Medizinstudium
"Magisterarbeit" auch für angehende Ärzte
Nur noch Praxis und keine Forschung? Das hält der Wissenschaftsrat für tödlich in der Medizinerausbildung - und fordert einen Paradigmenwechsel, samt "Magisterarbeit" für angehende Ärzte.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Rat empfiehlt, die wissenschaftliche Kompetenz angehender Ärzte generell zu stärken. "Ärztinnen und Ärzte müssen imstande sein, von Patientenproblemen ausgehenden Fragestellungen nachzugehen und evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen", sagte Ratsvorsitzender Professor Manfred Prenzel am Montag in Berlin, wo der Rat die Ergebnisse seiner Sommersitzung vorstellte.
Nach den Vorstellungen des Rats sollen alle Studierenden während des Studiums ein Problem aus dem Gebiet der Medizin selbstständig nach wissenschaftlichen Methoden bearbeiten und eine Forschungsarbeit darüber verfassen.
Die Räte hätten die Empfehlungen mit großer Mehrheit beschlossen, sagte Professor Hans-Jochen Heinze, der den Ausschuss Medizin des Wissenschaftsrates leitet. Sie sähen darin keine Widersprüche zu einer versorgungsorientierten Ausbildung.
Man wolle so den wachsenden Anforderungen des Arztberufes in ständig komplexer werdenden Versorgungssituationen Rechnung tragen, lautete die Botschaft.
Dafür sollen die klassischen Fächer des Medizinstudiums in die zweite Reihe rücken. Im Vordergrund sollen Studieninhalte stehen, die in fächer- und themenzentrierten Modulen vermittelt werden können.
Um vorklinisches und klinisches Studium enger zu verzahnen solle auch über frühere Kontakte zwischen echten Patienten und angehenden Ärzten nachgedacht werden, schlug Heinze vor. Die Vorstöße des Gremiums zielten darauf ab, das Studium schon früh möglichst praxisorientiert zu gestalten, um Studierende für die Versorgung zu begeistern.
Der sich abzeichnende Ärztemangel spielt in den Überlegungen der Ratsmitglieder auch sonst eine Rolle. Alle Universitäten sollten Fachbereiche für Allgemeinmedizin einrichten. Um unter anderem die Wechselmöglichkeiten zwischen den Universitäten zu erleichtern, empfehlen die Räte eine bundesweit einheitliche Zwischenprüfung nach dem sechsten Semester.
Um das Studium nicht weiter zu überfrachten, schlagen die Wissenschaftler den Rückzug auf ein Kerncurriculum vor, das 75 bis 80 Prozent des Stoffs umfassen soll. 25 bis 20 Prozent sollen sich die Studierenden selbst in die Stundenpläne schreiben können.
Mehr Wahlfreiheit soll es auch im praktischen Jahr geben. Ausgehend von den Erfahrungen mit den neun Modellstudiengängen- von derzeit 37 Medizinstudiengängen in Deutschland überhaupt - schlagen die Räte Quartale statt wie bislang Tertiale vor. Innere Medizin und Chirurgie sollen Pflicht bleiben. Ein Pflichtquartal Allgemeinmedizin halten sie für unnötig.Die Modellstudiengänge leisteten wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums.
Die Vorschläge stießen in der Bundesärztekammer weitgehend auf Zustimmung. "Gute medizinische Ausbildung muss angesichts des enormen Innovationstempos in der Medizin mehr denn je wissenschaftliches Denken und Handeln fördern", sagte BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery der "Ärzte Zeitung".
Vor allem die Forderung, die Studieninhalte auf ein Kerncurriculum zu verkürzen, werde von der BÄK unterstützt. Das Praktische Jahr solle jedoch aus organisatorischen Gründen weiter in Tertialen aufgeteilt bleiben, sagte Montgomery.
Medical Schools erhalten keinen Segen des Wissenschaftsrats. "Das ist eine klare Absage an eine Billigausbildung von Ärzten", sagte Heinze. Die Anbieter von Studiengängen mit medizinischen Inhalten seien nicht im Ansatz in der Lage, die Ansprüche des Rats an die Ärzteausbildung zu erfüllen, sagte Heinze.
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