Chroniker im Job
Knackpunkt Hausarzt-Atteste
Chronisch kranke Beschäftigte stellen Firmen vor große Herausforderungen - vor allem wenn Atteste zu wenige Details verraten. Das kann bis zur Kündigung führen.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Werden Arbeitnehmer krank und können nicht mehr auf ihrem angestammten Arbeitsplatz beschäftigt werden, stehen die Arbeitgeber mitunter vor großen Herausforderungen.
Sie sind dann bemüht, einen Arbeitsplatz zu finden, der den Belastungsgrenzen des Arbeitnehmers entspricht.
"Das ist leider nicht immer möglich", resümierte Dr. Annette Drozd, Leitende Betriebsärztin bei dem Flughafenbetreiber Fraport, kürzlich in Frankfurt zum Start der Kampagne "Diabetes@Work - Initiative zeigen für eine gesunde Arbeitswelt".
Bürojobs sind endlich
Konkret ein Dorn im Auge sind Drozd "Atteste von Hausärzten, die einfach bescheinigen, dass für den betroffenen Mitarbeiter künftig ein Bürojob notwendig ist."
Am Beispiel ihres Arbeitgebers verdeutlichte sie dann die Probleme, die sich aus diesem monierten Habitus ergeben: "Auch unsere Bürojobs sind endlich. Am Ende steht dann mitunter zwangsweise die Kündigung des Mitarbeiters."
Drozd prangerte die Hausärzte aber nicht nur an, sondern reichte ihnen gleichzeitig die Hand zur zielorientierten Kooperation. "Gerne geben wir unseren Mitarbeitern Stellenbeschreibungen für das Gespräch mit ihrem Arzt mit.
Dann kann dieser besser selektieren, welche Tätigkeiten eventuell noch ausgeübt werden könnten", so Drozd.
Auch sei sie bereit, für individuelle Nachfragen der Hausärzte bezüglich der jeweiligen Anforderungsprofile ihrer Patienten im Beruf zur Verfügung zu stehen.
Dass Drozd mit ihrer Dialogbereitschaft den Rückhalt der Kollegen in den Unternehmen hat, bestätigte Dr. Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte.
Atteste nur nach Diagnose
"Eigentlich sollten Hausärzte keine allgemein gehaltenen Atteste für die betroffenen Patienten ausstellen", zeigt der in Hemsbach niedergelassene Hausarzt Dr. Dr. Peter Schlüter im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" Verständnis für das Anliegen der Fraport-Betriebsärztin.
"Ich stelle solche Atteste zur Vorlage beim Arbeitgeber immer auf Basis der orthopädischen Diagnostik aus", ergänzt Schlüter. Für ihn sei es selbstverständlich, sich nach den Anforderungen am Arbeitsplatz zu erkundigen und im Attest auf die individuellen Belastungsgrenzen einzugehen.
"Das beinhaltet zum Beispiel die Angabe konkreter Belastungsgrenzen beim Heben in Kilogramm oder Einschränkungen bei Tätigkeiten mit häufigen Sitz- und Stehwechseln", konkretisiert Schlüter.
Wichtig sei für ihn aber aus Datenschutzgründen, nicht direkt das Gespräch mit dem Betriebsarzt zu suchen, sondern die Kommunikation über den Patienten laufen zu lassen.
Gerade mit Blick auf die geschätzt mehr als zwei Millionen Diabetiker im berufsfähigen Alter suchte Drozd in Frankfurt den Schulterschluss mit den Diabetologen.
Fachkräftemangel erhöht den Druck
Denn im Kontext von Fachkräftemangel und Demografiewandel stelle die belastungsadäquate Integration von Diabetikern wie auch anderen chronisch kranken Mitarbeitern ein immer größeres Problem für die Betriebe dar.
Der Gießener Diabetologe Dr. Klaus Ehlenz griff den Vorstoß der Betriebsärzte auf und sah spontan ein großes Potenzial bei der Kooperation von Unternehmen und niedergelassenen Diabetologen.
Zugleich zeigte sich der Vorstandsvorsitzende Genossenschaft der Diabetologen Hessen eG davon überzeugt, dass auch die Diabetologen enger mit den Hausärzten zusammenarbeiten müssten, wenn es um die Sicherung der Weiterbeschäftigungsfähigkeit von Diabetikern in den Betrieben gehe.
Zugleich forderte Ehlenz in Richtung Unternehmen, über die Übernahme oder die Bezuschussung der Kosten der von den Kassen in der Regel nicht erstatteten permanenten Glukosemessung nachzudenken, die Diabetikern den Arbeitsalltag immens erleichtere. (maw)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar zu Diabetikern: Sinnvolles Angebot