Krankenhausreform

Kommission zur Krankenhausreform: Lauterbach setzt vorerst voll auf Wissenschaft

16 Experten haben den Auftrag erhalten, in einer Regierungskommission die Krankenhausstrukturen neu zu denken. Selbstverwaltung und Länder werden erst später dazu gebeten, hat der Gesundheitsminister angekündigt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach stellte am Montag den Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung Professor Tom Bschor (l.) vor.

Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach stellte am Montag den Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung Professor Tom Bschor (l.) vor.

© Annette Riedl/dpa

Berlin. Die Ampel-Koalition hat die erste Stufe ihrer geplanten großen Krankenhausreform gezündet. Am Montagnachmittag stellte Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) die 16 Expertinnen und Experten der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vor, die nun die ersten Aufschläge zur Neumodellierung der Krankenhauslandschaft liefern sollen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler repräsentieren die Fächer Medizin, Pflege, Ökonomie und Recht. Zum Koordinator hat Lauterbach Professor Tom Bschor berufen. Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie war viele Jahre Chefarzt der Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin.

Lauterbach: „Wollen Ergebnis aus einem Guss“

Vertreter der Krankenhausgesellschaften in Bund und Ländern finden sich darin nicht. „Das ist eine rein wissenschaftliche Kommission ohne Beteiligung der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaften“, beschrieb Lauterbach seine Expertenauswahl. Auch die Länder seien darin nicht vertreten. Der Minister kündigte an, dass sowohl die Krankenhausseite als auch die Länder im Laufe der Kommissionsarbeit angehört würden.

„Wir wollen zu einem Ergebnis aus einem Guss kommen“, sagte Lauterbach. Als erste Schwerpunkte der Kommissionsarbeit zeichnen sich die Reform der Notfallversorgung, der Pflegemangel und eine Reform der Fallpauschalen ab. Sie sollen künftig nach Versorgungsstufen gestaffelt werden.

GKV: Kommission nicht angemessen verankert

„Diese Kommission hat eine große Aufgabe vor sich“, meldete sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) Dr. Gerald Gaß am Montagnachmittag zu Wort. Sie müsse „konsensfähige und umsetzbare Vorschläge“ unterbreiten. Es gehe nicht darum, wissenschaftliche Modelle zu diskutieren, sondern tatsächliche Rahmenbedingungen für die Versorgung von 83 Millionen Menschen. Gaß bot der Kommission an, ihr „jederzeit beratend zur Seite zu stehen. Er gehe davon aus, dass die Expertise der DKG angemessen in die Diskussion und die Entscheidungen einbezogen werde.

Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland Bernadette Rümmelin äußerte Zweifel an der Zusammensetzung der Kommission. „Fachleute, die sich mit den Besonderheiten der realen Versorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen auskennen, sind in der Kommission nicht vertreten“, sagte Rümmelin. Zur Sicherung der gesundheitlichen Daseinsvorsorge in allen Regionen Deutschlands sei diese Perspektive unerlässlich.

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Als „überfällig“ bezeichnete die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann die Krankenhausreform. „Allerdings hätten wir uns gewünscht, dass auch die Beitragszahler sowie Arbeitgeber als Financiers direkt eingebunden werden“, sagte Reimann. Sie verwies darauf, dass unter den Wissenschaftlern sieben Vertreter der Krankenhausseite zu finden seien.

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Von der Versorgungsqualität über die Personalausstattung in der Pflege bis zu Fragen der Wirtschaftlichkeit müsse vieles gleichzeitig angepackt werden. „Da gilt es keine Zeit zu verlieren“, kommentierte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands Florian Lanz die Nominierung der Experten. Kritisch merkte er an, es wäre besser gewesen, die Kommission angemessen im Gesundheitswesen zu verankern. Neben wissenschaftlicher Theorie brauche ein solches Reformprojekt auch die konzeptionelle Kompetenz und die Umsetzungskompetenz der Selbstverwaltung. Der GKV-Verband signalisierte gleichwohl die Bereitschaft, seine Fachkompetenz und Erfahrung in die Kommissionsarbeit einzubringen.

Kontinuierliche Zuarbeit zur Gesetzgebung

„Die Krankenhausreform ist eines der wichtigsten Vorhaben der Ampel in dieser Legislatur, weil es schon so lange diesen Bedarf gibt“, sagte der Minister. Die Arbeit der Expertinnen und Experten soll unmittelbar Wirkung zeigen. Ihre Arbeit sei nicht so angelegt, dass sie am Ende der Legislatur einen Abschlussbericht vorlegten, beschrieb Lauterbach seine Vorstellung der Kommissionsarbeit. Vielmehr sollen die Wissenschaftler vergleichbar dem Expertenrat der Bundesregierung nach regelmäßigen Treffen jeweils Zwischenerkenntnisse und –ergebnisse vorlegen. Die wiederum sollen in laufende Gesetzgebungsverfahren eingearbeitet werden. Und die wiederum seien Aufgaben der Regierung, der Fraktionen und der Länder.

Bschor hob in seinem Statement darauf ab, als Chefarzt für Psychiatrie viel Erfahrung in Sachen Bedarfsplanung mitzubringen. „Die Ausgangslage ist: allen geht es schlecht“, sagte Bschor. Die Kassen liefen in Defizite, das Personal sei überlastet. Dass Interessenvertreter der Verbände und der Länder sich in die Arbeit der Kommission einbringen wollten, bezeichnete Bschor als legitim. Es seien aber nicht alle Interessen vereinbar.

Das sind die Kommissionsmitglieder:

1. Prof. Dr. Boris Augurzky, Kompetenzbereichsleiter Gesundheit im Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstitut (RWI).

2. Prof. Dr. Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin.

3. Prof. Dr. Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission Krankenhausversorgung, langjähriger Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie der Schlosspark-Klinik Berlin.

4. Prof. Dr. Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Köln.

5. Michaela Evans, Direktorin des Forschungsschwerpunktes Arbeit & Wandel am Institut Arbeit und Technik (IAT) an der Westfälischen Hochschule.

6. Prof. Dr. Dagmar Felix, Professorin für Sozialrecht an der Universität Hamburg.

7. Volkswirtin Irmtraud Gürkan, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Charité.

8. Dr. Heidemarie Haeske-Seeberg, Vorsitzende der Gesellschaft für Qualitätsmanagement und Leiterin Qualitätsmanagement und klinisches Risikomanagement der Sana Kliniken AG.

9. Prof. Dr. Martina Hasseler, Professorin für Klinische Pflege an der Ostfalia Hoschschule für angewandte Wissenschaften.

10. Prof. Dr Stefan Huster, Professor für Öffentliches Recht, Gesundheits- und Sozialrecht und Rechtsphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum.

11. Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin.

12. Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Professor für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesundheitsrecht an der Universität Regensburg

13. Prof. Dr. Heyo Kroemer, Pharmazeut und Pharmakologe und Vorstandsvorsitzender der Charité.

14. Prof. Dr. Laura Münkler, Professorin für Öffentliches Recht (Verwaltungs- und Gesundheitsrecht) an der Universität Greifswald.

15. Prof. Dr. Rajan Somasundaram, Ärztlicher Leiter in der Notaufnahme Campus Benjamin Franklin.

16. Prof. Dr. Leonie Sundmacher, Professorin für Gesundheitsökonomie an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften an der TU München

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