„Core4u“-Projekt
Trend zum Teilen: Uni Mainz denkt bei Geräten um
Für Forschung braucht es komplexe Technik – vom hochauflösenden Mikroskop bis zu Bestrahlungsanlagen. Um teure Infrastruktur möglichst effektiv zu nutzen, setzt die Uni Mainz auf eine breite Nutzung.
Veröffentlicht:
-Wissenschaftsmanagerin Jana Hedrich von der JGU in Mainz fordert von der dortigen Unimedizin eine stärkere Vernetzung mit anderen Strukturen in der Region.
© Claudia Nass / CHROMORANGE / picture alliance
Mainz. Sein Leistungsvermögen sieht man dem optisch an einen Drucker erinnernden Mikroskop in der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität (JGU) nicht an. Und doch ist der Fachbereich Biologie und die dortige sogenannte Core Facility für Lichtmikroskopie stolz auf das kürzlich gekaufte Gitter-Lichtblatt-Mikroskop. Grob gesagt kann es Proben in Gänze dreidimensional darstellen – bis ins kleinste Detail in lebenden Zellen. Für Entwicklungsbiologen etwa bietet es völlig neue Möglichkeiten.
Das Gerät ist ein Beispiel dafür, mit welch hochtechnischer Infrastruktur in der Forschung gearbeitet wird. Die JGU will solche Geräte in einem langfristig angelegten Projekt namens „Core4u“ für noch mehr Forscherinnen und Forscher sowie Externe nutzbar machen.
Eigentlich liegt es nahe, solch teure und nur mit Spezialwissen zu bedienende Geräte in zentralen Einheiten – Core Facilities – zu bündeln und sie Wissenschaftlern und Externen zugänglich zu machen. Nicht zuletzt auch, um angesichts angespannter Haushaltslagen Geld zu sparen, gezielte Lücken im Gerätepark zu stopfen und um kluge Köpfe anzuziehen.
Manches Gerät führte ein Mauerblümchendasein
Lange Zeit sei nicht sehr strukturiert geschaut worden, wer wo über welche Geräte verfügt, wo es neue brauche und wer sie nutzen könne, sagt in Mainz der Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der JGU, Stefan Müller-Stach. Häufig seien Großgeräte bei Berufungen von Professorinnen und Professoren angeschafft worden und auf die Person zugeschnitten gewesen. „Wenn klar wurde, dass die Forschung nicht fliegt, stand ein Gerät auch mal ungenutzt herum.“
Genau das soll an der JGU künftig nicht mehr so sein. Schon jetzt gibt es hier wie an anderen Hochschulen auch Core Facilities auf Ebene einzelner Fachbereiche. Künftig soll es ein uniweites Gerätemangement werden. Müller-Stach: „Da sind wir bundesweit einer der Vorreiter.“ Ziel sei ein „Kulturwandel“, weg von einem „professurbezogenen Gerätebesitz“. Die Geräteparks sollten sozialisiert werden, gerade auch zugunsten jüngerer Wissenschaftler.
Fokus auf Nutzungsmanagement
Dafür ist Organisation wichtig, wie JGU-Wissenschaftsmanagerin Jana Hedrich erklärt. Nutzungszeiten für einzelne Geräte müssten einheitlich buchbar sein und die Abrechnung der Nutzung müsse strukturiert werden. Hedrich fordert zudem noch mehr Vernetzung - sei es zwischen der JGU und der Universitätsmedizin Mainz oder sei es im Verbund mit den anderen Rhein-Main-Unis in Frankfurt und Darmstadt.
Unter dem Strich müsse alles dafür getan werden, um Spitzenforschung zu unterstützen, sagt Müller-Stach – „um vielleicht auch mal wieder einen Nobelpreis zu gewinnen“. Zumindest solle das ermöglicht werden. „Core Facilities sehen wir auch nicht nur in den Naturwissenschaften“, betont Hedrich. Sie seien für Geisteswissenschaften ebenfalls sinnvoll, es gehe nicht nur um Geräte, sondern etwa auch um besonders ausgestattete Räume.
„Exzellente Forschungsinfrastrukturen sind für die Forschungsstärke sowie Innovationsfähigkeit des Standorts Rheinland-Pfalz unabdingbar“, sagt der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD). Sie seien die Grundlage für erfolgreiche Forschung und Entwicklung. Core Facilities könnten als Gerätezentren eine effektive Auslastung und einen sinnvollen wissenschaftlichen Service gewährleisten.
Der Landeskoordinator für Biotechnologie, Eckhard Thines, sieht etwa die an der JGU vorhandene Mikroskopie als „Cutting-Edge-Technologie“ – also Spitzentechnologie, die auf neuestem Wissen basiert. „Es werden noch mehr Technologie-Plattformen werden. Das ist ein Wandel“, betont der Professor für Biotechnologie. Auch er weiß, dass solch ein Wandel nicht völlig geräuschlos gelingt. „Dahin zu kommen, dass man Geräte teilt, ist nicht einfach.“ In Mainz sei aber in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel geschafft worden.
„Demokratisierung der Infrastruktur“
An der JGU ist der Biochemiker Bastian Hülsmann Mitglied des wissenschaftlichen Beirats, der das Projekt „Core4u“ begleitet. Zugleich ist er Leiter der Lichtmikroskopie Core Facility. Er spricht von einer „Demokratisierung der Infrastruktur“. So würden auch Kosten für Wartungen oder Reparaturen geteilt, es entstehe Austausch von Know-how über Fachgebiete hinweg. Besondere technologische Infrastruktur und die dafür nötige Expertise könnten zudem helfen, Forschungsmittel einzuwerben, sagt Hülsmann.
Die von ihm geleitete Mikroskopie-Einheit bietet ein Spektrum an Geräten, von Konfokalmikroskopen, dem „Standard-Arbeitsgerät für die Zellbiologie“, wie Hülsmann sagt, bis hin zum 1,5 Millionen Euro teuren hochauflösenden Mikroskop. Hülsmann zufolge ist das Interesse an der Nutzung von Hochleistungsmikroskopen in Mainz groß. Diese Infrastruktur komme vielen Akteuren aus der Grundlagenforschung, aber auch lokalen Unternehmen wie Biontech und Startups zugute. „Die Mikroskopie ist generell im Aufwind“, sagt er. Die Entwicklung von Biopharmazeutika beispielsweise sei ohne Mikroskopieren gar nicht vorstellbar. (dpa/lrs)