Urteil

Kasse darf für Hörgerät nicht nur Festpreis zahlen

Eine sachgerechte Versorgung hat Vorrang vor Erstattungsobergrenzen - das gilt laut aktuellem Urteil zumindest für Patienten, die ein Hörgerät brauchen.

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DARMSTADT. Kann nur ein höherwertiges, teures Hörgerät eine Schwerhörigkeit weitgehend ausgleichen, muss die Krankenkasse die Kosten hierfür grundsätzlich voll übernehmen.

Die Kasse darf den Versicherten dann nicht auf den geringeren Festbetrag verweisen, den sie üblicherweise für Hörgeräte gewährt, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil.

Geklagt hatte ein 51-jähriger Verwaltungsfachangestellter aus Nordhessen. Der Mann ist nahezu taub und benötigte ein neues Hörgerät.

Der Hörgeräteakustiker empfahl ihm ein Gerät, mit dem er auch Telefongespräche führen kann, und schickte der Krankenkasse einen entsprechenden Leistungsantrag zu. Die Kosten beliefen sich auf rund 4900 Euro.

Die Krankenkasse teilte dem 51-Jährigen mit, dass sie den Festbetrag für ein Hörgerät in Höhe von 1200 Euro übernehme. Der Kläger kaufte dennoch das teure Hörgerät.

Die Erstattung des Differenzbetrages von 3700 Euro lehnte die Krankenkasse ab. Das Sozialgericht gab der Kasse aus formalen Gründen noch Recht.

Kläger erhält volle Kostenerstattung

Das Landessozialgericht jedoch sprach dem Kläger die volle Kostenerstattung für das Hörgerät zu. Hörgeschädigte Versicherte hätten Anspruch auf eine "sachgerechte Versorgung". Könne diese mit dem Festpreis nicht erreicht werden, müsse die Kasse auch die Mehrkosten bezahlen.

Die Krankenkasse müsse beweisen, dass auch mit einem günstigeren Hörgerät ein möglichst weitgehender Ausgleich der Hördefizite erreicht werden kann. Stattdessen sei der Versicherte lediglich auf den Festbetrag verwiesen worden.

Die Krankenkassen - wie übrigens auch die Rentenversicherungsträger - würden den hörgeschädigten Versicherten zudem keine "unabhängigen Beratungs- und Gutachterstellen" anbieten, rügten die Darmstädter Richter.

Eine unabhängige Untersuchung und Anpassung der in Betracht kommenden Hörgeräte werde damit nicht gewährleistet. Vielmehr werde diese Aufgabe an die Hörgeräteakustiker "outgesourct".

Auch sei dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er das teure Hörgerät schon vor Ablehnung der vollen Kostenerstattung gekauft hat. Denn die Kasse habe bereits mit dem Verweis auf den Festbetrag eine höherwertige Hörgeräteversorgung abgelehnt.(fl)

Hessisches Landessozialgericht, Az.: L 8 KR 352/11

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