Berlin
Keine Angst vor der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten!
Die neue Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten verunsichert Niedergelassene in Berlin. Dafür sieht der Arzt und Praxisberater Dr. Georg Lübben keinen Grund. Weiter verordnen wie bisher, lautet seine Empfehlung.
Veröffentlicht:
Anderswo habe das neue Prüfverfahren auch nicht zum Untergang des Abendlandes geführt, beruhigt der Arzt und Praxisberater Dr. Georg Lübben aufgebrachte Praxischefs aus der Hauptstadt.
© Kzenon / stock.adobe.com
Berlin. Dem neuen Wirtschaftslichkeitsprüfungsverfahren in Berlin schlägt ärztlicherseits Skepsis entgegen. Die KV scheint dabei nicht ganz unschuldig zu sein, denn sie hadert vor allem damit, dass im nötig gewordenen Schiedsverfahren zahlreiche regionalen Praxisbesonderheiten gestrichen wurden. Das, so die KV, betreffe besonders Ärzte, die Krebs- und HIV-Patienten versorgen, sowie die, die die Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen erbringen.
„Bei diesen Ärzten, die oft sehr teure Medikamente verschreiben müssen, um bestmöglich versorgen zu können, ist das Risiko nunmehr sehr hoch, geprüft zu werden. Von daher halten wir die Versorgung der betroffenen Patientengruppen für stark gefährdet“, schrieb KV-Vorstandsmitglied Günter Scherer in der Januar-Ausgabe des KV-Blatts.
Dr. Georg Lübben, Arzt und Vorstand der AAC Praxisberatung in Berlin, mahnt dagegen zur Besonnenheit und sieht keinerlei Grund zur Panik. Die Substitutionsärzte zum Beispiel bekämen eine eigene Prüfgruppe, „da passiert nichts“, so Lübben. Und auch die HIV-Schwerpunktpraxen, die sich häufig zusammen mit den Hausärzten in einer Prüfgruppe befänden, bräuchten sich seiner Ansicht nach keine Sorgen zu machen. Ihr Status beziehungsweise ihre besondere und versorgungsintensive Patientenklientel sei der KV und dem Prüfungsausschuss bekannt.
Auffällig erst ab 140 Prozent
Für den Praxisberater hat die Prüfung der Arznei- und Heilmittelverordnungen nach Durchschnittswerten den Vorteil, dass sie sich an dem jeweils aktuellen Jahr orientiert. Damit könne sich „eine Dynamik entwickeln“ und oft eher hochpreisige Innovationen könnten so schneller und gefahrloser Eingang in die Versorgung finden. Das neue Verfahren führe zwangsläufig dazu, dass die Liste der Praxisbesonderheiten kürzer werde, „weil die in den Durchschnittswerten mit enthalten sind“, so Lübben. Dies habe auch die Erfahrung in anderen KVen gezeigt, die von Richtgrößen- auf Durchschnittswertprüfungen umgestellt haben.
Ärzten mit erkennbar abweichendem Leistungs- und Patientenprofil rät er dennoch, diese zur Sicherheit schon während des Jahres als individuelle Praxisbesonderheiten zu melden – wie es die KV ebenfalls empfiehlt. Zudem sei ein kollegialer Austausch mit anderen Praxen wichtig, um zu erfahren, wie diese verordnen, und gegebenenfalls mit Absprachen auf Entwicklungen zu reagieren.
„Verordnen wie bisher, keine abrupten Änderungen des Verordnungsverhaltens“, lautet Lübbens Rat an die Niedergelassenen. Die Ärzte sollten sich jetzt nicht nur darauf konzentrieren, die für manche Arzneimittelgruppen festgelegten Höchst- und Mindest-Zielquoten einzuhalten, „denn die kommen erst ganz am Ende zu tragen – wenn überhaupt“.
Will heißen: Um überhaupt in die Wirtschaftlichkeitsprüfung zu kommen, müssen Praxen erst einmal auffällig werden. Das bedeutet nach der neuen Vereinbarung: Die Kosten der verordneten Arzneimittel müssen mehr als 40 Prozent über dem Fachgruppendurchschnitt liegen.
Davon werden in einer Vorprüfung erst einmal – sofern vorhanden - die bundesweiten, regionalen und individuellen Praxisbesonderheiten abgezogen. Erst wenn die Verordnungskosten dann immer noch über der 40-Prozent-Marke liegen, kommen die Zielquoten zum Tragen. Werden sie erreicht, werden alle Kosten für die entsprechende Arzneimittelgruppe vom Verordnungsvolumen abgezogen. Umgekehrt bedeutet das laut Lübben. „Ich kann alle Quoten der Welt reißen, wenn ich nach Abzug der Praxisbesonderheiten unter 140 Prozent liege.“