Klinik

So will Rhön ländlicher Vollversorger werden

Versorgungswege optimieren, ambulante und stationäre Angebote integrieren: Die Klinikgruppe Rhön will sich zum "Trendsetter und Systemanbieter im Gesundheitsmarkt" entwickeln. Entsprechend ihrer regionalen Ausrichtung liegen die Prioritäten auf der medizinischen Infrastruktur des ländlichen Raums.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Prof. Bernd Griewing, Chief Medical Officer der Rhön-Klinikum AG.

Prof. Bernd Griewing, Chief Medical Officer der Rhön-Klinikum AG.

© Michaela Illian

NEU-ISENBURG. Im Frühjahr 2015 sorgte Rhön unter Marburger Kommunalpolitikern wie ortsansässigen Praxisinhabern noch für Aufregung, nachdem eine Protokollnotiz bekannt wurde, der Konzern wolle die ambulante Versorgung in der Region "übernehmen oder mindestens steuern". Inzwischen haben sich die Wogen gelegt. Rhön sucht die Zusammenarbeit mit den Niedergelassenen, Expansionspläne werden moderater formuliert. "Nur Arztsitze aufzukaufen und ohne hinterlegtes medizinisches Konzept in ein eigenes MVZ zu übernehmen, ist nicht zielführend", sagt Professor Bernd Griewing, der seit Beginn dieses Jahres die neu geschaffene Position des Chief Medical Officers (CMO) im Rhön-Vorstand bekleidet, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Um die ambulanten Elemente im Rahmen des Campus-Konzepts - sektoral übergreifende Vollversorgung an einem Klinik-Standort - auszubauen, favorisiere man jetzt die Vermietung eigener Räume an Fachärzte. "Wir wollen kein Wachstum um jeden Preis, sondern durch Integration", sagt Briefing. Nicht jeder Baustein des Rhön-Angebots müsse an jedem Standort des Konzerns verfügbar sein.

Förderpool für Mitarbeiter-Ideen

Griewing ist, wie es in einer Unternehmensmitteilung heißt, unter anderem verantwortlich für "Innovationen und Netzwerkmedizin". Im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" berichtete er von Pilotprojekten, mit denen Rhön sein Innovationspotenzial auslotet. Neben aufwändigen Standortinvestitionen - etwa dem Klinik-Neubau am Stammsitz Bad Neustadt oder den Modernisierungs- und Erweiterungsvorhaben in Marburg und Frankfurt/Oder - lässt sich Rhön auch die neuen Campuskonzepte als, so Griewing, "Zukunftsmodelle zur Integration ambulanter und stationärer Strukturen" etwas kosten.

"Wir möchten als Komplettversorger der Zukunft für jeden Patienten ein auf ihn passendes medizinisches Angebot schaffen". Mit dem "Rhön-Förderpool" werden zudem wissenschaftliche Projekte und Verbesserungsvorschläge aus der Belegschaft in der Patientenversorgung umgesetzt. Das Programm gibt es erst seit vorigem Jahr. Derzeit werden nach Angaben Griewings schon fast 90 Projekte gefördert.

Ein Beispiel: Fachkrankenschwestern für bestimmte Krankheiten wie MS, Schlaganfall oder Herz-Rhythmusstörungen. Die Pflegekräfte seien, erläutert Griewing, auf Anforderung von Fachärzten sowohl stationär als auch ambulant tätig und sollen vor allem compliance-fördernde Maßnahmen umsetzen. Dazu gehörten Patientenschulungen zu anspruchsvollen Arzneimittel-Applikationen oder ein Case-Management, das auch Angehörige mit einbezieht.

Ein anderes Beispiel für Versorgungsinnovationen, die in den Rhön-Kliniken erprobt werden, ist das Projekt "Der ältere Patient in der Notaufnahme" am Standort Frankfurt/Oder. Gerade auf dem Land kämen viele Ältere in die Notaufnahme, die dort eigentlich gar nicht hingehörten, berichtet Medizinvorstand Griewing. Viele kämen mit allgemeinen Problemen wie "Angst, Depressionen oder Einsamkeit. Aufgaben, die früher Familie oder Hausarzt übernommen haben, schlagen heute immer häufiger in Kliniken auf".

Solchen Patienten bringe das übliche Triage-System der Notfallmedizin gar nichts. Stattdessen würden sich speziell geschulte Rettungssanitäter und Krankenschwestern dann um eine Gesprächsbeziehung bemühen. Auch auf diese Weise lasse sich an vielfrequentierten Schnittstellen der stationären Versorgung Entlastung schaffen. Griewing; "Portalpraxen werden nur zum Teil etwas bringen". - Gegenstand weiterer Förderprojekte seien unter anderem klinisches Risikomanagement und Hygiene, eine Datenbank zur Hirntumordiagnostik oder die Optimierung der Schlaganfallversorgung.

Nach dem Verkauf eines Großteils ihres Krankenhausportfolios an Helios sei die Konzernkasse für Investitionen in Innovationen gut gefüllt, versichert Griewing. Außer hausinternen Ideengebern will Rhön auch nationalen und internationalen Start-ups unter die Arme greifen, die mit neuer Medizintechnik auf sich aufmerksam machen.

Zu diesem Zweck wurde kürzlich die "Rhön-Innovations GmbH" gegründet. Mittlerweile sind den Angaben Griewings zufolge rund 170 Ideen gescreent und davon zehn in Pilotprojekte zur Überprüfung ihrer medizinischen Praktikabilität überführt worden. Im Klinikalltag bereits bewährt habe sich beispielsweise ein portables Verfahren zum Herz-Kreislauf-Monitoring, dessen Marktchancen man als nächstes analysieren wolle.

E-Akte bis 2020

Beinahe selbstverständlich, dass Rhön auch auf E-Health setzt. Im Februar wurde eine Kooperation mit IBM geschlossen, um deren Computersystem "Watson" zur Anamnese-Unterstützung einsetzen zu können. Zunächst wird das System am Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen des Marburger Uniklinikums erprobt. "500 Fälle, in denen Patienten jahrelange Odysseen hinter sich haben, sollen von Watson im Verlauf des kommenden Jahres begleitet werden und die Ärzte unterstützen, um zu sehen, ob wir damit diagnostisch schneller werden", erklärt Griewing.

"Wenn das funktioniert, wollen wir es zum Beispiel auf neurologische und onkologische Anwendungen ausweiten." Von den Klinikärzten, die damit arbeiten, werde das System "begeistert angenommen", versichert der Rhön-Vorstand.

Eine weitere digitale Großbaustelle ist die Einführung der elektronischen Patientenakte. Ende 2016 soll "WebEPA-plus" an den Start gehen, wie man bei Rhön das zusammen mit IT Partnern entwickelte Konstrukt nennt. Momentan werde noch daran gearbeitet, die Verbindung mit dem ambulanten Sektor datenschutzrechtlich wasserdicht zu bekommen. Zumindest innerhalb der von Rhön forcierten Campus-Strukturen sei die elektronische Vernetzung der stationären und ambulanten medizinischen Leistungsanbieter "überschaubar" umzusetzen, versichert Griewing. "Das ist bis 2020 sicher zu leisten."

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