei Gründe vor, „die den Eingriff einer Körperschaft der mittelbaren Staatsgewalt in einen funktionierenden, vielfältigen freien Wettbewerb der Angebote legitimieren“.

Dies sei um so brisanter, so Naumann weiter, als die KBV nach Inkrafttreten des PDSG aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages „genau jene Produkte der Industrie zu zertifizieren hat, zu denen sie mit eigenen Angeboten im Wettbewerb steht“. Bereits heute sei zu erkennen, dass die KBV bei der Erstellung von Spezifikationen die gesetzlich vorgeschriebene Benehmensherstellung mit der Industrie, die praxistaugliche Lösungen sicherstellen soll, „nur formal, mit nicht einhaltbaren Fristen“ absolviert. Die Kommentierungen der Industrie würden nicht berücksichtigt. „Nur im freien Wettbewerb des Marktes entstehen die besten Angebote mit der größten Wirtschaftlichkeit“, hält Naumann dagegen.

Vorwurf: Ärztegelder würden entfremdet

„Verzerrungen des Marktes“ sieht auch der bvitg durch diese Regelung. Dies gehe „weit über den Sicherstellungsauftrag hinaus“, wird bvitg-Geschäftsführer Zilch zitiert. Zudem würden „Ärztegelder für die Entwicklung digitaler Angebote entfremdet“.

Wie stark die KBV die vom Gesetz eingeräumten Spielräume nutzen wird, lässt sich im Vorhinein schwer sagen. Doch die Körperschaft hat sich immer wieder aktiv dafür eingesetzt, im Softwaremarkt und bei Online-Diensten eine aktivere Rolle zu spielen – mit wechselndem Erfolg und teilweise von Gerichten gestoppt. Das Gesetz bietet nun eine neue Chance.

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