Telemedizin

Kammern räumen den Weg für Tele-Erstkontakt frei

Anfang Januar startet in Baden-Württemberg das erste Pilotprojekt zur telemedizinischen Behandlung nicht persönlich bekannter Patienten. Auch das Fernbehandlungsverbot auf Bundesebene soll geschliffen werden.

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In anderen Ländern längst Standard: Der telemedizinische Arzt-Patienten-Kontakt. In Deutschland setzt das Fernbehandlungsverbot hier zum Teil noch hohe Hürden.

In anderen Ländern längst Standard: Der telemedizinische Arzt-Patienten-Kontakt. In Deutschland setzt das Fernbehandlungsverbot hier zum Teil noch hohe Hürden.

© agenturfotografin / stock.adobe.com

BERLIN. Die deutsche Ärzteschaft hat lange gebraucht, um etwas möglich zu machen, was in anderen Ländern längst Standard ist. Die Rede ist von einem ausschließlichen Arzt-Patienten-Kontakt über Kommunikationsmedien vom Telefon bis zum Internet. Schon heute können Patienten, die in einer Arztpraxis bekannt sind, unter bestimmten Bedingungen zum Beispiel per Videosprechstunde betreut werden. Auch ist es Ärzten gestattet, nicht persönlich bekannte Patienten medizinisch zu beraten. Was bisher nicht ging, sind "fernmündliche" Diagnosen und Behandlungen.

Schweden hat Vorbildcharakter

Anderswo ist das anders. Die viel zitierte Schweiz nutzt in umschriebenen Szenarien telemedizinische Servicecenter, an die sich Patienten mit kleineren medizinischen Problemen wenden können, etwa mit unkomplizierten Harnwegsinfekten.

Die Diagnose wird am Telefon gestellt, das Antibiotika-Rezept – so für erforderlich gehalten – geht in die vom Patienten gewünschte Apotheke. Die Versicherung bezahlt. Nur wenn weiter Beschwerden bestehen, gibt es einen persönlichen Arztkontakt.

Das machen auch andere Länder so. In Schweden haben sich in den letzten Jahren Dienstleister etabliert, die telemedizinische (Video-)Konsultationen anbieten und die auch Rezepte ausstellen dürfen. Hunderttausende derartige Kontakte gibt es dort mittlerweile pro Jahr, und viele davon ziehen keinen persönlichen Arztbesuch nach sich.

Das schwedische Gesundheitswesen fördert diesen Prozess: Ab 2018 sollen Videokonsultationen und konventionelle Arztbesuche in einigen Bereichen abrechnungstechnisch gleichgestellt werden. Gleichzeitig werden Leitlinien entwickelt, um Ärzten bei der Entscheidung für oder gegen eine reine digitale Konsultation zu unterstützen.

Vorreiter Baden-Württemberg

In Deutschland wäre das alles bisher undenkbar: Die Berufsordnungen untersagen Ärzten derartige Ferndiagnosen und Fernbehandlungen. Vor zwei Jahren freilich hat die Landesärztekammer (LÄK) Baden-Württemberg als erste Kammer ihre Berufsordnung geöffnet. Evaluierte Modellprojekte, die von der Kammer genehmigt werden, wären seither möglich.

Ab Januar verschwindet nun der Konjunktiv. Der bisher im PKV-Umfeld in Sachen allgemeiner Beratung tätige Anbieter TeleClinic wird als bundesweit erste mit Ärztekammer-Siegel ausgestattete medizinische Anlaufstelle mit Diagnose- und Therapiebefugnis an den Start gehen. Die entsprechende Genehmigung hatte die LÄK Baden-Württemberg Ende Oktober erteilt. Voraussetzung für die Genehmigung ist unter anderem ein Arzt als Antragsteller, der Mitglied der LÄK Baden-Württemberg sein muss.

Das Angebot der TeleClinic, das in der Telekom-Cloud gehostet wird, richtete sich zunächst nur an Privatpatienten. Doch es wurde erweitert: Vor Kurzem entschied die Kammer über einen Antrag der KV Baden-Württemberg unter dem Projektnamen "Docdirekt", bei dem ebenfalls die TeleClinic der Kooperationspartner ist. Auch dieser Antrag wurde genehmigt, womit dann auch GKV-Versicherte in Baden-Württemberg – voraussichtlich im März und zunächst in den Regionen Stuttgart und Tuttlingen – Zugang zu Ferndiagnosen und Fernbehandlungen bekämen. Anträge auf weitere Modellprojekte liegen bisher nicht vor. Einige andere Anbieter bereiten aber eigene Anträge vor.

Bundesärztekammer in der Pflicht

Auch auf Bundesebene gibt es Bewegung. Die Bundesärztekammer war beim 120. Deutschen Ärztetag aufgefordert worden, zu überprüfen, inwieweit die Musterberufsordnung (MBO) im Hinblick auf Fernbehandlungen ergänzt werden muss. Jetzt gebe es einen ersten Formulierungsvorschlag, teilte BÄK-Vorstandsmitglied Dr. Franz Bartmann bei der DGTELEMED-Tagung in Berlin mit (wir berichteten).

Die neue Formulierung des §7 Absatz 4 der MBO, die allerdings noch im Vorstand abgesegnet werden muss, soll in Ausnahmefällen eine Behandlung rein über Kommunikationsmedien ohne vorherigen persönlichen Patientenkontakt ermöglichen. Dabei werde die besondere Sorgfaltspflicht des Arztes betont und daran appelliert, die Fernbehandlung nicht zu einem Geschäftsmodell werden zu lassen, so Bartmann.

Wenn die Formulierung beim 121. Deutschen Ärztetag 2018 so zur Abstimmung kommt, wie jetzt geplant, dann ginge die BÄK in einigen Punkten über die LÄK Baden-Württemberg hinaus. Den Genehmigungsvorbehalt der Kammern will Bartmann genauso wenig in der Musterberufsordnung sehen wie die strukturierte Umsetzung mit verpflichtender Evaluation.

Die Länderkammern können so etwas natürlich trotzdem einfordern. Die MBO gibt ja nur den Rahmen vor, um den LÄK bei ihren eigenen Formulierungen Unterstützung zu geben.

In Schleswig-Holstein will Bartmann, der dort Kammerpräsident ist, die Berufsordnung in jedem Fall entsprechend ändern, auch falls es nicht gelingen sollte, den Antrag beim 121. Deutschen Ärztetag im Jahr 2018 zur Abstimmung zu stellen. (gvg)

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