Kassen finden viele IGeL bedenklich

IGeL überrumpeln viele Patienten, kritisieren die Krankenkassen. Schlimmer noch: Manche IGeL könnten sogar schädlich sein. Helfen soll jetzt ein Monitor.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Igel in Siegerpose: Ob er weiß, was die Kassen von seinen Namensvettern halten?

Igel in Siegerpose: Ob er weiß, was die Kassen von seinen Namensvettern halten?

© fotomaster / fotolia.com

BERLIN. Rund 1,5 Milliarden Euro geben gesetzlich Versicherte pro Jahr für Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, aus.

Den Kassen ist dieser hohe Betrag nach wie vor ein Dorn im Auge: "In vielen Fällen sind diese Leistungen ein großes Ärgernis - und nicht nur das, sie sind sogar medizinisch bedenklich", sagte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer.

Das Internetportal "IGeL-Monitor" will Informationslücken bei den Patienten schließen: Hier sollen sich die Versicherten über Nutzen und aus Sicht der Kassen Schaden der Selbstzahlerleistungen informieren und auf dieser Basis eine Entscheidung treffen können, ob sie die Leistungen wollen oder nicht.

Entwickelt wurde die Internetplattform vom Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS). Finanziert wird der IGeL-Monitor vom GKV-Spitzenverband.

Elf von 24 negativ bewertet

Bisher wurden 24 Leistungen bewertet, weitere sollen in naher Zukunft folgen. Die zusammenfassende Bewertung des Nutzens und Schadens der IGeL erfolgt in fünf Kategorien: positiv, tendenziell positiv, unklar, tendenziell negativ oder negativ.

Elf untersuchte Individuelle Gesundheitsleistungen weisen dem Portal zufolge eine negative Nutzen-Schadensbilanz auf - dazu gehören der "Thrombose-Check" und die Glaukom-Frühererkennung. Bei sieben Leistungen ist die Nutzen-Schadens-Bilanz unklar.

Zwei Selbstzahlerleistungen haben die Bewertung "tendenziell positiv" erhalten: Die Lichttherapie bei saisonaler Depression und die Akupunktur zur Migräneprophylaxe.

Bei den restlichen Leistungen, so die Kassen, sei keine Bewertung möglich gewesen. Im Portal werden die Quellen für die Analyse genannt.

Die KBV hat in ihrer Versichertenbefragung eine leichte Zunahme der IGeL-Leistungen von 22 Prozent (im Jahr 2008) auf 24 Prozent (2011) festgestellt. KBV-Chef Dr. Andreas Köhler appellierte, mit dem Thema IGeL sensibel umzugehen.

"Wir dürfen das Vertrauen der Patienten nicht aufs Spiel setzen", sagte Köhler der "Ärzte Zeitung. Die KBV hat zu den IGeL-Leistungen eine eigene Broschüre herausgegeben.

www.igel-monitor.de, www.kbv.de/patienteninformation/23719.html

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Paternalistischer Anspruch

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Kommentare
Dr. Uwe Müller 26.01.201209:25 Uhr

Wie war das noch mit dem Hasen und dem Igel ?

Ich gehöre zur älteren Generation und kann mich noch gut an Märchen erinnern. Eines dieser Märchen war "Der Hase und der Igel", in dem der Hase mit dem Igel anscheinend um die Wette läuft und dabei zu Tode kommt, während der Igel, unter Einbeziehung seiner Familie, immer schon am Ziel dem Hasen zurufen läßt: "Ich bin schon da!" Der ehrgeizige Hase läuft so lange zwischen den Igeln hin und her bis er tot umfällt.
Ist es Zufall, dass sich die Wortschöpfer für die individuellen Gesundheitsleistungen die für Abkürzung IGel entschieden haben, oder hat es mit der Rolle von Hase und Igel im Märchen zu tun? Wir, die Hasen, werden von immer neuen IGeln durch den Gesundheitssumpf getrieben. Da erzählt uns heute ein Augenarzt, dass die Glaukom-Früherkennungsuntersuchung ganz wichtig ist aber von der Kasse nicht bezahlt wird, morgen will uns ein Zahnarzt von der Überlegenheit seiner Zahnfüllungen überzeugen, die wir ebenfalls zusätzlich zu unserer Versicherung bezahlen müssen. Dieser Dschungel wurde erst möglich, seit es eine, nicht nur für den medizinischen Laien unüberschaubare Menge an Leistungen gibt, die teilweise bezahlt, teilweise nicht bezahlt werden.
Ein Gesundheitssystem zu Markte getragen. Aber ein kranker Mensch will gar nicht auf den Markt oder eMarkt gehen, um sich unter der Fülle an Therapeutika, Therapeuten und Therapien die aus Kosten-Nutzen-Gründen günstigste zu suchen: Er will einfach nur gesund werden. In der Vergangenheit hätte noch dazu geschrieben werden können "um jeden Preis". Heute entscheiden Medizinökonomen und die individuelle Situation des kranken Menschen darüber, wie hoch der Preis sein darf. Was nutzt da ein IGel-Monitor?
Der Hase läuft und läuft. Es wird ihm glauben gemacht, dass er immer noch eine bessere Lösung für seine gesundheitlichen Probleme findet, die natürlich nicht im Versicherungspaket ist. Der Igel freut sich - im Märchen - seines Sieges. Die Anbieter der IGel können das sicher gut nachvollziehen. Doch was ist, wenn der Hase aus der Spur läuft, oder tot umfällt? Ersteres ließe sich unter Umständen noch regeln, im Notfall auch mit weiteren IGelen, letzteres wäre auch für den Igel fatal: Denn wer ist der Sieger, wenn es keinen Verlierer gibt? Wer kann dann noch IGeln?

Dr. Fritz Gorzny 26.01.201206:45 Uhr

Hier erhebt sich der Bock zum Gärtner

Ich finde "Igeln" auch nicht gerade gut und empfehle Freunden beim Arztbesuch Ihr Portemonnaie gut zu verschliessen. Entstanden ist das "Igeln" als Notreaktion der nicht operierenden Ärzte auf Einbeziehung der wichtigsten Sonderleistung in die Grundziffer 1, die nur einmal im Quartal angewendet werden durfte und deren Wert kontinuierlich dahinschmolz. Den Kassenärzten drohte das finanzielle aus. Das aber nun ausgerechnet die Hauptnutzniesser unserer Sozialsysteme nämlich die gesetzlichen Krankenkassen, die hemmungslos mit fast 25% der Beitragszahlungen das System aussaugen und in üppigen Immobilien logieren und ihre Vorstände und poltischen Beiräte fürstlich entlohnen, was hoffentlich demnächst offengelgt werden soll,das "Igeln " kritisieren, ist ein Hohn. Heuchlerisch treten sie gegenüber ihren Mitgliedern, von deren gesetzlich eingeforderten Beiträgen sie im Geld schwimmen,als ehrliche Makler und gewissenhafte Verwalter deren Beiträge auf, deren Höhe inzwische nach oben inzwischen offen ist. Für wirklich notwendige Leistungen ist dann angeblich kein Geld da. So werden z.B. Kinderbrillen mit beschämend geringen Zuschüssen bezuschusst, die in keinem Fall kostendeckend sind und von den meistens nicht gerade wohlhabenden Eltern grosse finanzielle Opfer abverlangen ,zumal wenn in kinderreichen Familien die Billigbrillen den Belastungen der lebhaften Sprösslinge nur kurze Zeit standhaltend und häufig ersetzt werden müssen.
Die Krankenkassen sitzen mit ihrem masslosen Geldbedarf im sprichwörtlichen Glashaus und sollten nicht mit Steinen nach denen werfen, die sie mit ihren Regulierungen nach Belieben knebeln. Hier erhebt sich der Bock zum Gärtner

Dr. Thomas Georg Schätzler 26.01.201200:04 Uhr

Alternativlose, lügenfreie Unwahrheit?

Das Internetportal "IGeL-Monitor" des GKV-Spitzenverbandes, gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst (MDS), publiziert nach eingehender Prüfung unter
• www.igel-monitor.de
eine Fülle von lügenfreien Unwahrheiten, Fehl- und Falschmeldungen. Damit sollen unsere haus- und fachärztlich begleiteten GKV-Patientinnen und -Patienten ausgerechnet von denen maximal verunsichert werden, die im GKV-System am w e i t e s t e n von der Versorgungsrealität in Klinik und Praxis entfernt positioniert sind. GKV-Kassen und ihr Medizinischer Dienst sollen das Sozialgesetzbuch (SGB) V verwalten und dahingehend mit Leben füllen, dass Leistungserbringer ebenso wie Versicherte im Gesundheits- und Krankheitsfall bei Untersuchung, Beratung, Diagnose, Therapie, Heilung, Linderung und Palliation flankierend unterstützt und nicht behindert werden.

Doch die Hybris beginnt schon bei der Namensgebung: Frau Dr. Doris Pfeiffer ist keineswegs Chefin des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Kranken v e r s i c h e r u n g (GKV), sondern nur der K a s s e n! Die GKV setzt sich zusammen aus Versicherten, Arbeitgebern, KVen, Kliniken, MVZ, Arztpraxen, Pflege, Heil- und Hilfsmittelbereich, REHA und nicht zuletzt den Kassen. Ach ja, und die Bundes- bzw. Landesgesundheits-Gesetzgebung bestimmt schließlich, wo es prinzipiell langgeht.

Zitat aus dem "IGeL-Monitor": "IGeL sind demnach zum einen Leistungen, die per Gesetz nicht zu den Aufgaben der GKV gehören, wie Atteste und Reiseimpfungen." Das ist definitiv falsch, da viele Kassen Reiseimpfungen komplett übernehmen. Touristisch indizierte MMR-, FSME-, TDPP-, Meningokokken-, Influenza-Impfungen sind GKV-Pflichtleistungen. Die ärztliche reisemedizinische B e r a t u n g dagegen nicht.

Besonders perfide ist die Formulierung: "Zum weitaus größeren Teil sind IGeL jedoch medizinische Maßnahmen zur Vorsorge, Früherkennung und Therapie von Krankheiten, die nicht zeigen können oder nicht gezeigt haben, dass sie, wie es das Gesetz fordert, ''ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten''." Der zitierte Abschnitt aus SGB V § 12 Abs. 1 lautet unter ''Wirtschaftlichkeitsgebot'' weiter:
''Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.'' § 34 regelt ''Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen'', den Ausschluss medikamentöser Therapie von sogen. Bagatellerkrankungen und Reisekrankheit. Und weiter: ''Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht.'' Der "IGeL-Monitor" verschweigt, dass a l l e Leistungen j e n s e i t s von § 12 und § 34 SGB V mit Patientenwunsch nach optimaler, umfassender und bestmöglicher ärztlicher Betreuung und Versorgung gerade k e i n e GKV-Leistungsinhalte sein können.

Wenn aber der Kassen-Spitzenverband Lichttherapie bei saisonaler Depression und Akupunktur zur Migräneprophylaxe als "tendenziell positiv" bewertet, ist er gesetzlich verpflichtet, beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) der Ärzte und Krankenkassen die Übernahme in die GKV-Leistungspflicht als ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend zu beantragen.

Bitte keine Missverständnisse: Ohne Wenn und Aber bin ich g e g e n IGeL und privatärztliche Zusatzleistungen, die gefährlich, schädlich, unsinnig, riskant und überflüssig sind. Darüber müssen KVen und Ärztekammern im Rahmen bestehender Gesetze wachen und regulierend eingreifen. Denn die Gesetzlichen Krankenkassen haben mit SGB V, § 12, Absatz 3 ein Haftungsproblem:
''Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewusst oder hätte hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Empfang der Bundesärztekammer und ÄK Berlin

Lauterbach sagt bei Verbleib im Amt GOÄ-Novelle zu

Lesetipps
Eine Person weigert sich, Alkohol zu trinken.

© Pormezz / stock.adobe.com

Suchtmedizin

Evidenzbasierte Strategien gegen Alkoholabhängigkeit

Eine Ärztin untersucht die Hand eines älteren Patienten in einer Klinik.

© Drazen / stock.adobe.com

ACR-Kongress

Fünf M für eine bessere Versorgung älterer Rheumapatienten