Digital-Gipfel in Berlin
Rheumatologen: Digitalisierung braucht neues EBM-System
Der EBM sei im Zuge der Digitalisierung neu zu stricken. Die Honorierung nach quartalsweisen Patientenkontakten sei in Zeiten von Telemedizin sogar kontraproduktiv, fordern Rheumatologen.
Veröffentlicht:Berlin. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen macht eine Reform des EBM notwendig. Darin waren sich Diskussionsteilnehmer auf dem Digital-Gipfel des Berufsverbands Deutscher Rheumatologen (BDRh) am Mittwoch einig.
Dr. Kirsten Karberg, niedergelassene Rheumatologin aus Berlin und im Vorstand des BDRh aktiv, brachte es auf den Punkt: „Es ist unser Wunsch, Patienten nicht alle drei Monate einbestellen zu müssen“, damit Honorar nach dem EBM fließe. Sinnvoller sei es, zum Beispiel mit Apps situationsbedingt zu versorgen, wenn es die Patienten brauchen. Dafür wäre eine „dynamische“ Vergütung vonnöten und nicht eine Honorierung „strikt nach EBM-Muster alle drei Monate“, so Karberg.
EBM ist Hürde für Neupatienten
Aufgrund der EBM-Strukturen sei es für die ohnehin viel zu wenigen Rheumatologen nicht interessant, gut eingestellte Patienten, die mit wenig Zeitaufwand versorgt werden können, „aus der Praxis zu schaufeln“ und sich um hochaktive Patienten zu kümmern, sagte Sonja Froschauer von der BDRh Service GmbH. Dabei hätten Neupatienten „Riesenprobleme“, einen Rheumatologen oder eine Rheumatologin zu finden. Die Vergütungsanreize müssten deshalb anders gesetzt werden.
Das bisherige Vergütungssystem stelle eine Blockade dar für die Digitalisierung sowie für die damit verbundene Umverteilung von Aufgaben von Ärzten auf Medizinische Fachberufe und weitere Assistenzberufe, sagte Lutz Herbarth von der Kaufmännischen Krankenkasse Hannover. Dabei müsse darüber nachgedacht werden, wie beispielsweise eine Patientenversorgung honoriert wird, die mittels KI-gestützter Hinweise an Ärzte viel zielgerichteter erfolgen könne als dies heute ohne digitale Helfer der Fall sei.
Kassen in Selektivverträgen freier
Um eine Änderung des EBM zu erreichen, müssten laut Herbarth dicke Bretter, „wahrscheinlich eher eine Betondecke“ gebohrt werden. Trotz mancher Pauschalierungen habe man es im EBM mit einem Einzelleistungsvergütungssystem zu tun, „daher die ganzen Prüfungen, Budgets und Regularien“.
In Selektivverträgen dagegen sei die Honorierung einer zunehmend digitalisierten Gesundheitsversorgung für die Krankenkassen leichter, so Herbarth. Die Kassen hätten natürlich auch ein Interesse daran, dass Ärzte und Ärztinnen nur die Patienten sehen, „die es brauchen, und nicht die, die gut eingestellt sind“. Eine gute digitale Führung von Patienten via Telemedizin finanziell in Selektivverträgen abzubilden, sei Pflicht, so Herbarth. Denn nur so bringe man entsprechende Selektivverträge überhaupt zum Fliegen.
Auf die Vorteile der Digitalisierung wies Anne Regierer vom Deutschen Rheumaforschungszentrum hin. Sie „eröffnet uns enorme Möglichkeiten, über Wearables direkt Informationen von Patienten zu bekommen.“ Medizin „pi mal Daumen“ sei bei den Rheumatologen ohnehin passé, sagte Kirsten Karberg. „Wir können realtime messen, wie es Patienten geht und die Therapie anpassen.“