Rx-Preisbindung

Muss der EuGH nochmal verhandeln?

Im Streit um die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt der Bundesgerichtshof die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Frage.

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KARLSRUHE. Im Streit um die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel stellt der Bundesgerichtshof die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Frage, die auf unzureichender Grundlage ergangen sein könnte, heißt es in einem aktuell veröffentlichten Urteil (Az.: I ZR 163/15). Danach könnte die Rx-Preisbindung doch noch Bestand haben, wenn Deutschland und die Apothekenkammern nachweisen können, dass die Preisbindung erheblich zur flächendeckenden Arzneiversorgung beiträgt.

Die hiesige Rx-Preisbindung gilt laut Gesetz auch für Versandapotheken im EU-Ausland. Offizielle Begründung der Preisbindung ist es, eine flächendeckende Versorgung und auch den Apotheken-Notdienst sicherzustellen. Mitte Oktober hatte der EuGH die Preisbindung als ungerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs bewertet. Zwar seien Beschränkungen des Warenverkehrs im Interesse des Gesundheitsschutzes zulässig. Bezüglich der Preisbindung habe Deutschland das aber nicht belegen können.

In einem aktuell vom BGH entschiedenen Streit geht es um die DocMorris-Aktion "Freunde werben Freunde" von 2014, bei der für die Neukundenwerbung Geldprämien und OTC-Rabatt ausgelobt wurden. Dagegen hatte die Apothekerkammer Nordrhein geklagt. Aus formalen Gründen verwies der BGH den Streit an die Vorinstanz, das OLG Köln zurück. In Hinweisen für das weitere Verfahren wird dem Gericht aber nahegelegt, auch diesen Streit dem EuGH vorzulegen. Begründung: Im Oktober, als es vor dem EuGH um einen Streit zwischen Parkinson Vereinigung und Wettbewerbszentrale ging, seien weder Bundesregierung noch Apothekerkammern beteiligt gewesen. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, in Luxemburg pro Preisbindung zu argumentieren. Entsprechend dünn seien diese Argumente im Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf an den EuGH.

Jetzt könne das OLG Köln zusätzlich eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Relevanz der Preisbindung für die Versorgung einholen. Sollte das OLG danach der Meinung sein, dass diese Argumente die EU-Richter umstimmen, könnte es den Freunde-Streit dem EuGH vorlegen. Dieser müsste die Vereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit EU-Recht dann nochmals neu prüfen.(mwo)

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Kommentare
Thomas Georg Schätzler 11.05.201717:01 Uhr

Die Tricks von DocMorris!

"AB SOFORT KOMMT MEINE APOTHEKE ZU MIR NACH HAUSE"...
Mit welchen Tricks und Kniffen die DocMorris-Geschäftsführung wirbt, um potenzielle Kunden anzulocken, macht ein aktueller Werbe-Prospekt deutlich, der mir neulich ins Haus flatterte. "AB SOFORT KOMMT MEINE APOTHEKE ZU MIR NACH HAUSE"...steht da. Komisch, eine ganze Apotheke in so einem kleinen Lieferkarton? Wie soll das gehen? Und warum braucht unsere Ärztehaus-Apotheke dann so viel Platz?

WILDE VERSPRECHUNGEN
"Garantiert 2,50 € Bonus pro Packung, bis zu 15 € pro Rezept sichern, zusätzlich 5 € Gutschein für Neukunden" wird da ebenso großsputig wie werbewirksam versprochen. Auf der Innenseite ist dann einschränkend von..."bis zum 31.07.2017...zusätzlich eine Extra-Ersparnis von 5 €" die Rede. Eine Ersparnis ist allerdings weniger als ein echter Gutschein. Ersteres setzt ja einen höheren Bestellwert voraus, um etwas sparen zu können.

"MILCHMÄDCHENRECHNUNG"?
Die "Milchmädchenrechnung" folgt auf dem Fuße: Ein Musterrezept der Krankenkasse Musterstadt führt für Max Mustermann, geb. 1.1.1971 als Familienversicherter (?) mit Status 3 u.a. Hustensaft 75 ml N1 und Hautcreme 100 g N3 auf. Beides als GKV-KASSENREZEPT gar nicht möglich. Gleichzeitig wird aber ein 3er-Kassenrezept vorgerechnet, bei dem eine fiktive Ersparnis von 10 € nur dadurch möglich ist, indem eines der 3 ärztlichen Medikamenten-Verordnungen unüblicherweise doppelt gerechnet wird. So kommt man allerdings niemals auf die großspurig eingangs versprochene Behauptung: "bis zu 15 € pro Rezept sichern"!?

KRITISCHE EINSCHÄTZUNG
Aber so einfach geht es nicht, einen fairen Wettbewerb und neu hinzugetretene, verschärfte Rechtsbestimmungen zu umgehen: 5 € für den Neukunden springen zu lassen, wäre m. E. ein Verstoß gegen die Apotheken-Betriebsordnung, unlauterer Wettbewerb, unzulässige Rabattgewährung und sogar möglicherweise versuchte Bestechung und Bestechlichkeit nach den Paragrafen 299a und 299b StGB obendrein, nur um einen Neukunden an den Geschäftsbetrieb zu binden.

DER EUROPÄISCHE GERICHTSHOF (EuGH) LIESS WESENTLICHE ASPEKTE AUS
Danach wurde der EuGH aber gar nicht erst gefragt. Politik, Apotheken-Verbände, Rechtsaufsicht haben seitdem "geschlafen" und die DocMorris-Prospekte nie wirklich auf weitere Rechtsverstöße hin geprüft und ggf. geahndet. Da wäre einfach mehr Zivilcourage gefragt.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

GLOSSAR:
1. "Kernstück des nun beschlossene Gesetzes sind die beiden neuen Straftatbestände der Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen (Paragrafen 299a und 299b StGB). Sie erfassen Verhaltensweisen, bei denen Vorteile dafür gewährt werden, dass ein Angehöriger eines Heilberufs bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, beim Bezug bestimmter Arznei- oder Hilfsmittel oder bestimmter Medizinprodukte oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen Anbieter dieser Leistungen im Wettbewerb unlauter bevorzugt. Die Straftatbestände erfassen alle Heilberufsgruppen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern. Sie unterscheiden insbesondere nicht zwischen der privatärztlichen und vertragsärztlichen Versorgung." (Pressemitteilung vom 14.4.2016) https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/04142016_BT_Korruption_Gesundheitswesen.html

2. Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneien in Deutschland verstößt gegen den freien Warenverkehr. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg nach fast 10-jährigem Rechtsstreit durch alle Instanzen entschieden (Urt. v. 19.10.2016, Az. C-148/15). Das Urteil betrifft unmittelbar nur ausländische Internet-Apotheken wie z.B. DocMorris, die mittelbar an dem Verfahren vor dem EuGH beteiligt waren. http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-urteil-c1485-preisbindung-medikamente-arzneimittel-deutschland-gekippt-versandhandel-1/ A l l e ande

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