Kommunale MVZ

Risiken sorgen für Gründermangel

Müssen Ärzte mit massiver Konkurrenz durch kommunale MVZ rechnen? Nein, denn noch sehen Gemeinden und Landkreise zu viele Unwägbarkeiten bei einem solchen Engagement in der ambulanten Versorgung.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Kommunen gründen nur selten ein MVZ: Sie scheuen sich vor den Risiken. Sie diese unbegründet?

Kommunen gründen nur selten ein MVZ: Sie scheuen sich vor den Risiken. Sie diese unbegründet?

© MK-Photo / fotolia.com

BERLIN. Angst vor finanzieller Überforderung, vor Haftungsrisiken bei Behandlungsfehlern und die Ansicht, dass die Sicherstellung der ambulanten Gesundheitsversorgung keine öffentliche Aufgabe ist, sind nach einer Erhebung der Medizinischen Hochschule Hannover die Hauptgründe dafür, dass Kommunen die Gründung eines eigenen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) nicht in Betracht ziehen.

Obwohl ihnen dies seit Juli 2015 sogar ohne Zustimmung der Kassenärztlichen Vereinigung durch das Versorgungsstärkungsgesetz erlaubt ist. Für die Untersuchung wurden 411 Bürgermeister und 38 Landräte in Niedersachsen anonym befragt. Die Rücklaufquote lag bei 71 beziehungsweise 81 Prozent.

Bürgermeister haben Bedenken

Auf einer Fachtagung des Bundesverbands Managed Care wurde zudem deutlich, dass es wohl auch noch rechtliche Unsicherheiten gibt. Einige Bürgermeister äußerten dort ihre Bedenken, dass die Kommunalaufsicht das wirtschaftliche Engagement der Kommune in Form eines MVZ beanstanden und nicht genehmigen könnte.

Ein mögliches Argument dafür: Da der Sicherstellungsauftrag bei der KV liege, gehöre die ambulante Gesundheitsversorgung nicht zur Daseinsvorsorge und damit nicht zum Aufgabenbereich der Kommunen.

Gesetzgeber muss Klarheit schaffen

Hier werde der Gesetzgeber in Zukunft sicher für mehr Klarheit sorgen, sagte Medizinrechtler Horst Bitter von der Kanzlei Ehlers, Ehlers und Partner. Nachbesserungen erwartete auch Ivo Weiß von der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft.

 Die Integrierte Versorgung sei auch erst durch einige Nacharbeiten, insbesondere die Einführung der Anschubfinanzierung, zu einem Erfolg geworden. Eine Anschubfinanzierung wie bei Elektro-Autos hielt Bundestagsabgeordneter Roy Kühne (CDU/CSU) für denkbar, um die Gründung von MVZ in unterversorgten Gebieten attraktiver zu machen.

Keine Angst vor der Gründung eines kommunalen MVZ hat der Samtgemeindebürgermeister von Sögel im Emsland, Günter Wigbers. Schon zweimal, einmal für den hausärztlichen, ein anderes Mal für den dermatologischen Bereich, trug sich die Gemeinde mit dem Gedanken, eine eigene Arztpraxis zu gründen, um endlich den Bedarf an Ärzten zu decken.

Zweimal wurde daraufhin die Kassenärztliche Vereinigung aktiv und fand dann doch noch eine Lösung: Im hausärztlichen Bereich mit einer Sicherstellungspraxis, die Versorgungslücke in der Dermatologie soll eine Zweigpraxis schließen.

Sögel macht Nägel mit Köpfen

Auch wenn eine eigene kommunale Praxis dann doch nicht gegründet werden musste, Wigbers und seine Ratskollegen würden nicht davor zurückscheuen, weitere Anläufe zu unternehmen, wenn es nötig wird. "Kommunales Engagement sollte als selbstverständlich betrachtet werden", so Wigbers. Eine gute Gesundheitsversorgung müsse den Bürgern geboten werden.

Mit Haftungsfragen hat sich Sögel nicht lange aufgehalten, als die Pläne für die kommunale Hausarztpraxis immer konkreter wurden. Geplant war schließlich, einen Dienstleister für den Betrieb einzubinden, der am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis partizipiert, dafür aber auch das finanzielle Risiko übernimmt.

Auch dass er Ärger mit der Kommunalaufsicht bekommen könnte, hält Günter Wigbers für unwahrscheinlich. Für ihn gehört die Gesundheitsversorgung zur Daseinsvorsorge, die Gründung eines kommunalen MVZ sei vom Selbstverwaltungsrecht der Kommunen gedeckt. "Es soll mir keiner sagen, dass wir nicht handeln dürfen, wenn es nötig ist", so Wigbers.

So hat der Samtgemeindebürgermeister bei der Aufsicht auch nicht vorher um Erlaubnis gebeten, als Sögel Stipendien für zwei Medizinstudenten und zwei Ärzte in Weiterbildung einrichtete. 350 Euro pro Monat werden bezahlt, wenn sich die Kollegen im Gegenzug verpflichten, in der Gemeinde medizinisch tätig zu sein.

Im Jahr gibt Sögel damit 20.000 Euro aus, bis 2020 werden es 120.000 Euro sein. Nach Möglichkeit sollen die Stipendien über 2020 hinaus weitergeführt werden.

Nach der Rechtmäßigkeit solcher Stipendien habe man bei der Aufsicht nicht gefragt, "und das werde ich auch nicht", sagte Wigbers. Keiner habe bisher schließlich auch was dagegen, dass Sögel dem Krankenhaus vor Ort Zuschüsse gewähre, obwohl dieses in Trägerschaft des Landkreises und der katholischen St. Bonifatius Hospitalgesellschaft steht.

Und weiter noch: "Wenn wir im stationären Bereich Geld geben dürfen, warum sollten wir es dann nicht im ambulanten Bereich machen?", so Wigbers.

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