Steuerbegünstigung gibt's nur einmal im Leben
NEU-ISENBURG (eb). Gibt es steuerliche Begünstigungen, wenn Ärzte ihre Praxis abgeben? Kann die Berufstätigkeit nach dem Praxisverkauf fortgesetzt werden, ohne die steuerlichen Begünstigungen zu verlieren? Diese Fragen zum Thema Steuervergünstigung und Praxisabgabe beantwortete der Steuerberater Frank Kuhnert.
Frage: Gibt es steuerliche Begünstigungen, wenn ich die Praxis abgebe? Worauf muss ich achten, um eine möglichst hohe Steuerersparnis zu haben?
Frank Kuhnert: Mit zwei steuerlichen Begünstigungen können Sie bei der Praxisabgabe deutlich Steuern sparen: mit einem Freibetrag (Paragraf 16 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG)) und mit einer Tarifermäßigung nach Paragraf 34 EStG.
- Der Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro wird von dem zu versteuernden Veräußerungsgewinn abgezogen. Für höhere Gewinne reduziert er sich allerdings um jeden Euro, um den der Gewinn den Betrag von 136.000 Euro übersteigt.
- Ein Veräußerungsgewinn von 140.000 Euro bedeutet zum Beispiel einen um 4000 Euro geringeren Freibetrag, also 41.000 Euro). Ab 181.000 Euro Veräußerungsgewinn fällt der Freibetrag somit vollständig weg.
- Durch die Tarifbegünstigung wird der Veräußerungsgewinn nur mit einem
- ermäßigten Steuersatz in Höhe von 56 Prozent des normalen Steuersatzes (mindestens aber 14 Prozent) besteuert. Daraus ergeben sich hohe Steuerersparnisse. Bei einem Veräußerungsgewinn von 140.000 Euro zum Beispiel sind gegenüber der Normalbesteuerung 29.596 Euro weniger Steuern zu zahlen. Die alternative Tarifermäßigung durch die sogenannte Fünftelregelung bleibt in den meisten Fällen wirkungslos.
Bei der Fünftelungsregelung wird der Veräußerungsgewinn so besteuert, als wäre er verteilt auf fünf Jahre angefallen und die Steuerprogression so gemildert. Sind Sie allerdings bereits aufgrund anderer Einkünfte in der höchsten Progressionszone(Einkommen, lediger Arzt, über 52.882 Euro, verheirateter Arzt mehr als 105.764 Euro) , ergibt sich keine Steuerersparnis, die Begünstigung läuft ins Leere.
Demgegenüber führt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in Höhe von 56 Prozent des normalen Steuersatzes stets zu Steuerersparnissen. Beträgt der normale Steuersatz beispielsweise 35 Prozent, wird der Veräußerungsgewinn nur mit 19,6 Prozent besteuert.
In den meisten Fällen ist die Steuerersparnis durch den ermäßigten Steuersatz im Vergleich zur Fünftelungsregelung deutlich höher. Falls der erforderliche Antrag für den ermäßigten Steuersatz gestellt wird, führt das Finanzamt automatisch eine Günstigerprüfung im Sinne des Praxisabgebers durch.
Die Voraussetzungen sind für beide Begünstigungen identisch: Sie müssen alle Praxisgegenstände verkaufen oder in den Privatbereich überführen, beim Abgabezeitpunkt sind Sie mindestens 55 Jahre alt oder dauerhaft berufsunfähig, Sie stellen die bisherige Tätigkeit ein und stellen einen Antrag beim Finanzamt. Sie können diese Begünstigungen nur einmal im Leben nutzen.
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Frage: Kann ich meine Berufstätigkeit nach dem Praxisverkauf fortsetzen, ohne die steuerlichen Begünstigungen zu verlieren?
Frank Kuhnert: Da müssen Sie sehr vorsichtig sein. Voraussetzung der Steuerbegünstigungen ist die Beendigung der ärztlichen Tätigkeit im örtlichen Wirkungskreis - für eine begrenzte Zeit. Hierdurch sollen alle Patienten auf den Praxisübernehmer übergehen. Wenn Sie vorhaben, nach der Abgabe weiter zu arbeiten, laufen Sie Gefahr, Steuerersparnisse wieder nachträglich zu verlieren. Kein Problem ist eine Tätigkeit als angestellter Arzt, auch in der eigenen ehemaligen Praxis. Allerdings nur bei einer echten Arbeitnehmerstellung und nicht bei einer verdeckten Mitunternehmerschaft.
Ebenfalls als unproblematisch wird mittlerweile eine freiberufliche Mitarbeit im Namen und für Rechnung des Praxisübernehmers angesehen. Kritisch wird es, wenn Sie weiter in eigener Praxis Patienten behandeln möchten. Dies können Sie grundsätzlich nur in ausrei-chender räumlicher Entfernung zum bisherigem Praxissitz umsetzen. Was ausreichend ist, hängt vor allem vom Einzugsgebiet der alten Praxis ab. Aus Risikoüberlegungen sollte dies nicht zu knapp bemessen werden.
Beabsichtigen Sie am gleichen Ort ehemalige Patienten weiterzubehandeln, geht dies ohne steuerliche Nachteile nur, sofern diese im Schnitt der letzten drei Jahre weniger als zehn Prozent der Einnahmen ausgemacht haben. Die Behandlung von Neupatienten ist sofort schädlich.
Nach einer gewissen Wartezeit ist auch eine unbeschränkte Praxisneueröffnung am alten Praxisort denkbar. Die notwendige Dauer hängt wieder vom Einzelfall ab. Allgemein unkritisch wird ein Zeitraum von drei Jahren angesehen. Wegen der Risiken ist in vielen Fällen aber eher abzuraten oder sollte zumindest die Absicht mit dem Finanzamt abgestimmt werden (Einholung einer verbindlichen Auskunft durch den Steuerberater des Vertrauens).
Inwieweit andere Tätigkeitsfelder, etwa als Gutachter- oder als Konsiliararzt, möglich sind, hängt davon ab, ob man diese als klar zu trennenden Bereich (wesensverschieden) in der übertragenen Praxis beurteilen kann. Dies dürfte häufig gelingen, Sicherheit bringt ebenfalls die Einholung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt.
Frank Kuhnert ist Steuerberater bei der VPmed Steuerberatung in Krefeld, einem Netzwerkpartner der apoBank.