Trotz tropischer Hitze: Arztpraxen dürfen nicht zur Sauna mutieren
Ärzte sind verpflichtet, ab 26 Grad Außentemperatur für Kühle in den Praxisräumen zu sorgen.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Sommer - Sonne -Schweiß. Dieser Dreiklang macht nicht nur Bauarbeitern und anderen Freiluftwerkern zu schaffen. Auch in Arztpraxen kann es unerträglich warm werden, etwa wenn die Klimaanlage ausgefallen ist oder es gar nicht erst eine gibt - was ja durchaus auch Vorteile haben kann.
Liegt Praxischefs das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter am Herzen, können sie ihnen - je nach Temperatur in den Arbeitsräumen - Vergünstigungen verschiedenster Art einräumen. Das fängt bei kostenlosen Getränken an und setzt sich fort über die Aufstellung von Ventilatoren.
Arbeitsschutzgesetz sitzt Praxischefs im Nacken
Unabhängig von der persönlichen Generosität gilt, dass sich Ärzte als Unternehmer an das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung halten sollten. Darin ist penibel geregelt, was zu tun ist, wenn die Temperaturen die Arbeitsfreude - und damit die Schaffenskraft - erlahmen lassen. Das sollte auch selbstverständlich sein. Ermüdungserscheinungen mit häufig einhergehender Leistungsminderung erfreuen schließlich keinen Chef. Und Konzentrationsmangel führt unweigerlich zu einer höheren Unfallgefahr.
Die Arbeitsstättenverordnung gibt ganz allgemein vor, dass für Bereiche von Arbeitsplätzen, die unter "starker Hitzeentwicklung" stehen, die Möglichkeit bestehen sollte, die Räume "im Rahmen des betrieblich Möglichen" auf eine erträgliche Temperatur zu kühlen, etwa dadurch, dass Außenjalousien angebracht worden sind. Ergänzend dazu heißt es in den Arbeitsstättenrichtlinien, dass die Raumtemperatur in Arbeitsräumen 26 Grad Celsius nicht überschreiten "soll".
Das Landgericht Bielefeld gewährt allerdings Spielraum nach oben: Bei höheren Temperaturen muss die Innenraumtemperatur mindestens sechs Grad unter der Außentemperatur liegen (Az.: 3 O 411/01). Generell gilt seit dem 23. Juni eine neue Arbeitsstättenregel, die ab einer Außentemperatur von 26 Grad Celsius ein Stufenmodell mit Schutzmaßnahmen vorsieht.
Danach werden bei Lufttemperaturen in Arbeitsräumen in der Stufe "über 26 Grad" verschiedene Maßnahmen empfohlen. Bei 30 bis 35 Grad Celsius muss der Arbeitgeber ("zwingend"!) wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen. Bei mehr als 35 Grad wird die Tätigkeit in einem Arbeitsraum grundsätzlich als ungeeignet angesehen. Trotz dieser Neuregelung gibt es keinen Rechtsanspruch auf Klimaanlage oder hitzefrei.
Es versteht sich, dass das "Temperaturempfinden" individuell und von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig ist. Es kommt auf die physikalischen Bedingungen an (etwa: Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Luftzusammensetzung und optische Einflüsse), ferner auf "intermediäre Bedingungen" (etwa: Kleidung, Tätigkeitsgrad, Tageszeit, Raumbesetzung) und schließlich auf psychosoziale Faktoren (etwa: Konstitution, körperliche Verfassung, Geschlecht, Alter).
Im Notfall droht der Besuch der Bezirksregierung
Den Arbeitnehmern steht ein generelles Beschwerderecht zu. Sie gehen damit allerdings nicht vor das Arbeitsgericht, sondern zur örtlich zuständigen Bezirksregierung. Dort gibt es Experten, die dann mit dem Praxischef Abhilfemaßnahmen diskutieren und konkrete Vorschläge machen. Folgt darauf nichts in Richtung Arbeitsschutz, dann wird dem Arbeitgeber auch schon mal mit einem Bußgeld gedroht ...
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