BSG

Trödelt das Gericht, wird eine Entschädigung fällig

Sozialgerichte haben kaum eine Möglichkeit, sich aus ihrer Entschädigungspflicht herauszureden. Das hat nun das BSG klargestellt.

Veröffentlicht:

KASSEL. Ob als Freiberufler, Privatperson oder als Betreiber eines MVZ: Bei überlangen Gerichtsverfahren können Ärzte auf jeden Fall eine Entschädigung verlangen.

Denn die Entschädigung steht wie Privatpersonen ebenso auch Unternehmen zu, wie jetzt das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied. Nach weiteren Urteilen sind ein geringer Streitwert oder geringe Erfolgsaussichten kein Grund, die Entschädigung zu kürzen.

Auf Drängen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hatte der Gesetzgeber zum 2. Dezember 2012 die Möglichkeit geschaffen, dass bei trödelnden Gerichten eine Entschädigung für zu lange Gerichtsverfahren verlangt werden kann.

Als Regelbetrag sieht das Gesetz pauschal 1200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung vor, also 100 Euro pro Monat. Davon können Gerichte aus "Billigkeitsgründen" aber ausnahmsweise abweichen.

Verfahren dauerte über zehn Jahre

Im ersten Fall wurde einem Pflegeheimbetreiber aus Sachsen-Anhalt eine Entschädigung wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens verweigert. Das Pflegeheim lag mit dem Land Sachsen-Anhalt im Clinch über eine Zusatzvergütung für Investitionen.

Das Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht dauerte über zehn Jahre.

Als der Heimbetreiber nun eine Entschädigung verlangte, winkte das Land ab. Juristische Personen könnten die Entschädigungspauschale generell nicht beanspruchen, da sie keine immateriellen Nachteile erleiden. Das BSG hat dem nun klar widersprochen.

Im zweiten Fall stritt eine Hartz-IV-Bezieherin um 216 Euro. Sie rügte, dass das Sozialgericht ihre Klage geschlagene 21 Monate unbearbeitet liegen gelassen habe.

Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz meinte, wegen des geringen Streitwerts stünden ihr statt 2100 Euro nur 216 Euro Entschädigung zu.

Das Richter am Bundessozialgericht urteilten, dass grundsätzlich von der Höhe der gesetzlichen Entschädigungspauschale nicht abgewichen werden darf -  auch bei einem niedrigen Streitwert nur in "atypischen Sonderfällen". Das LSG soll dies nun noch einmal prüfen.

In einem dritten Fall entschied das Bundessozialgericht, dass eine Entschädigung nicht mit dem Argument abgelehnt werden kann, die Klage habe von Beginn an keine Aussicht auf Erfolg gehabt. (mwo)

Az.: B 10 ÜG 1/13 R (Unternehmen), B 10 ÜG 11/13 R (geringer Streitwert), Az.: B 10 ÜG 7/14 R (geringe Erfolgsaussicht)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Bundessozialgericht

Bronchoflex Tubus ist ein flexibles Instrument

238 Abgeordneten legen Gesetzentwurf vor

Gesetzesvorstoß zum Schwangerschaftsabbruch empört Union

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Lesetipps
Ein Mann hat Kopfweh und fasst sich mit beiden Händen an die Schläfen.

© Damir Khabirov / stock.adobe.com

Studie der Unimedizin Greifswald

Neurologin: Bei Post-COVID-Kopfschmerzen antiinflammatorisch behandeln

Der gelbe Impfausweis

© © mpix-foto / stock.adobe.com

Digitaler Impfnachweis

eImpfpass: Warum das gelbe Heft noch nicht ausgedient hat

Ein Aquarell des Bundestags

© undrey / stock.adobe.com

Wochenkolumne aus Berlin

Die Glaskuppel zum Ampel-Aus: Eigenlob und davon in rauen Mengen