Ärztliche Leistungen
So umgehen Ärzte die Umsatzsteuer-Falle
Wann muss die Umsatzsteuer von 19 Prozent auf ärztliche Leistungen draufgeschlagen werden - wann nicht? Oftmals ist diese Frage für Ärzte nicht einfach zu beantworten. Doch es gibt einen Kniff, wie sich die Umsatzsteuer-Falle umgehen lässt.
Veröffentlicht:BONN/BERLIN. Ärztliche Leistungen sind umsatzsteuerfrei, wenn sie krankheitsbezogen sind. Das diagnostisch-therapeutische Tagesgeschäft ist also zweifelsfrei privilegiert.
Fragen können sich dagegen in der Grauzone solcher privater Leistungen stellen, für die es zwar eine medizinische Veranlassung geben kann - aber nicht zwingend geben muss. Glaubt man dem Bundesrechnungshof, schlagen Ärzte viel zu selten 19 Prozent auf die GOÄ-Rechnung auf.
In ihrem Jahresbericht 2013 beklagt die Bundesbehörde, dass "der Umsatzsteuer unterliegende Leistungen von Ärzten vielfach nicht besteuert werden. Ursächlich hierfür ist, dass der Finanzverwaltung Informationen zu diesen Leistungen fehlen".
Zwar veröffentlichte das Bundesfinanzministerium bereits 2001 eine Liste mit ärztlichen Leistungen, die umsatzsteuerpflichtig sind. Unter Bezugnahme darauf haben die Oberfinanzdirektionen gleichfalls entsprechende Hinweise gegeben.
Dass den darin ausgewiesenen ärztlichen Tätigkeiten ein therapeutischer Bezug fehlt, ist ziemlich eindeutig.
Zweifelsfall Primärprävention
Darüber hinaus gibt es jedoch immer wieder Fälle, in denen das nicht so ohne weiteres zu erkennen ist und die Abgrenzung steuerpflichtig versus steuerbefreit individuell zu treffen ist. Etliche Grenzfälle gibt es bei Maßnahmen der Primärprävention, selbst wenn diese als Satzungsleistung von der Krankenkasse bezahlt werden.
Ob jemand an einer Ernährungsberatung oder Kursen zur Nikotinentwöhnung teilnahm, weil ein konkretes Krankheitsrisiko bestand oder aber lediglich der Wunsch, seinen Lebensstil zu ändern - das ist der Rechnung, die er beim Finanzamt absetzen will, zunächst einmal nicht anzusehen.
Grund zur Kritik findet der Rechnungshof aber auch in vermeintlicher Nachgiebigkeit der Finanzbeamten. Bei Betriebsprüfungen verliefen "Feststellungen zu steuerpflichtigen Leistungen" häufig im Sande, weil sich Praxisinhaber einfach auf die ärztliche Schweigepflicht beriefen oder aber auf eine medizinische Veranlassung.
Griff dagegen "die Finanzverwaltung die Abgrenzungsproblematik zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen auf", so der Rechnungshof weiter, "ergaben sich zum Teil erhebliche Verschiebungen zugunsten der steuerpflichtigen Leistungen und damit Mehreinnahmen für den Fiskus".
Das heißt mit anderen Worten: 'Hier ist Musik drin‘, und "schaut gefälligst genauer hin". Statt sich mit der Versicherung des Praxisinhabers zufrieden zu geben, hier oder da habe es sich um eine medizinisch indizierte Leistung gehandelt, sollten die Prüfer vielmehr beachten, "dass die Steuerpflichtigen nachvollziehbar belegen müssen, dass ihre Umsätze steuerfrei sind. Können sie dies nicht, sind die Umsätze als steuerpflichtig zu behandeln".
Ärztliche Schweigepflicht vs. Vorlagerecht des Betriebsprüfers
Und genau hier beginnt für Praxisinhaber die Sache unschön zu werden, erläutert Dr. Jens-Peter Damas, Fachanwalt für Steuerrecht und Mitglied der Geschäftsleitung der Beratergruppe ETL Advision.
Denn jetzt droht die ärztliche Schweigepflicht mit dem Vorlagerecht des Betriebsprüfers zu kollidieren. Die strafrechtlich relevante Schweigepflicht geht vor, "da kann das Finanzamt nichts machen", versichert Damas. Allerdings können die Beamten dann den Spieß rumdrehen und trotzdem "Schlüsse zu Ungunsten des Arztes ziehen".
Im ungünstigsten Fall müssen Praxisinhaber die geforderten 19 Prozent aus der eigenen Tasche nachzahlen. Jedenfalls dann, wenn sie nicht der Kleinunternehmerregelung nach Paragraf 19 Umsatzsteuergesetz unterliegen.
Damas betont, dass der Arzt bei der Feststellung der medizinischen Relevanz zunächst eine "Sachverständigenaussage in eigener Sache" trifft, die von den Finanzämtern auch kaum in Frage gestellt werden kann.
Damit diese ärztliche Befundung bei einer Steuerprüfung aber belegt werden kann und nicht nachgeschoben erscheint, empfiehlt Damas, sie auf GOÄ-Rechnungen für nicht zweifelsfrei steuerbefreite Leistungen zu vermerken.
Ein allgemein gehaltener Hinweis der Art: "für den Raucherentwöhnungskurs bestand eine medizinische Notwendigkeit", stelle keinen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht dar und ermögliche es dem Praxisinhaber später, gemäß seiner Darlegungspflicht steuerentlastende Tatbestände vorzubringen.
Einübung nötig
Eigentlich eine ganz einfache Sache. Damas gibt jedoch zu bedenken, dass steuerrechtlich motivierte Dokumentationen im Praxisablauf unüblich sind.
Es sei also eine gewisse Einübung in "zweckmäßige Ergänzungen der GOÄ-Rechnung" erforderlich, so der Steuerexperte. - Tipp: Zusammen mit dem eigenen Steuerberater einen entsprechenden Textbaustein formulieren und in der Praxis-EDV abspeichern.
Für den nötigen Handlungsdruck könnten bald die Ämter selbst sorgen, sollten sie dem Wunsch des Rechnungshofes nachkommen und die Daumenschrauben anziehen.
Dem Bundesfinanzministerium habe man vorgeschlagen, heißt es im Jahresbericht, einen "branchenspezifischen Fragebogen" zu entwickeln, damit die Steuerprüfer künftig "alle wesentlichen Informationen für die Besteuerung erhalten".
Auch solle der Finanzminister bei den Ländern "dafür werben, dass bei Betriebsprüfungen in regelmäßigen Abständen ein "Schwerpunkt auf Ärzteprüfungen gelegt und dafür Fachprüfer eingesetzt werden".
Umsatzsteuer auf ärztliche Leistungen
§ 4 Absatz 14 Umsatzsteuergesetz regelt die Mehrwertsteuer-Befreiung von Heilbehandlungen „einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen“.
Steuerpflichtig sind dagegen:
- u.a. Gutachten für Rechtsstreitigkeiten (Mit Ausnahme körperlicher Untersuchungen von Personen in Polizeigewahrsam zur Prüfung ihrer laut Amtsdeutsch „Verwahrfähigkeit in der Zelle“);
- Gutachten für Verfahren der Sozialversicherungen, für Versicherungsabschlüsse oder zur Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen;
- Sport- und Reisemedizinische Untersuchungs- und Beratungsleistungen;
- Berufstauglichkeitsuntersuchungen;
- Schönheitschirurgie sowie vergleichbare Leistungen von Dermatologen oder Anästhesisten;
- Nikotinentwöhnung und Ernährungsberatung (insofern nicht durch Krankheitsrisiko oder Reha veranlasst);
- ärztliche Vortragstätigkeit.