Vakzine für Alle?

Premiere für die Impf-Drohne

Im Südpazifik hat eine Krankenschwester erstmals Vakzine verimpft, die via Drohne in die entlegene Gegend geliefert wurde. UNICEF-Chefin Henrietta Fore propagiert schon einen Paradigmenwechsel für die Immunisierung weltweit.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Drohnen wie der „DHL-Paketkopter 4.0“ könnten künftig die Versorgung entlegener Regionen mit Arzneien unterstützen. DHL

Drohnen wie der „DHL-Paketkopter 4.0“ könnten künftig die Versorgung entlegener Regionen mit Arzneien unterstützen. DHL

© DHL

Ein kleiner Flug für eine Drohne, ein großer Sprung für die Weltgesundheit“ – die Analogie zu Neil Armstrongs weltberühmtem Ausspruch anlässlich seiner Mondbegehung im Juli 1969 („ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit“) ist nicht zu überhören.

UNICEF-Chefin Henrietta Fore hat den Bezug zur Mondlandung sicher bewusst hergestellt, als sie am Montagabend von der ersten Vakzine weltweit berichtete, die per Drohne ausgeliefert und an ein einmonatiges Baby verimpft worden war. Ort des Geschehens war der südpazifische Inselstaat Vanuatu, in dem das britisch-französische Kondominium Neue Hebriden 1980 nach dessen Unabhängigkeit politisch aufgegangen ist.

Konkret hat nach Angaben der Vereinten Nationen eine Drohne von der Dillon’s Bay an der Westküste eines Eilandes aus die Vakzine über eine 40 Kilometer lange Strecke in die Cook’s Bay an der Ostküste geflogen – unter Einhaltung der essenziellen Kühlkette. Die Impfstoffe seien in mit Eisbeuteln gefüllten Styroporboxen verpackt gewesen – inklusive einer Temperaturüberwachungslösung, die Alarm schlagen sollte, wenn die Temperatur der Vakzine die Toleranzbandbreite von zwei bis acht Grad Celsius verlasse.

Die Kühlkette ist die größte Herausforderung

Die Krankenschwester Miriam Mampil, die insgesamt 13 Kinder und fünf Schwangere mit den via Drohne gelieferten Vakzinen verimpft hatte, zollte der logistischen Meisterleistung großen Respekt. „Es ist extrem anstrengend, mit Eisboxen, die die Impfstoffe kühlen, Flüsse entlangzulaufen, Berge oder steinige Landschaften zu passieren – und das oft im strömenden Regen“, gibt Mampil einen kleinen Einblick in den sonst üblichen medizinischen Versorgungsalltag auf Vanuatu. Oft sei sie auf Boote angewiesen, die dann aber teilweise wegen schlechten Wetters nicht führen.

 Wegen der langen und beschwerlichen Zugangswege komme sie in verschiedene Ortschaften auf Vanuatu nur einmal monatlich, um zum Beispiel zu impfen, ergänzt sie. Vanuatu mit seinen noch nicht einmal 300.000 Einwohnern auf einer Fläche von etwas mehr als 12.000 Quadratkilometern steht exemplarisch für die herausfordernde Versorgungslage entlegener Gebiete. Die 83, teils bergigen Inseln erstrecken sich über eine Länge von 1600 Kilometern – bei einer sehr rudimentär ausgeprägten Verkehrsinfrastruktur.

Bei diesen Rahmenbedingungen verwundert es, dass dort, so UNICEF, nur ein Fünftel aller Kinder nicht grundimmunisiert sein soll. Wie es heißt, habe die Regierung in Port Vila die Leitung des Drohnenprojektes übernommen. So habe es eine Anbieter-Ausschreibung gegeben mit der Maßgabe, dass nur bei tatsächlicher Auslieferung der intakten Vakzine ein Anspruch auf Rechnungsbegleichung bestehe.

 UNICEF-Chefin Fore legt große Hoffnung darauf, dass die geglückte Impfdrohnen-Premiere eine positive Zäsur im weltweiten Impfgeschehen bedeuten könnte. „In Zeiten, in denen die Welt noch immer darum kämpft, die am schwierigsten zu erreichenden Kinder zu immunisieren, könnte die Drohnentechnologie einen Paradigmenwechsel bedeuten, wenn es darum geht, die letzte Meile zu überbrücken, um alle Kinder zu erreichen“, frohlockt sie.

Integration in nationale Impfstrategie angepeilt

Laut UNICEF strebt die Regierung in Vanuatu an, die Vakzinauslieferung via Drohne auf lange Frist in die nationale Impfstrategie aufzunehmen. Generell wolle sie im medizinischen Versorgungskontext auf die Drohnenunterstützung setzen.

Dieser Ansatz wäre auch für entlegenere ländliche Gegenden in Deutschland denkbar – zum Beispiel über den Paketkopter des Dienstleisters DHL. Dieser kommt nach Unternehmensangaben vor allem dann zum Einsatz, wenn ein Transport über etablierte Infrastrukturen schlecht möglich ist oder deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde. Er zeichne sich dadurch aus, dass er nicht an das Straßennetz gebunden ist. „Natürliche Barrieren“ wie Wasser oder Berge stellten kein Hindernis für ihn dar. Der Drohnenservice biete einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Menschen vor Ort.

Auch DHL verweist darauf, dass Drohnen die medizinische Versorgung entlegener Gebiete revolutionieren könnte. In dem gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Hersteller Wingcopter im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums aufgesetzten Pilotprojekt „Deliver Future“ hat DHL über sechs Monate hinweg die Lieferung von Medikamenten per Drohne auf eine Insel im Viktoriasee erprobt.

 Der selbstständig fliegende „DHL-Paketkopter 4.0“ habe dabei die 60 Kilometer Flugstrecke vom Festland bis zur Insel in durchschnittlich 40 Minuten bewältigt. Insgesamt seien in dem Pilotprojekt mehr als 2200 Kilometer geflogen und rund 2000 Flugminuten geleistet worden. In einer weiteren Projektphase könnte es in Tansania nach der Klärung regulatorischer Fragen auch zu Vakzinflügen kommen, wie es von GIZ-Seite auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ heißt.

Der weltweite Einsatz entsprechender Medikamenten- und Impfdrohnen dürfte vor allem vom Nehmen zentraler Hürden abhängen – darunter die der physischen Verfügbarkeit entsprechender Systemlösungen, der regulatorischen Freigabe sowie nicht zuletzt der Finanzierung.

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