Zytostatika

Patientenschützer fordern Überwachungsdruck

Nachdem ein Bottroper Apotheker wegen des Verdachts auf betrügerische Krebsmittelzubereitung in Untersuchungshaft genommen wurde, bringen Patientenschützer jetzt schärfere Kontrollen für Zytostatika herstellende Apotheken in die Diskussion.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Zytostatika-Infusion: Wurden in Westfalen-Lippe Patienten durch zu gering dosierten Wirkstoff geschädigt?

Zytostatika-Infusion: Wurden in Westfalen-Lippe Patienten durch zu gering dosierten Wirkstoff geschädigt?

© Mathias Ernert

DORTMUND. Der Vorsitzende der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisiert die bestehenden Kontrollen Zytostatika herstellender Apotheken. "Es kann nicht sein, dass Onkologie-Spezialapotheken im Schnitt nur alle zwei bis vier Jahre nach Ankündigung von Amtsapothekern überprüft werden", moniert Brysch. Der Gesetzgeber müsse jetzt das Arzneimittelgesetz verschärfen und für eine "engmaschige Überprüfung der individualisierten Medikamente" sorgen, "bevor sie die Apotheke verlassen". – Wenigstens viermal jährlich, fordert der Patientenschützer, sollten Zyto-Apotheken unangemeldeten Stichprobenprüfungen unterzogen werden. "Das erhöht den Überwachungsdruck."

Um Hygiene nicht gekümmert?

Wie berichtet steht ein Bottroper Apotheker im Verdacht, in mindestens 40.000 Fällen patientenindividuell zubereiteter Zytostatika-Infusionen Wirkstoffe zu niedrig dosiert zu haben. Dem Vernehmen nach soll er nach Hinweisen des Ehemanns einer Apothekenmitarbeiterin aufgeflogen sein. Nach Schätzungen der Staatsanwaltschaft Essen könnte der Apotheker die Krankenkassen um 2,5 Millionen Euro betrogen haben. Auch soll er sich wenig für die Hygieneanforderungen an die Zytostatika-Zubereitung interessiert haben. Der 46-jährige Offizinbetreiber sitzt in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft lauten zunächst nur auf fehlerhafte Arzneimittelherstellung sowie Abrechnungsbetrug.

Das geht Patientenschützer Brysch nicht weit genug: "Es reicht nicht, wenn die Staatsanwaltschaft Essen nur wegen Abrechnungsbetrugs ermittelt. Schließlich sind tausende von Patienten betroffen, die auch gesundheitlich geschädigt sein könnten". Den entsprechenden Nachweis zu führen, dürfte jedoch erhebliche Probleme bereiten, wie Dr. Wolfgang-Axel Dryden, Vorstandschef der KV Westfalen-Lippe am Rande der Vertreterversammlung am Samstag betonte. "Ich befürchte, dass die Aufklärung von Einzelschicksalen extrem schwierig, wenn überhaupt durchführbar ist."

Unterdessen erklärte die Apothekerkammer Westfalen-Lippe, dass die Versorgung mit Zyto-Zubereitungen in der Region nicht gefährdet sei. In Westfalen-Lippe gebe es 28 öffentliche Apotheken, die Infusionen mit Krebswirkstoffen fertigen und 21 Krankenhausapotheken. Sollte sich der Verdacht gegen den Bottroper Apotheker bestätigen, hätte der mit "berufsrechtlich schärfsten Konsequenzen" zu rechnen. Näher wolle man sich zu der Angelegenheit momentan nicht äußern, auch nicht zu der Forderung nach mehr Kontrollen in den Zyto-Apotheken.

Kriminelle Energie?

Gegen höheren Überwachungsdruck, wie von der Stiftung Patientenschutz gefordert, sei prinzipiell nichts einzuwenden, betonte auf Nachfrage der "Ärzte Zeitung" der Präsident des Verbands Zytostatika herstellender Apotheker, Dr. Klaus Peterseim. Ob durch häufigere Besuche vom Amt jedoch kriminelle Energie dingfest zu machen sei, wage er zu bezweifeln. Endproduktkontrollen seien aus personellen Gründen ohnehin nur stichprobenartig zu machen. Eine solche Stichprobenprüfung habe es zuletzt vor etwas mehr als einem Jahr in ganz NRW gegeben – ohne jeden auffälligen Befund, wie Peterseim, selbst ansässig in Essen, versichert. Er vermute, im Labor des Bottroper Kollegen seien wohl Standardprozeduren beim Umgang mit hochwirksamen Substanzen vernachlässigt worden, insbesondere das Vier-Augen-Prinzip, wonach immer zwei Personen an der Herstellung beteiligt sind. Allerdings schreibe die Apothekenbetriebsordnung diese Art der gegenseitigen Kontrolle auch nicht verbindlich vor.

Bundesweit beschäftigen sich rund 200 öffentliche Apotheken mit der patientenindividuellen Zubereitung von Krebswirkstoffen. Das Thema gilt von jeher als besonders anfällig für unlautere Geschäftsbeziehungen und andere Verwerfungen. So wurde in der Vergangenheit verschiedentlich von Kick-Back-Zahlungen der Industrie an verordnende Ärzte berichtet oder von Apothekern, die Wirkstoffe im Ausland orderten, den Kostenträgern aber zu hiesigen Preisen in Rechnung stellten.

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