Krankenschwester vor dem Kadi
Marburger Mammutprozess um vergiftete Babys startet
Wegen versuchten Mordes an drei Babys muss sich eine Krankenschwester vor dem Landgericht Marburg verantworten. Ein Motiv bleibt unklar.
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Statue der Justitia: Nächste Woche beginnt in Marburg ein Prozess um die Vergiftung von drei Babys – eines der Kinder starb.
© Frank Wagner / Fotolia
MARBURG. Es ist einer der größten Prozesse, die je vor dem Marburger Landgericht verhandelt wurden: Eine 29-jährige Krankenschwester steht ab 31. Januar wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung an drei Babys vor Gericht. Dieses hat rund 70 Verhandlungstage anberaumt.
Ein Geständnis hat die Krankenschwester bis heute nicht abgelegt. Auch beim Motiv tappt die Marburger Staatsanwaltschaft noch im Dunkeln. Nach ihren Ermittlungen soll die 29-Jährige drei zu früh geborenen Babys weder verordnete noch indizierte Narkose- und Beruhigungsmittel verabreicht haben. Eines der Frühchen starb.
„Die Anklage geht aber davon aus, dass der Tod des Kleinkindes andere innere Ursachen hatte“, sagte der Sprecher der Marburger Staatsanwaltschaft, Nicolai Wolf. Die beiden anderen Babys überlebten – wahrscheinlich ohne bleibende Schäden. In einem Fall musste das Kind jedoch wiederbelebt werden. Die Anklage wirft der Krankenschwester vor, den Tod der Frühgeborenen „billigend in Kauf genommen“ zu haben.
Verdächtige Blutwerte fielen auf
Die mehrere Jahre auf der Frühgeborenen-Station des Universitätsklinikums Marburg tätige Frau war Anfang 2016 in Verdacht geraten, nachdem Ärzte bei einem 30 Tage alten Baby eine nicht zu erklärende Krisensituation sowie verdächtige Blutwerte feststellten. Das Klinikum verständigte daraufhin die Kriminalpolizei, die Mitarbeiterin wurde festgenommen. Dabei ging es um Medikamente – darunter Midazolam – die weder verordnet noch im Behandlungsplan vermerkt waren.
In der Folge wurden Blutproben von weiteren Babys untersucht sowie ein verstorbenes Frühchen aus dem Schwalm-Eder-Kreis exhumiert. Wie Silke Heissenberger, die Rechtsanwältin der Eltern, bestätigte, hatte die Krankenschwester die damals unwissenden Eltern mehrfach über Facebook kontaktiert.
Zudem soll sie darum gebeten haben, an der Beerdigung teilnehmen zu dürfen und ein Holz-Herzchen in den Sarg gelegt haben. Als die Krankenschwester nach fünf Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, kritisierte die Fachanwältin für Medizinrecht dies im Namen der Eltern.
Während des Prozesses werden fünf Sachverständige sowie eine „Vielzahl von Zeugen“ gehört. Mit einem Urteil wird dem Gericht zufolge erst 2020 gerechnet. (coo)