Handdesinfektion
Lösung für Hygienemuffel
Ärzte in Kliniken sind anscheinend oft größere Hygienemuffel als ihre Patienten. Denn sie desinfizieren sich seltener die Hände – und das gerade in sensiblen Bereichen.
Veröffentlicht:HANNOVER. Wie kann man Krankenhausärzte dazu bringen, dass sie sich die Hände besser desinfizieren? Diese Frage stellt sich der Hannoveraner Medizinpsychologe Dr. Thomas von Lengerke von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Denn in einer Studie hat er festgestellt, dass verhaltenspsychologische Maßnahmen zwar bei den Pflegenden die Händehygiene nachhaltig verbessern, bei Ärzten aber nicht. Sein Lösungsvorschlag: Zugleich hierarchischer und teamorientierter lernen.
Zwischen 2012 und 2013 sind die Compliance-Raten bei der Händedesinfektion im Rahmen der Aktion "Saubere Hände" an Intensivstationen und Knochenmarktransplantationsstationen der Hochschule Hannover gesunken, hat von Lengerke festgestellt. Für besagte Stationen hatte sich gezeigt, dass die Compliance-Raten nach Anfangserfolgen 2012–2013 wieder "auf das Ausgangsniveau zurückgefallen (Ärzte 48 Prozent, Pflegende 56 Prozent)" waren, so die Studie.
Compliance stieg 2015 auf 70 Prozent
Er wollte die gesunkenen Compliance-Raten mit maßgeschneiderten Maßnahmen der Verhaltenspsychologie wieder einfangen: Mit ultraviolettem Licht demonstrieren, wie schlecht die Hände desinfiziert sind, mit öffentlich verliehenen Urkunden für Stationen mit besonders guter Compliance motivieren, mit Schulungen und Feedback-Gesprächen ein Problembewusstsein schaffen und Handlungsalternativen erarbeiten.
Die Kontrollgruppe wurde nach den Maßgaben der Aktion Saubere Hände geschult. Das Ergebnis können sich sehen lassen. Die Compliance stieg 2014 auf 64 Prozent und 2015 auf 70 Prozent. In der Kontrollgruppen fiel die Compliance nach erstem Anstieg auf 68 Prozent wieder auf 64 Prozent zurück.
Kein Motivationsproblem
Allerdings geschah der Erfolg der Interventionsgruppe "vor allem durch Effekte bei den Pflegenden. Hingegen unterschieden sich diese Parameter zwischen den Studienarmen bei den Ärzten nicht", heißt es. "Schockierenderweise gab es besonders niedrige Desinfektionsquoten vor aseptischen Tätigkeiten auf Station, zum Beispiel vor dem Katheterlegen", so von Lengerke zur "Ärzte Zeitung".
Die geringere Compliance der Ärzte sei "kein Motivationsproblem, sondern ein Umsetzungsproblem", ist von Lengerke sicher. Ärzte seien meistens hoch motiviert und auf die sichtbare Wendung zum Guten, zur Gesundung fixiert. Eben dies nütze aber bei Präventionsmaßnahmen wenig. Im Gegenteil. "Denn von der Logik her ist Prävention nur dann erfolgreich, wenn nichts passiert."
Händedesinfektion gehört bei Pflegenden zum Kerngeschäft
Um diesen Effekt zu umgehen, könnte man "Compliance-Raten und Infektions-Raten übereinander legen um die Effekte sichtbar zu machen." Natürlich haben die Pflegenden auch mit der gegenläufigen Logik der Prävention zu kämpfen. "Aber bei ihnen gehört die Händedesinfektion eher zum Kerngeschäft. Die Ärzte dagegen haben noch andere Aufgaben, als am Bett zu arbeiten." Deshalb plädiert von Lengerke zum Beispiel für Teamschulungen auf den Stationen, um die Compliance auch bei Ärzten zu steigern.
"Wir hoffen, in einen Diskussionsprozess zu kommen, um zu sehen was man bei den Ärzten noch anders machen kann. Führungsorintierte Maßnahmen würden auch eine Rolle spielen, wir haben ja immer noch ein hierarchisches System." Einen ganz anderen Weg würde eine "Speak-up-Kampagne" einschlagen, meint er.
Man würde die Patienten bitten, Ärzte und Pflegende anzusprechen, wenn sie sich nicht die Hände desinfizieren. Wenn der potenziell Betroffene den potenziellen Überträger einer Infektion auf das Problem aufmerksam machen würde, "wäre dies ein sozialpsychologisch extrem potentes Mittel."