Kopfschmerzen
Schmerzmediziner wollen Primärversorger fit gegen Migräne machen
Schmerzmediziner wollen mit der Initiative chronischer Kopfschmerz primärversorgenden Ärzten das notwendige Know-how zur adäquaten Versorgung vermitteln – unter anderem mit Fortbildungsangeboten.
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Patienten mit Kopfschmerzen/Migräne werden von den meisten Primärversorgern nicht adäquat diagnostiziert und behandelt, moniert die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin.
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Berlin. Hausärzte und Hausarzt-Internisten sind in der Regel für Patienten mit Migräne erste Ansprechpartner – meist aber nicht speziell schmerzmedizinisch ausgebildet. Das will die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) nun ändern, wie DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann am Mittwoch in Berlin im Rahmen einer Pressekonferenz mitteilte.
Als Vehikel solle dabei die frisch ins Leben gerufene „DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz – Für eine Verbesserung in der Primärversorgung“ dienen, die von den beiden Unternehmen Novartis und Teva finanziell unterstützt wird. Das Patientenpotenzial sei dabei enorm,da in Deutschland aktuellen Schätzungen zufolge mehr als 12 Millionen Menschen an chronischen Kopfschmerzen litten.
Mit der Initiative sollen primärversorgende Fachgruppen die Möglichkeit erhalten,ihre Patienten auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zu versorgen. Gleichzeitig
will die Initiative dazu beizutragen, die Chronifizierung von Kopfschmerzen sowie einen Substanzfehlgebrauch zu vermeiden. „Unser Ziel ist es, die Basisversorgung von Patienten mit chronischen Kopfschmerzen zu verbessern“, so Horlemann. Wie PD Dr. Michael Küster, Leiter des Schmerzzentrums Bonn / Bad Godesberg, der als Vizepräsident der DGS für das Ressort Kopfschmerz zuständig ist, mit Blick auf seinen Versorgungsalltag berichtete, wendeten sich mit Patienten mit ihren Kopf-schmerzen zunächst an den Hausarzt, den Gynäkologen oder den Orthopäden.
„Denen fehlt es für die Versorgung sowohl an Ausbildung als auch an Erfahrung. Dabei sind Kopfschmerzen der zweithäufigste Beratungsanlass in der primärärztlichen Versorgung“, beklagte Küster.
Nur jeder vierte Migräne-Patient adäquat versorgt
Wie Professor Hartmut Göbel, Chefarzt der auf chronische neurologische Schmerzerkrankungen, insbesondere Migräne- und Kopfschmerzerkrankungen, spezialisierten Schmerzklinik Kiel, berichtete, zeigten sich die Defizite besonders bei Patientinnen und Patienten mit Migräne zeigen.
So erfüllten fast 40 Prozent der Betroffenen die Kriterien für eine prophylaktische Therapie, aber nur 12,4 Prozent wendeten diese an. Laut der Studie CaMEO (Chronic Migraine Epidemiology and Outcomes) erreichten weniger als zehn Prozent der Migränepatienten gute medizinische Ergebnisse. „Die Gründe sind vielfältig“, so Göbel.
Mangelndes Wissen auf beiden Seiten
Die wichtigste Ursache sei mangelndes Wissen sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten. Diese führten zu einer unzureichenden Attackentherapie und Prophylaxe. Zusätzlich erschwerten Faktoren wie psychische Komorbiditäten, Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch sowie der mangelnde Einsatz interdisziplinärer Therapien den Therapieerfolg.
Wichtige Schritte in Richtung einer besseren Versorgung seien der mit der Techniker Krankenkasse geschlossene Migräne-Spezialversorgungs-Vertrag sowie eine digitale Therapiebegleitung – beispielsweise über die Migräne-App.
Fortbildungen, Praxis-Leitlinie und Praxis-Leitfaden sollen die Versorgung erleichtern
Ziel der DGS-Initiative chronischer Kopfschmerz sei es, die Versorgung in der Breite zu verbessern. „Eine spezialisierte Versorgung in einem Kopfschmerzzentrum ist aktuell den Patienten vorbehalten, die besonders komplizierte Verläufe und Symptome präsentieren“, konstatierte Horlemann, der für die Initiative gesamtverantwortlich ist. „Die DGS-Initiative will daher die Basisversorgung der Patienten mit chronischen Kopfschmerzen verbessern.“
Dabei gehe es darum, die Wahrnehmung von Kopfschmerzen zu verbessern und den Zugang zu modernen Therapieoptionen flächendeckend zu erleichtern. Um diese Ziele zu erreichen, bietet die Initiative Ärzten, die Patientinnen und Patienten primär versorgen, neue Fortbildungsmöglichkeiten an. Darüber hinaus soll eine Überarbeitung der DGS-Praxis-Leitlinie und, als Essenz daraus, ein neuer DGS-Praxis-Leitfaden entstehen.
Göbel plädierte darüber hinaus für das konsequente Integrieren des Kopfschmerzes in das Medizinstudium. „Ein Arzt, der keine Ahnung von Kopfschmerzen hat, sollte eigentlich keine Approbation erhalten“, monierte er.