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Künstliche Intelligenz – bald Rückgrat des Versorgungsalltags?

Der Einsatz künstlicher Intelligenz kann die Versorgung optimieren und gleichzeitig zu massiven Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen beitragen, frohlocken Analysten. Der Weg dorthin gestaltet sich allerdings steinig.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die KI-gestützte Präzisionsmedizin nutzt die genaue Kenntnis der molekularen Strukturen wie die der Symptome als Basis.  

Die KI-gestützte Präzisionsmedizin nutzt die genaue Kenntnis der molekularen Strukturen wie die der Symptome als Basis.  

© robu_s/stock.adobe.com

DÜSSELDORF. Ärzte und Wissenschaftler in aller Welt hoffen auf die systematische Nutzung von Big Data für die medizinische Versorgung. Unabdingbare Voraussetzung für die systematische Verwertung der großen Datenmengen ist der Einsatz künstlicher Intelligenz, wie dies zum Beispiel IBM mit seiner Watson-Lösung bereits in der Onkologie macht. Big Data und KI sind somit auch das Rückgrat der auf dem Digital-Gipfel der Bundesregierung in Ludwigshafen vor Kurzem fokussierten Präzisionsmedizin sowie der Prädiktivmedizin.

Der KI-Trend ist aber keineswegs nur auf die Medizin fokussiert. Investitionen in KI boomen, wie die aktuelle Studie "Artificial intelligence: the next digital frontier" des McKinsey Global Institute (MGI) zeigt, für die über 3000 Entscheider auf Vorstandsebene in zehn Ländern befragt wurden. Demnach gaben im vergangenen Jahr Unternehmen, allen voran große Technologiekonzerne wie Google und Amazon, bis zu 27 Milliarden Dollar für interne Forschung und Entwicklung intelligenter Roboter und selbstlernender Computer aus.

Weitere zwölf Milliarden Dollar flossen 2016 extern in KI – also durch Private-Equity-Gesellschaften, Risikokapitalgeber oder im Rahmen von Fusionen und Übernahmen. In Summe waren dies rund 39 Milliarden Dollar – eine Verdreifachung im Vergleich zu 2013.

Milliarden-Einsparpotenzial

Der Großteil der derzeitigen externen Investitionen (rund 60 Prozent) fließen in maschinelles Lernen (bis zu sieben Milliarden Dollar), weitere wichtige Felder sind Bilderkennung (2,5 bis 3,5 Milliarden Dollar) sowie Spracherkennung (600 bis 900 Millionen Dollar).

Würden KI-Lösungen konsequent in der medizinischen Versorgung eingesetzt, ergibt sich laut MGI allein für die USA ein jährliches Einsparpotenzial bei den Gesundheitsausgaben in Höhe von 300 Milliarden Dollar – 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Für Großbritannien rechnen die Analysten mit einer Einsparung von 3,3 Milliarden Pfund jährlich, wenn KI zur Prävention und zur Senkung der nicht-elektiven Klinikeinweisungen eingesetzt würde.

Einschränkend muss hier allerdings erwähnt werden, dass die Studie in puncto KI für die Einsparungen als Prämisse den flächendeckenden Einsatz dieser Technologie vorausschickt. Patientenseitig könnten demnach zum Beispiel in eine Smart Watch integriert Programme, die auf dem maschinellen Lernen basieren, die Gesundheitsdaten auswerten und mögliche Krankheitsalarme geben. Ebenso sollen autonome Diagnostiksysteme ohne menschliche Unterstützung einfache medizinische Tests durchführen und so Ärzte, MFA oder Krankenpflegepersonal entlasten. Auf der nächst höheren Stufe könnten KI-unterstützte Diagnostiklösungen Krankheiten schneller und mit größerer Treffsicherheit identifizieren – gestützt auf medizinisches Wissen und die individuellen Patientenakten.

KI-Tools als aktive Präventionslotsen

Großes Potenzial trauen die MCG-Experten KI-Tools als Präventionslotsen zu. Dabei sollen diese KI-Lösungen persönliche Krankengeschichten auswerten, sie mit ausgewählten Umweltfaktoren kombinieren, so Menschen mit bestimmten Krankheitsrisiken identifizieren und diese abschließend gezielt geeigneten Präventionsprogrammen zuführen. Diese Vision dürfte zumindest in Deutschland auf sehr hohe Datenschutzhürden treffen. Weiteres Potenzial besteht laut Studie in der Nutzung virtueller, interaktiver KI-gestützter Plattformen, auf denen sich Patienten registrieren und anschließend zu besonders qualifizierten Ärzten verwiesen werden. Das soll die ärztliche Expertise stärken und für die Patienten die Wartezeiten verkürzen.

Für Kostenträger könnte es interessant sein, so die Studie, KI-gestützt Gesundheitsdienstleister anzuhalten, aktiv die Gesundheit ihrer Versicherten zu managen und so Krankenhauseinweisungen und Behandlungskosten zu senken.

Auf dem Weg zum flächendeckenden effektiven und effizienten KI-Einsatz in der medizinischen Versorgung sehen die Analysten aber nicht nur datenschutzrechtliche Hindernisse. Sie weisen auch auf fehlende Standards und damit eine hohe Marktfragmentierung hin – so böten allein Hunderte von Unternehmen Tausende verschiedener Programme für maschinelles Lernen an.

Last but not least müssten alle Heilberufler an das Arbeiten mit KI-Unterstützung herangeführt werden, da ohne tief greifendes Verständnis kein sinnvolles Interagieren zu erwarten ist. In Deutschland scheinen Ärzte durchaus offen zu sein für eine KI-Unterstützung im Versorgungsalltag, wie jüngst die gemeinsame Umfrage des Branchenverbands Bitkom und des Hartmannbundes verdeutlicht, an der sich 477 Ärzte aus Klinik und Praxis beteiligt haben. "Künstliche Intelligenz wird nicht der Wettbewerber, sondern der Kollege für den Arzt werden", resümierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.

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