E-Health-Gesetz

Medikationsplan bringt neue Abläufe

Ende April soll das Konzept für die Umsetzung des Medikationsplans fertiggestellt sein. Wie die Umsetzung aussehen könnte, wird auf der Messe conhIT in Berlin gezeigt und diskutiert. Doch auch jetzt schon lässt sich absehen, was auf die Praxen zukommt.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:
So sieht der Medikationsplan in Thüringen aus.

So sieht der Medikationsplan in Thüringen aus.

© ARMIN

BERLIN. Die erste große neue Anwendung im Gesundheitswesen, die vom E-Health-Gesetz angestoßen worden ist, steht kurz vor der Realisierung: der Medikationsplan. Von Oktober an haben Patienten, die mindestens drei verordnete Arzneimittel anwenden, Anspruch auf einen solchen Plan in Papierform.

 Der Plan wird voraussichtlich Wirkstoff, Handelsname, Stärke, Form, Einnahmehinweise und den Grund für die Verordnung des jeweiligen Arzneimittels in tabellarischer Form enthalten.

Bis 30. April sollen KBV, Bundesärztekammer und Apothekerverband "im Benehmen" mit dem GKV-Spitzenverband und der Krankenhausgesellschaft "Inhalt, Struktur und Vorgaben zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans sowie ein Verfahren zu seiner Fortschreibung vereinbaren".

Bis Ende Juni soll zudem geklärt werden, wie die Erstellung und Aktualisierung von Medikationsplänen vergütet werden soll. Das sieht das E-Health-Gesetz (Paragraf 31a SGB V) vor.

Ausgangspunkt für die E-Card

Bei der IT-Messe conhIT, die von Dienstag bis Donnerstag stattfindet, wird das Thema eine Rolle spielen. Einige Hersteller werden ihre Lösungen für einen elektronischen Medikationsplan und seine Einbettung in Arzneimitteltherapiesicherheits- (AMTS-)Module in Berlin bereits präsentieren.

Am Dienstag wird sich auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe den Stand der Entwicklung anschauen.

Entstanden ist die Idee eines elektronischen Arzneimittelpasses zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit 2001 unter der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), als das Statin Cerivastatin aufgrund von heftigen Wechselwirkungen mit Fibraten vom Markt genommen werden musste.

Der Pass mündete schließlich im Konzept der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und der Telematikinfrastruktur.

Ziel war es, durch die Zusammenführung aller Medikationsdaten zu einem Patienten Wechselwirkungen so weit wie möglich zu vermeiden und so die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen.

Genau das soll jetzt auch der Medikationsplan erreichen. Dabei haben Patienten, die drei oder mehr Arzneimittel anwenden, nicht nur Anspruch auf einen Medikationsplan.

Vertragsärzte sind zudem verpflichtet, Kassenpatienten über ihren Anspruch zu informieren, wenn sie ihnen ein Arzneimittel verordnen.

Für große Hausarztpraxen bringt die Regelung erheblichen - zumindest teilweise vergüteten - Aufwand mit sich, vor allem wenn sie viele ältere und chronisch kranke Patienten haben, die drei oder mehr Medikamente regelmäßig anwenden.

 Schätzungsweise können durchaus mehrere hundert Patienten mit Anspruch auf einen solchen Plan auf eine Praxis kommen. Hausärzte, die schon im Sommer beginnen, ihre Patienten nach den regelmäßig eingenommenen Präparaten zu fragen und das in der Kartei zu dokumentieren, dürften im Oktober mit dem zu erwartenden Ansturm am leichtesten fertig werden.

"In ganz Deutschland dürften zehn bis elf Millionen Patienten die Kriterien für den Medikationsplan erfüllen", erläutert Dr. Gunther Hellmann. Hellmann gehört zu den Experten, die das Konzept entwickelt haben, das in den kommenden Monaten von der Selbstverwaltung umgesetzt werden wird.

Weil die Telematikinfrastruktur noch nicht steht, soll der Plan vorerst in Papierform erstellt werden. Erst ab 2019 wird ein Anspruch bestehen, die Daten über die eGK zu speichern.

Die Realisierung auf Papier bedeutet allerdings nicht, dass die Praxis-EDV für die Umsetzung des Medikationsplans ab Oktober nicht erforderlich wäre. Nach Informationen der "Ärzte Zeitung" brauchen Vertragsärzte für den Medikationsplan vier Komponenten:

einen Computer mit Praxissoftware, die in der Lage ist, einen Medikationsplan zu verwalten,

einen Drucker, der den Plan elektronisch lesbar mit Barcode ausdrucken kann,

eine Arzneimitteldatenbank, die mögliche Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten anzeigt, und

einen Barcodeleser für zweidimensionale Barcodes, der helfen kann, den Medikationsplan halbautomatisch zu erfassen.

Der Barcodeleser wird voraussichtlich optional sein. "Es wird wohl keine Verpflichtung für Vertragsärzte dafür geben", so Dr. Johannes Schenkel von der Bundesärztekammer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Aber je mehr Patienten mit einem geänderten Medikationsplan in die Praxis kommen, desto eher könnte sich der Barcodeleser rechnen. Denn er liest die Informationen direkt ein und kann die Daten dann für das Datenblatt des Patienten bereitstellen - und so den Aufwand mit der Erfassung deutlich reduzieren.

Die digitale Verarbeitung der Daten, auch für den Arzneimitteltherapiesicherheits-Check AMTS), sei allerdings vorerst sekundär, erläutert Schenkel. Vor allem gehe es zunächst darum, dem Patienten eine strukturierte Übersicht über alle einzunehmenden Medikamente zu geben.

Da der Plan zudem deutschlandweit immer gleich strukturiert ist, können auch Ärzte, die den Plan ausgehändigt bekommen, schnell einen Überblick über den Medikamentenstatus gewinnen.

Aktualisierung in der Apotheke

Die Zwischenlösung mit dem Plan auf Papier könne sich vielleicht langfristig sogar als positiv erweisen, so Schenkel. Der Grund: Es werden nicht zu viele Stellschrauben auf einmal gedreht, der Prozess könne sich so nach und nach etablieren, gerade weil vor allem ältere Patienten mit dem Plan umgehen müssen.

Aktualisert werden kann der Plan nicht nur beim Hausarzt, sondern auch im Krankenhaus, beim Facharzt und in der Apotheke. Gerade bei multimorbiden Patienten erhalten alle behandelnden Ärzte so einen schnellen und vollständigen Überblick über die gesamte Medikation und können gegebenenfalls Anpassungen vornehmen. Das soll zu einer höheren Arzneimitteltherapiesicherheit führen.

Bis zu 45 Arzneimittel können in einem Plan auf bis zu drei Seiten erfasst werden, berichtet Konzeptentwickler Hellmann. Bei Pilottests seien im Schnitt acht bis neun Medikamente je Patient vorgekommen. Bei den meisten Patienten dürften daher alle Präparate auf eine Seite passen.

Für die Hersteller von Praxis-EDV sind Medikationspläne überwiegend vertrautes Terrain, viele haben bereits Module entwickelt, allerdings sind die bisher entwickelten Lösungen in jeder Software anders. Bis 1. Oktober sollten aber die Anforderungen an den einheitlichen Medikationsplan von allen Herstellern erfüllt werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Anstoß für mehr Sicherheit

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 21.04.201610:35 Uhr

Alles, bloß keine Hasskappe!

Liebe Co-Kommentatorin Gabriela Aures,
ich schätze die Arbeit Ihrer und meiner "Haus"-Apotheke in unserem Ärztehaus sehr und ich bewundere Ihre und deren Duldsamkeit.

Mir schwillt der Kamm nur dann, wenn irgendwelche Funktionärs-Eliten wie eine Hundemeute den Begriff "Medikationsplan" aufschnappen, das Ganze auch noch ARMIN nennen und der öffentlichen Debatte hinterherhecheln, als sei dies ein noch nie dagewesenes, neues "Ei des Kolumbus".

1. Tatsache ist, dass diese gar nicht wissen wollen, was ein ärztliches Rezept nach GKV-Muster 16 ist und eine Apotheken-Offizin bedeutet.
2. Tatsache ist, dass sie unsere bisherigen Medikationspläne als "good medical practice" vollständig ignorieren.
3. Tatsache ist, dass kein einziger Rabattvertrag öffentlich gemacht werden muss.
4. Tatsache ist, dass der Gesetzgeber einen offiziell verhandelten Fixbetrag von 8,35€ auf 6,77 € heruntergemogelt hat.
5. Tatsache ist, wo z. B. Siofor draufsteht, "bekommt der Patient Metformin, mal Atid, mal Lichtenstein, mal AL (o. ä.). Da hat jede Krankenkasse (geheim gehaltene Rabattverträge und) andere Vertragspartner. Sie können mir und meinen ApothekerkollegInnen glauben - DAS ist auch für uns in der Apotheke kein Spaß."
6. Tatsache ist, "UNS in der Apotheke ist es VÖLLIG egal, ob Sie Ratio, Hexal, Stada, Sanofi, Pfizer,odes sonst was aufschreiben." Aber das können, wollen und sollen unsere Patienten/-innen nicht begreifen müssen. Sondern die Politik, die noch nicht mal zwischen Gesundheit und Krankheit unterscheiden kann, muss das ändern.
7. Tatsache ist, dass in Apotheken 19%, bei Hotelübernachtungen nur 9,5% MwSt gezahlt werden muss.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


Gabriela Aures 20.04.201620:58 Uhr

@Dr. Schätzler und ARMIN

Sehr geehrter Herr Dr. Schätzler,

ich möchte Ihnen Ihre Abneigung gegen ARMIN gar nicht nehmen, lediglich ein paar grundlegende absolute Falscheinschätzungen Ihrerseits korrigieren, wenn Sie erlauben.

Zum Einen ist es bereits heute so - seit 2007 um genau zu sein- daß die Apotheken Medikamente nur noch gemäß den von Krankenkassen mit den Herstellern geschlossenen Rabattverträgen abgeben dürfen.
Wenn Sie Siofor aufschreiben, bekommt der Patient Metformin, mal Atid, mal Lichtenstein, mal AL. Da hat jede Krankenkasse andere Vertragspartner. Sie können mir und meinen ApothekerkollegInnen glauben - DAS ist auch für uns in der Apotheke kein Spaß.
Umgehen können Sie und Ihre ärztlichen KollegInnen den verpflichtenden Präparatewechsel nur, wenn Sie das "aut idem" Kreuz setzen.
Aber das sehen die Kassen auch nicht gerne und "mahnen" dann die Ärzte ab, ist mir schon klar.
Wo eine Umstellung des Patienten aus kognitiven, therapeutischen ( Teilbarkeit, Galenik usw.)oder auch medizinischen Gründen ( Allergien, Laktoseintoleranz ist ein sehr wichtiges Thema usw.) nicht sinnvoll ist, dürfen Apotheker dies nach Dokumentation auf dem Rezept unterlassen.


Zum Anderen: Wir nehmen den Patienten die rosa Rezepte nicht weg, um eine Kontrolle zu vermeiden, sondern schlichtweg, weil wir von den Krankenkassen den Restbezrag erstattet bekommen , der nach der Zuzahlung des Patienten noch übrig ist.
Wenn Sie damit ein Problem haben, gibt es eine einfache Lösung : stellen Sie ALLEN Patienten Privatrezepte aus. Nach KOMPLETTER Bezahlung der Medikamente, übrigens genau so, wie Sie sie verordnet haben, kann der Versicherte sehen, wieviel er von seiner Krankenkasse erstattet bekommt und die Apotheke hat sofort und nicht erst nach 6 Wochen ihr Geld.

Was sind denn " tagesaktuelle Medikamenten- Höchstrabatte" ? Glauben Sie, wir ApothekerInnen kaufen an der Börse ein ?
Wir haben gesetzlich festgelegte maximale Einkaufsrabatte von maximalen 3,05% aiüuf den Einkauspreis für verschreibungspflichtige Präparate.

Ich gehe davon aus, faß Sie auch der Meinung sind, an einem teuren Medikament verdienen sich die Apotheken dumm jnd dämöich, darum erläutere ich Ihnen noch kurz die ebenfalls - seit 2004 geltende- gesetzlich verankerte Preisgestaltung pro Packung

Einkaufspreis Apotheke
+ Fixzuschlag 6,77 € ( wir bekommen offiziell 8,35€, die Kassen ziehen aber 1,77€ als Kassenabschlag von der Erstattung wieder ab)
+ Aufschlag 3%

+ 19% MWSt. fürs Finanzministerium.

Sie sehen, UNS in der Apotheke ist es VÖLLIG egal, ob Sie Ratio, Hexal, Stada, Sanofi, Pfizer,odes sonst was aufschreiben. Der "Zusatzverdienst" beim Aufschlag von 3% hält sich in ausgesprochen übersichtlichen Grenzen.

Ein Medikament , das im Ek 100€ teurer ist, "bringt" ded Apotheke gerade mal 3 € "Gewinn".

Vielleicht fragen Sie mal in einer Apotheke in Ihrer Nachbarschaft nach, wie das alles so abläuft, dann können Sie auch wieder die Haßkappe absetzen.

Schönen Abend !

Dr. Thomas Georg Schätzler 19.04.201618:59 Uhr

ARMIN, E-Health, Medi-Plan und kein Ende mit dem GKV-Rezept-Unfug?

"ARMIN - Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen" habe ich von Anfang an äußerst kritisch begleitet.
Unter http://www.arzneimittelinitiative.de/grundlagen/ heißt es:
"Der Sächsische und der Thüringer Apothekerverband (SAV, ThAV), die Kassenärztlichen Vereinigungen in Sachsen und Thüringen (KVS, KVT) und die AOK PLUS haben gemeinsam am 1. April 2014 die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen „ARMIN“ gestartet. Mit dem Modellvorhaben soll die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung erhöht werden."

Dabei ist ARMIN kontraproduktiv, denn bei der praktischen Umsetzung bleiben Fragen offen:
1. ARMIN blamiert sich mit der Bildunterschrift, "So sieht der Medikationsplan in Thüringen aus", mit einem Medikationsplan vom 27.3.2014 der Berliner "Apotheke am Sachsendamm", Thüringer Str. 22, 10555 Berlin. Da müssten die Thüringer aber ziemlich weit laufen!
2. Drei bis sechs Medikamente, haus- und fachärztlich Morbiditäts-adaptiert, Leitlinien-gerecht und Evidenz-basiert für GKV-Patienten persönlich verordnet, bedeuten für unsere oft bio-psycho-sozial eingeschränkten Kranken je nach Marktlage bis zu v i e r u n d z w a n z i g verschiedene Verpackungen, Logos, Tabletten-Formen und -Farben, Herstellernamen oder Reimporte aus EU-Ländern in einem e i n z i g e n Behandlungsjahr.
3. Denn die Apotheken können o h n e Arztrücksprache in Eigenregie willkürlich i r g e n d e i n zu der Wirkstoffverordnung des Arztes halbwegs passendes Billig-Präparat heraussuchen, um ein fiktives Einsparpotenzial zu erreichen.
4. ARMIN bedeutet "Medikations-Destabilisations-Management" (MDM), e r h ö h t e Arzneimittelrisiken durch Verringerung von Compliance und Adhärenz bei Patientinnen und Patienten auf der beratungsfernen pharmazeutischen Suche nach tagesaktuellen Medikamenten-Höchstrabatten.
5. Bei dieser Verunsicherung landen Generika-Präparate reihenweise im Haus- Müll, werden nicht eingenommen oder müssen kostentreibend mehrfach verordnet werden.

Im Übrigen schreiben wir Hausärzte/-innen schon seit Jahrzehnten (in meiner Praxis seit 1.4.1992) Verordnungspläne. Wesentliche Ursache für Verunsicherung, Desorientierung und Noncompliance unserer Patienten/-innen ist, dass sie bisher nie eine Kontrolle über ihre Rezepte und Medikationen haben sollten, weil ihnen das rote Kassenrezept mit Medikamenten und der Arzt-Signatur (Dosierungshinweise) darauf in der Apotheke weggenommen wurde, damit sie ihre Verordnungen nur ja nicht nachkontrollieren konnten. Da musste erst das E-Health-Gesetz kommen, um diesen Unfug zu ändern?

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund


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