Abrechnung

Stecken Klinik-MVZ in der Falle?

Berlin ist ein Negativbeispiel: Klinik-MVZ stolpern immer wieder über Abrechnungsregeln. Doch liegt das wirklich an betrügerischen Kollegen? Der Chef des MVZ-Bundesverbands erklärt im Interview, was die Probleme sind.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Die Stärke eines MVZ liegt im Team. Die Leistungs-Zuordnung auf einzelne Ärzte fällt meist jedoch schwer.

Die Stärke eines MVZ liegt im Team. Die Leistungs-Zuordnung auf einzelne Ärzte fällt meist jedoch schwer.

© T. Olson / fotolia.com

Ärzte Zeitung: Wie bewerten Sie die außergerichtliche Einigung zwischen KV und Helios in Sachen MVZ in Berlin-Buch?

Dr. Bernd Köppl: Für das MVZ oder die Poliklinik Berlin-Buch und die Beschäftigten ist die Einigung gut. Sie kommen damit aus der Bedrohung heraus, dass die KV Berlin sie als halbkriminelle Vereinigung behandelt und androht, ihnen die gesamten Zulassungen wegzunehmen.

Das war für Beschäftigte, Ärzte und mehr als 30.000 Patienten pro Quartal eine höchst unsichere Situation.

Worum ging es bei den Streitigkeiten genau?

Die Ärzte in der Helios Poliklinik haben die Leistungen zwar erbracht, aber manchmal nicht ausschließlich die bei der KV zugelassenen Fachärzte. Die KV hat deshalb den massiven Vorwurf des Abrechnungsbetrugs erhoben und auch die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass der Vorwurf des Abrechnungsbetruges gerechtfertigt ist.

Die Strafermittlungsverfahren gehen aber weiter.

Das ist richtig. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen einzelne Personen sind von der Einigung nicht berührt. Aber die eigentliche Bedrohung war, dass die KV der Poliklinik sämtliche Zulassungen entziehen und sie damit faktisch zur Schließung zwingen wollte.

Dr. Bernd Köppl

Stecken Klinik-MVZ in der Falle?

© privat

Arzt und Politiker, zuvor Studium der Medizin und Politologie an der Freien Univerität Berlin

Vorsitzender des Bundesverbandes der Medizinischen Versorgungszentren (BMVZ)

Abgeordneter von Bündnis 90/ Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus von 1989 bis 2001

Geschäftsführer und ärztlicher Leiter des Sana Geundheitszentrums (ehemals Polikliniken) in Berlin

Jahrgang 1948

Ich denke, dass die Institution nun nicht mehr bedroht ist und dass das auch Rückwirkung auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die Ärzte und das Leitungspersonal haben wird.

Helios ist bei weitem nicht der einzige Krankenhaus-MVZ-Betreiber, gegen den die KV Berlin geklagt hat. Auch gegen Vivantes und die Charité bestehen Forderungen und es wird strafrechtlich ermittelt. Wie kommt es zu dieser Häufung?

Die KV Berlin hat ein sehr striktes Verständnis davon, wie persönliche Leistungen in MVZ erbracht werden müssen. Hier stoßen zwei Kulturen aufeinander. Denn das Prinzip der persönlichen Leistungserbringung, das in einer Einzelpraxis begründet und problemlos realisierbar ist, ist in größeren Einrichtungen mit 50 Zulassungen und etwa 90 Fachärzten wie der Poliklinik in Buch weder immer sinnvoll noch praktikabel.

Dort werden viele Leistungen im Team erbracht. Dabei lässt sich das Prinzip der persönlichen Leistungserbringung nicht mehr in der traditionellen Form umsetzen. Da braucht es modernere Formen, und die dürfen nicht kriminalisiert werden.

Nötig ist, dass hochqualifizierte fachärztliche Leistungen, die im Team am Patienten erbracht werden, auch anerkannt und vergütet, nicht kriminalisiert werden.

Sie halten in dieser Sache also auch eine Gesetzesänderung für nötig?

Definitiv. Denn die Problematik, dass die Regelungen, die einst für die Einzelpraxis entwickelt wurden, in großen Einrichtungen nicht mehr so umgesetzt werden können, führte im Fall von Helios nun dazu, dass sie sechs Millionen Euro ,Ablass‘ zahlen müssen - und zwar für hochwertige und notwendig erbrachte Versorgungsleistungen am Patienten.

Das ist doch absurd. Der Träger musste aufgrund der Drohung der KV mit der Zahlung faktisch anerkennen, dass er die Regelungen für die Einzelpraxis nicht in allen Fällen einhalten konnte.

Trotzdem bin ich froh, dass der Druck für die Helios Poliklinik jetzt weg ist, aber es ist doch bitter, dass aus der fehlenden Weiterentwicklung der Abrechnungsregeln für diese neuen Versorgungseinrichtungen solch eine bedrohliche Situation entstanden ist.

Aus keinem anderen Bundesland sind in den vergangenen Jahren derart viele Fälle vermeintlichen Abrechnungsbetrugs in Klinik-MVZ gemeldet worden wie aus Berlin. Wie erklären Sie sich diese Häufung?

Das erste große Verfahren, das eingeleitet wurde, erfolgte gegen das MVZ der DRK-Kliniken. Bei dieser Gelegenheit hat die KV Berlin wörtlich gesagt, sie betrachtet Krankenhaus-MVZ als Einrichtungen, die kriminell arbeiten. Das war der Pauschalvorwurf.

Dann hat die KV systematisch gesucht, in welcher Form die auf die Einzelpraxis bezogenen Regelungen in Krankenhaus-MVZ nicht eingehalten werden. Dabei ist sie fündig geworden und hat die Staatsanwaltschaft überzeugt, Verfahren einzuleiten.

Ich denke, dass alle Klinik-MVZ in der Folgezeit sehr strikt darauf geachtet haben, dass die Regeln eingehalten werden, und ich hoffe, dass die weiteren Krankenhaus-MVZ unbeschadet aus dieser Kontroverse hervorgehen.

Sind Klinik-MVZ besonders "betrugsanfällig"?

Im niedergelassenen Bereich gibt es ja auch Verstöße, zum Beispiel falsch eingetragene Arztnummern oder ähnliches. Da ist es so geregelt, dass die KV die Praxis anruft und die Fehler mit ihr bespricht, bevor sie einen Fehler anklagt.

Diesen kollegialen Umgang hat die KV Berlin mit den Krankenhaus-MVZ nie gepflegt, sondern sie hat Fehler sofort als Vorwand genommen, gegen die Einrichtungen massiv vorzugehen.

Die Einrichtungen der DRK-Kliniken sind in der Folge geschlossen worden. Das hat in Köpenick sogar zu einer fachärztlichen Unterversorgung geführt, aber der KV war das gleichgültig.

Ihr Fazit aus der jetzigen Einigung?

Ich begrüße, dass die KV hier zum allerersten Mal nicht mit aller Härte gegen Krankenhaus-MVZ vorgegangen ist, sondern sich auf einen Kompromiss eingelassen hat. Trotzdem ist es bitter, dass nur wegen der einzelpraxisbezogenen Abrechnungsregeln die größeren Einrichtungen in die Bredouille kommen.

Wir werden als Verband nach der Bundestagswahl erneut auf die Politik zugehen und auf Änderungen hinwirken. Denn die Struktur der Versorgung hat sich weiterentwickelt, und deshalb müssen sich auch die Abrechnungsregeln ändern, die für diese Strukturen nicht mehr zeitgemäß sind.

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Kommentare
Dr. Uwe Lorenz 26.02.201318:41 Uhr

Was heißt hier "..in der Falle?" - Thematik wurde völlig verkannt!

Was für jeden Niedergelassenen gilt, das sollte doch wohl für jeden gelten, der an der ambulanten Behandlung teilnehmen möchte. Den Klinik-MVZs geht es doch aber nicht wirklich nur um die Teilnahme an der ambulanten Behandlung. In Wirklichkeit geht es hier um die Verlagerung von Leistungen aus dem engen DRG Bereich in die Ambulanzen, um sie dann doch noch aus dem Topf der KV vergütet zu bekommen. Und hieter der "Teamarbeit" steht doch nur, dass es vielleicht sogar von den Kollegen auf der Station erbracht wurde und der Kollege der wirklich abrechnungsberechtigt ist, war überhaupt nicht beteiligt oder nicht berechtigt? Dafür fehlt mir dann doch das Verständnis. Auch der hier immer wieder angesprochene Versuch, dass die Vergütungsregeln aus der Zeit der Einzelpraxen stamme ist einfach nur beschämend und zeigt, dass die Problematik der persönlichen Leistungserbringung überhaupt nicht verstanden wurde. Bei der ist es doch wirklich egal ob Einzelpraxis oder MVZ. Nur gut, dass die KV Berlin hier genauer hinschaut.

Dr. Stefan Krüger 26.02.201316:42 Uhr

Gesetze bewusst gebrochen

Das Vertragsarztrecht war und ist jedem bekannt, auch den Betreibern und Verantwortlichen von Klinik-MVZ. Diese gesetzlichen Regelungen wurden nicht aus Versehen sondern ganz bewusst gebrochen, weil man meinte ueber dem Gesetz zu stehen. Man stelle sich vor, jeder wuerde glauben seine eigenen Gesetze nach seinem Geschmack machen zu koennen.

Dr. Richard Barabasch 26.02.201313:18 Uhr

? Abrechnungsfalle ?

Wenn''s nur so einfach wäre mit den Krokodilstränen über "Kooperationsprobleme" ! Seit es die Idée der Kooperation gibt, noch lange vor der vom MVZ, gab es "Interessierte", die zu oft mit "juristischer" Trickserei versuchten, die allseits bekannten KV-Regeln "elegant und eloquent" zu umgehen. Die Wissenden warnten van Anfang an vor dem, was nun die o.g. Krokodilstränen auslöst: den allseits bestens bekannten Problemen. Betrug ist, wenn "frau/man" Verträge unterschreibt und nicht nach dem dort geschriebenen handelt - auch wenn mit Gewinn für einen Dritten (Patienten). Das DRK, Helios und Vivantes haben eben in Berlin offenbar gemeint, dort ihre eigenen - von mit aus zugestanden keineswegs abwegigen - Vorstellungen TROTZDEM durchzusetzen . . . . das Kassenarztrecht ist eben anders, immer noch. Und eben dies war bekannt - auch den falsch-beratenden Juristen und anderen Schlupfloch(er)Findern. Nur deshalb haben diese Typen ja nach solchen Löchern gesucht - und sind darin stecken geblieben. Dumm gelaufen; zurück zu den Wurzeln - des Kassenarztrechtes und dort dann dran arbeiten ! Wenn nur die Geschichte mit den alten Bäumen nicht wäre und deren Umpflanzproblemen . . . Wie sagte doch ein bekannter Romancier: "Träume machen Arbeit". Recht hat der Cuelho. Also ran an die Bouletten, Helios, Vivantes und DRK - ach so, da war doch auch noch die kranke Techniker Kasse mit im Spiel . . . .,
meint
Richard Barabasch

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