Finanztipp
Öl ist jetzt wieder interessant
Mit dem Ende der Urlaubszeit sinken tendenziell der Ölpreis und damit die Aktienkurse der Förderkonzerne - Analysten sehen daher jetzt einen guten Moment zum Einstieg.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Der Ölpreis und die Aktienkurse von Fördergesellschaften des schwarzen Goldes dürften kurzfristig weiter sinken. Dies ist jedoch kein Grund für Anleger, der Branche den Rücken zu kehren, meinen Analysten. Vielmehr sei es für sie eine gute Chance.
Es scheint paradox: An deutschen Tankstellen ziehen die Kraftstoffpreise an, während an den Börsen die Rohöl-Notierungen kontinuierlich fallen.
Das Nordsee-Öl der Sorte Brent hat sich seit Anfang Juli um fast elf Prozent verbilligt. Der Preis des wegen seines geringen Schwefelgehalts besonders begehrten West Texas Intermediate (WTI) aus den USA gab sogar um mehr als 13 Prozent nach.
Dass sich hierzulande zuletzt dennoch Benzin und Diesel wieder leicht verteuerten, hatten einen einfachen Grund: Rohöl wird in US-Dollar gehandelt. Weil der Euro seit der jüngsten Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank gegen die US-Währung deutlich gesunken ist, haben die Kraftstoffpreise in den Euroländern wieder etwas zugelegt.
Terrormiliz als Rohölhändler
Dass die Ölpreise gefallen sind, liege vor allem am Ende der Ferien diesseits und jenseits des Atlantiks, sagt Ole Hansen, Rohölstratege der Saxo Bank.
"Der Bedarf an Kraftstoffen sinkt, weil die große Reisezeit vorbei ist." Vor allem in den USA falle am Ende des Sommers regelmäßig in den Raffinerien die Nachfrage nach Rohöl.
Für zusätzlichen Preisdruck sorgt die Offensive der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien. Die IS hat in beiden Ländern Ölfelder unter ihre Kontrolle gebracht und verkauft nach Angaben des Emirats Katar täglich mehr als 30.000 159-Liter-Fässer (Barrel) des schwarzen Goldes zu Preisen von rund 60 US-Dollar pro Fass und damit weit unter Marktwert.
"IS sichert sich so Einnahmen von fast zwei Millionen US-Dollar pro Tag und bringt damit zugleich die Preise am Weltmarkt unter Druck", sagt Luay Al Khatteeb vom Brookings Doha Centre.
"IS ist die reichste Terrororganisation der Welt", sagt der amerikanische Terrorexperte Matthew Levitt.
Die sinkenden Ölpreise haben ihre Spuren an den Aktienkursen der Fördergesellschaften hinterlassen.
Die Notierungen des französischen Konzerns Total und des US-Giganten Chevron verloren seit dem Sommer mehr als sieben Prozent, die Aktie der britischen BP gab sogar mehr als zehn Prozent nach, nachdem die Gesellschaft von einem US-Gericht jüngst zu hohen Schadenersatzzahlungen wegen der Ölpest durch den Brand ihrer Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010 verurteilt wurde. Die meisten Analysten haben den Wert mit Halten eingestuft.
Attraktive Ölkonzerne
Bei einigen anderen Aktien sehen Strategen in den Kursrückgängen hingegen eine Kaufgelegenheit. Sie sind überzeugt, dass die Ölpreise, wie jedes Jahr, zu Beginn der Heizperiode auf der nördlichen Erdhalbkugel wieder steigen und die Aktienkurse der Förderkonzerne mit in die Höhe ziehen werden.
Zudem dürften die Angriffe der US-Luftstreitkräfte auf die IS-Milizen deren Ölverkäufe bald unterbinden und so den bevorstehenden Preisanstieg unterstützen.
Allerdings wiesen einige Gesellschaften bessere Wachstumschancen auf als andere, meint Doug Leggate von der US-Investmentbank Merrill Lynch. "Im Gegensatz zu Chevron zählt Exxon Mobil zu unseren bevorzugten Sektorwerten."
Der texanische Konzern wachse deutlich stärker, sei profitabler und verfüge über höhere Liquiditätsreserven zur Erschließung weiterer Förderquellen als der Mitbewerber aus Kalifornien. Das spiegele sich auch im Börsenkurs wider: Mit einem Verlust von nur sechs Prozent hat die Exxon Mobil-Aktie in den vergangenen Wochen von allen Branchenwerten am wenigsten nachgegeben.
Die Total-Aktie steht auf den Empfehlungslisten von Citigroup, Deutsche Bank, JPMorgan, Morgan Stanley und UBS. "Unter den großen Ölkonzernen ist Total auf dem derzeitigen Kursniveau der beste Wert", meint UBS-Analyst Jon Rigby.
Oswald Clint vom US-Analysehaus Bernstein Research erwartet, dass die Aktie mittelfristig um rund 15 Prozent steigen wird. "Die Gesellschaft verfügt über langfristige Förderstätten mit geringen Schwundraten."