Mit Würde Arzt sein

Kleine Hilfen statt großer Heilkunst

Was macht einen guten Arzt aus? Diese Frage stellt sich Dr. Jessica Eismann-Schweimler in ihrem Blog und kommt zu dem Schluss: Oft sind es Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen.

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Kleinigkeiten machen oft den Unterschied bei der Versorgung aus.

Kleinigkeiten machen oft den Unterschied bei der Versorgung aus.

© Gina Sanders / fotolia.com

Was wird mich zu einem guten Arzt machen? Medizinische Expertise, das ist klar. Ohne die geht es nicht und an ihr arbeite ich seit dem Studium. Was ist aber mit weiteren Faktoren, die den Arztberuf ausmachen?

Dr. Jessica Eismann-Schweimler ist Weiterbildungsassistentin in einer allgemeinmedizinischen Praxis, 36 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie ist seit elf Jahren Ärztin und bloggt für die „Ärzte Zeitung“ über die Höhen und Tiefen der verschiedenen Weiterbildungsabschnitte auf dem Weg zum Allgemeinmediziner sowie über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dazu habe ich ein Buch gelesen: "Die verlorene Kunst des Heilens" von Bernard Lown. Hier wird in Anekdoten beleuchtet, welchen Einfluss der Arzt-Patienten-Kontakt über die rein sachliche Ebene hinaus hat. Placebo- und Nocebo-Effekte mit eingeschlossen.

Details im Umgang zählen

Für mich wegweisend war der kleine Hinweis, dass ich dem Patienten helfen kann, wenn ich ihn doch nicht zu heilen vermag.

Manchmal reicht es auch, bei der Visite das Kopfkissen aufzuschütteln, damit der Patient sich besser fühlt. In der Praxis lautet meine einführende Frage inzwischen: "Was kann ich für Sie tun?" Denn da findet sich letztendlich immer eine Kleinigkeit, auch wenn es nicht die Heilung ist.

Mir ist das Üben meiner "bedside manner" über die Zeit meiner Ausbildung sehr wichtig geworden, weil ich leider bei Kollegen und Ausbildern auch einen anderen Patientenumgang beobachtet habe. Da fielen Sätze über Patienten wie "Kissen drauf und Ruhe ist" oder "Der ist nur eine Pflanze".

Verständliche Taktik zur Alltagsbewältigung

Meiner Meinung nach spiegelt so eine Haltung den Versuch einer Bewältigung all des Leides, das wir täglich beobachten dürfen und müssen. Sie hilft zu einer inneren Distanz. Dennoch ist das nicht der Weg, den ich gehen möchte.

Ich möchte meinen Patienten in einer wertschätzenden Grundhaltung gegenüber stehen. Es gibt inzwischen viele kleine Dinge, die ich gesammelt habe, um die Arzt-Patienten-Beziehung zu verbessern und ihr Heilungspotenzial zu nutzen.

Ein Beispiel: Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, das Schuldgefühl der Patienten nicht zu vergrößern. Einem Patienten, der aufgrund seiner Nikotinsucht eine COPD entwickelt, ist nicht geholfen, wenn er sich deswegen besonders schuldig fühlt. Deshalb kann er sein Verhalten auch nicht ändern. Viel lieber möchte ich ihn ermutigen, kleine Schritte zu gehen und ihn loben, wenn diese gelingen.

So habe ich Freude an meiner Arbeit, ich übe und lerne das Heilen. Nicht nur in Form medizinischer Expertise, sondern auch in seiner Kunst.

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 08.02.201709:02 Uhr

"Ich übe und lerne das Heilen"???

Da muss ich energisch widersprechen! Ärztliche Kernkompetenz ist "Helfen, Heilen, Lindern, Schützen... und in der Palliativmedizin auch Loslassen"; vergleichbar mit dem international verbindlichen Motto der Feuerwehren: "Bergen, Retten, Löschen, Schützen" ("save. extinguish. rescue. protect", the fire brigade''s motto).

Es ist m. E. ein folgenschwerer Irrtum und ein fahrlässiger Allmacht-Anspruch, wenn auch hochverdiente Ärztinnen und Ärzten im Fachbereich Humanmedizin ihr Berufsfeld, vergleichbar mit Heilpraktikern und "Gesundbetern", ausschließlich mit "Heilen" umschreiben und damit nur ein Viertel oder Fünftel ihres Arbeitsgebietes benennen.

Mit der Entwicklung der modernen Pharmakotherapie, mit verbesserten palliativen, operativen und interventionellen Maßnahmen, mit Infektiologie, Rehabilitation und Prävention werden Krankheiten immer besser beherrschbar. Damit sind sie aber keineswegs immer mit "restitutio ad integrum" geheilt, sondern nur eingehegt und befriedet worden.

Insbesondere bei chronischen, teilhabemindernden, systemischen, psychosomatischen, psychiatrischen, psychischen Leiden und Erkrankungen kommt es auf Bewältigungsstrategien ("coping") an. Vom palliativen "Loslassen" ganz zu schweigen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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