Gastbeitrag

Kooperation ist nicht gleich Korruption

Ein aktueller Diskussionsvorschlag zu einem Straftatbestand Korruption im Gesundheitswesen sensibilisiert für den kritischen Punkt des Gesetzesvorhabens: Das Korruptionsverbot darf nicht zur Kooperationsbremse werden, warnt Rechtsanwalt Dr. Daniel Geiger.

Von Daniel Geiger Veröffentlicht:
Kooperation oder Korruption: Das ist nicht immer so ganz leicht auseinanderzuhalten.

Kooperation oder Korruption: Das ist nicht immer so ganz leicht auseinanderzuhalten.

© Natalia Demidchick / fotolia.com

KARLSRUHE. Vor nun bald drei Jahren hat der Große Senat für Strafsachen am Bundesgerichtshof entschieden, dass die Korruptionsdelikte des Strafgesetzbuches auf niedergelassene Vertragsärzte nicht anwendbar sind (Az.: GSSt 02/11). Begleitet wurde die Entscheidung von einem großen medialen Echo, in dem unter anderem beklagt wurde, dass Ärzte-Bestechung nunmehr "vollkommen legal" sei.

Ein Blick in das ärztliche Berufsrecht, das Sozialversicherungsrecht und das Heilmittelwerberecht offenbart allerdings schnell, dass Korruption im Gesundheitswesen keineswegs "vollkommen legal" ist. Einzuräumen ist allerdings, dass im Bereich der niedergelassenen Ärzteschaft eine strafrechtliche Sanktionierung korruptiven Fehlverhaltens derzeit nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Abhilfe soll nun ein neuer Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen schaffen, dessen Einführung die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag angekündigt hat.

Dr. Daniel Geiger

ist assoziierter Partner der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Dierks+Bohle

Vom bayerischen Staatsministerium der Justiz ist dazu kürzlich ein Diskussionsentwurf vorgelegt worden, der in Anknüpfung an eine Bundesratsinitiative aus der vorangegangenen Legislaturperiode einen konkreten Vorschlag für eine entsprechende Strafnorm in Paragraf 299a Strafgesetzbuch enthält.

Der Entwurf sieht vor, dass Angehörige eines verkammerten Heilberufes keine Vorteile als Gegenleistung für bestimmte Fachentscheidungen, insbesondere für Verordnungs- und Zuweisungsentscheidungen, fordern, sich versprechen lassen oder annehmen dürfen.

Eine solchermaßen vorteilsmotivierte Entscheidung muss darüber hinaus - so sieht es der Entwurf aus Bayern vor - eine "unlautere" Bevorzugung im Wettbewerb oder alternativ eine Verletzung ärztlicher Berufspflichten nach sich ziehen.

 Dieses strafrechtliche Verbot soll die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung, die Lauterkeit des Wettbewerbs und mittelbar auch die Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Mehrbelastungen schützen.

Kooperationen auf dünnem Eis

So weit so gut - allerdings nur auf den ersten Blick. Denn bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass dieser Vorschlag den Besonderheiten des Gesundheitswesens nicht annähernd gerecht wird. Denn wie kein anderer gesellschaftlicher Bereich ist das Gesundheitswesen von Kooperationen abhängig, die häufig nicht nur systemnotwendig und politisch gewollt sind, sondern von einschlägigen Rechtsnormen auch ausdrücklich gefordert werden.

Insbesondere das ärztliche Berufsrecht verlangt von Ärzten, dass sie mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen zusammenarbeiten (§ 7 Abs. 3 Musterberufsordnung). Im Strafrecht sieht die Rechtsprechung allerdings bereits den Abschluss eines (Kooperations)-Vertrages als tatbestandsmäßigen "Vorteil" im Sinne der Korruptionsdelikte an.

Konsequenz: Bei Einführung der vorgeschlagenen Strafnorm wäre der Tatbestand des Korruptionsverbotes bereits zu wesentlichen Teilen erfüllt, wenn ein Arzt - als Angehöriger eines verkammerten Heilberufes - seinem berufsrechtlichen Kooperationsgebot folgt und "im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung" einen Kooperations-Vertrag abschließt.

In der Praxis wird eine Strafbarkeit dann häufig nur noch davon abhängen, ob die jeweilige Vertragsbeziehung als "lauter" oder "unlauter" qualifiziert wird.

Besonders plastisch lässt sich das Dilemma an einem simplen Einkaufsvertrag illustrieren: Würde also beispielsweise ein Arzt einen Vertrag über den Erwerb eines medizinischen Produktes für seine Praxis abschließen und hierbei einen Preisnachlass (= Vorteil) erhalten, der ihn dazu motivierte, den rabattierenden Anbieter einem Wettbewerber vorzuziehen, würde ein solcher Vorgang bereits unter die vorgeschlagene Strafnorm fallen und eine Strafbarkeit nur noch davon abhängen, ob der Preisnachlass als "lauter" oder "unlauter" angesehen würde.

Lauter ist nur die Orientierung am Patientenwohl

Die Lauterkeitsrechtsprechung im Gesundheitswesen verlangt aber, dass Ärzte ihre Fachentscheidungen "allein", also ausschließlich am Patienteninteresse ausrichten. Damit würde der gewährte Rabatt nicht nur als legitimes Entscheidungskriterium ausscheiden, sondern sogar strafbarkeitsbegründend wirken.

Es kann und darf nicht der Rechtsprechung überlassen werden, solche klar strafunwürdigen Fälle aus dem Verbotskanon wieder auszuscheiden. Strafgesetze, die nicht mehr klar erkennen lassen, wo strafbares Verhalten beginnt und wo es endet, können schon mit Blick auf die verfassungsrechtlich geforderte Bestimmtheit strafrechtlicher Verbotsnormen nicht hingenommen werden.

Mit der unreflektierten Übernahme einer vorhandenen, aber auf freie Märkte zugeschnittenen Strafnorm ohne klares ordnungspolitisches Regelungskonzept ist dem Gesundheitswesen nicht gedient. Soll sich ein strafrechtliches Korruptionsverbot nicht zu einer Kooperationsbremse und damit zum Nachteil der Patientenversorgung entwickeln, ist vor allem auch dessen systemische Orchestrierung gefragt.

Hier besteht für das Bundesjustizministerium, das den finalen Gesetzesentwurf schlussendlich erarbeiten wird, noch erheblicher Nachbesserungsbedarf.

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