Kooperationen mit Hilfsmittelanbietern am Pranger
Wer mit Hilfsmittelanbietern kooperieren will, braucht die Kassen zur Genehmigung - sonst ist es leicht Betrug.
Veröffentlicht:Fingierte Behandlungen, manipulierte Rezepte, und vor allem unzulässige Kooperationen zwischen Ärzten und Händlern von Heilmitteln - all das stand in diesem Jahr im Mittelpunkt der Tagung "Betrug und Korruption im Gesundheitswesen" der KKH-Allianz in Hannover.
Derzeit beobachte man verstärkt, dass einzelne Ärzte sich mit einem Trick am Gewinn zum Beispiel von Sanitätshäusern oder Hörgeräteakustikern beteiligen und dort gezielt ihre Patienten hinschicken, hieß es. Dazu gründen sie über ihren Ehepartner oder einen Treuhänder eine GmbH und verschleiern so, dass sie finanziell davon profitieren (wir berichteten kurz). Diese Form der Zusammenarbeit zieht offenbar immer größere Kreise. "Teilweise bieten Treuhänder Ärzten ihre Dienste zur Gründung einer GmbH systematisch und offensiv an", berichtete Ingo Kailuweit, Chef der KKH-Allianz.
Der neue Weg über die GmbH ist auch Wettbewerbshütern ein Dorn im Auge: "Wenn ein Arzt Patienten ohne hinreichenden Grund an einen bestimmten Anbieter verweist, verstößt er gegen das Berufsrecht", sagt Peter Brammen, juristischer Assessor bei der Wettbewerbszentrale in Hamburg - jedenfalls dann, wenn er damit Geld verdient. Brammen: "Ein Arzt darf durch seine Verordnungs- und Empfehlungspraxis keine Zusatzverdienste erzielen."
Die Dunkelziffer sei erheblich, die KKH-Zahlen spiegelten nur einen geringen Teil, hieß es. Im Jahr 2009 hat die KKH-Allianz insgesamt in 228 Fällen gegen Krankengymnasten und Physiotherapeuten ermittelt - sie ermittelte damit häufiger als andere Kassen. In 128 Fällen gingen die Ermittler gegen Ärzte vor. Nach dem Schaden durch Apotheker in Höhe von 270 000 Euro war der Schaden aus unzulässiger Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern mit 121 000 Euro bei der KKH der zweithöchste Posten.
Unter anderem wegen der wachsenden Beteiligung der Hilfsmittelanbieter ist auch die Bundesinnung für Hörgeräteakustiker (biha) aktiv geworden. Dass sich HNO-Ärzte an Geschäften von Hörgeräteakustikern beteiligen, sei illegal, hieß es. "Wir lehnen Geschäftsmodelle wie die HNO-Ärzte-GmbH ethisch, moralisch und juristisch ab", sagte Jakob Stephan Bachab, Hauptgeschäftsführer der Innung. Matthias Barsac von der Uni Gießen spricht gar von Erpressungsversuchen. "Zum Teil setzen Ärzte Apotheker, Optiker oder Hörgeräteakustiker damit unter Druck, dass sie ihren Patienten von den entsprechenden Anbietern abraten, wenn diese nicht dafür zahlen, dass Patienten geschickt werden."
Natürlich sind solche Praktiken durch die ärztliche Berufsordnung untersagt. "Der Paragraf 128 SGB V hat dieses Verbot sogar juristisch gesehen auf eine neue Stufe gehoben", erklärte Matthias Barsac. Nun müssen die Krankenkassen Verdachtsfälle prüfen und die Staatsanwaltschaft informieren.
Aber es gibt auch Kooperationen zwischen Ärzten und Anbietern, die durch den Paragrafen 128 SGB V neuerdings erlaubt sind. "Der Arzt muss nun seine Mitwirkung an der Hilfsmittelversorgung mit der Kasse vertraglich regeln", erläutert Peter Brammen von der Wettbewerbszentrale, "dann wird aber die Kasse den Arzt bezahlen und sie muss den Vertrag der Ärztekammer melden."
Durch die Neuregelung sei immerhin der "verkürzte Versorgungsweg" als Einfallstor für Betrug zurückgegangen, berichtete Baschab. Zum Beispiel hätten früher manche HNO-Ärzte Patienten erklärt, sie könnten etwa die Anpassung des Hörgerätes gleich in der Praxis machen lassen. Viele Patienten hielten sich dann an ihren Arzt, und der kassierte einen Abschlag von "seinem" Akustiker - und verdiente so am Gerät mit. Auch hier hätten Ärzte teils massiven Druck ausgeübt, damit die Anbieter mitmachen.
"Mit diesem verbotenen Bezahl-Modell wurde das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patienten zum finanziellen Vorteil des Arztes ausgenutzt", sagte Bashab. Die vorgeschriebene Trennung von medizinischen und gewerblichen Leistungen sei damit klar durchbrochen worden.
Paragraf 128 im SGB V hat den verkürzten Versorgungsweg durch die Genehmigungspflicht stark zurück gehen lassen, hieß es, aber mit den Arzt-Hilfsmittelanbieter-GmbH haben die schwarzen Schafe offenbar wieder ein Schlupfloch gefunden.