Medizintechnik
Türkei will mehr Healthcare-Know-how
Der ehemals kranke Mann am Bosporus schafft sich ein modernes Gesundheitssystem. Nun soll auch die einheimische Wirtschaft stärker profitieren und Healthcare-Importe kompensieren.
Veröffentlicht:ISTANBUL. Nachdem die Türkei seit einigen Jahren die Modernisierung ihres defizitären Gesundheitssystems angegangen ist, will sie nun die Importabhängigkeit im Healthcare-Sektor bekämpfen.
Wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) beobachtet, will das türkische Gesundheitsministerium in der Gesundheitswirtschaft Arzneimittel- und Medizintechnikimporte gezielt durch mehr lokale Produktion ersetzen.
Dadurch sollen die hohen Devisenausgaben für diese Warengruppen begrenzt und das Defizit in der Handels- und Leistungsbilanz reduziert werden. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen laut gtai Abnahmegarantien für einheimische Pharmaproduzenten und die Subventionierung von Forschungsprojekten.
Steigender Importanteil
Laut dem "Arzneimittelbericht 2008 bis 2013" der Anstalt für Arzneimittel und medizintechnische Geräte sei der Anteil importierter Medikamente am gesamten Branchenumsatz von 50,5 Prozent im Jahr 2008 auf 53,7 Prozent im Jahr 2013 gestiegen - insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollar.
Die langfristige Pläne der Regierung sehen, wie gtai berichtet, vor, dass bei Arzneimitteln bis zum Jahr 2023 eine lokale Versorgungsquote von 60 Prozent erreicht werden soll. Für Medizintechnik werde eine lokale Quote von 20 Prozent angestrebt.
Um die einheimische Produktion von Medikamenten anzukurbeln, soll diese durch Abnahmegarantien attraktiv gestaltet werden.
Der Plan des Gesundheitsministeriums sehe vor, dass unter der Voraussetzung einer lokalen Produktion den Investoren staatliche Garantien gegeben würden, dass die Produkte zu einem marktfähigen Preis, der die Kosten berücksichtige, für sieben bis zehn Jahre abgenommen würden.
Vor allem die staatliche Sozialversicherungsanstalt SGK sei ein großer Bedarfsträger für Medikamente. Über diese Einrichtung habe die Regierung eine wirksame Möglichkeit, das Marktgeschehen zu beeinflussen.
Fokus auf Arznei mit hohem Bedarf
Nach dem geplanten Fördermodell wird das Gesundheitsministerium laut gtai zunächst festlegen, welche Arzneimittel von der Abnahmegarantie erfasst werden sollen. Wie aus Kreisen des Ministeriums verlaute, sollten dabei vor allem solche Medikamente Vorrang erhalten, die in der Türkei bislang gar nicht produziert, aber in hohem Maße verbraucht würden.
Auch Pharmazeutika, deren Produktion höhere Technologien erfordere, würden nach dem vorgesehenen Modell Priorität erhalten.
Hersteller, die von der erwähnten Abnahmegarantie zu einem festgelegten Preis profitieren wollten, müssen ihrerseits gegenüber dem Ministerium eine verbindliche Erklärung abgeben, dass die infrage kommenden Medikamente in der Türkei hergestellt und gegebenenfalls auch exportiert würden.
Darüber hinaus plane das Gesundheitsministerium eine gezielte Förderung von Investitionen in die Forschung und Entwicklung für Pharmazeutika und medizintechnische Produkte.
Dazu sei die Gründung einer neuen staatlichen Anstalt für Gesundheitsinstitute vorgesehen, die als Dachorganisation mehrerer nachgeordneter Institute staatliche Förderaufgaben übernehmen werde. Die wichtigste nachgeordnete Einheit werde dem Vernehmen nach das Institut für Biotechnologie sein.
Zurzeit befänden sich in der Türkei mehrere Krankenhausprojekte mit insgesamt rund 60.000 Betten im Bau, weitere Kliniken seien geplant. Im Zusammenhang mit diesen laufenden und geplanten Vorhaben werde ein erheblicher Medizintechnik-Bedarf entstehen.
Bislang würde der größte Teil durch Importe gedeckt. Bei Hochtechnologieprodukten liege die Einfuhrquote gar bei 100 Prozent.
Deutschland sei mit Abstand der größte Arzneilieferant. Die deutschen Exporte erreichten laut Statistikamt TÜIK 2013 einen Wert von 861,8 Millionen US-Dollar. Das entspreche einem Anteil an den gesamten türkischen Brancheneinfuhren von 19,2 Prozent.
Dabei hätten sich die deutschen Lieferungen gegenüber 2012 um 13,7 Prozent erhöht.
Nach Einschätzung der Unternehmensberatung Frost & Sullivan sei der türkische MedTech-Nachfrageschub auch maßgeblich ausgelöst von der Harmonisierung der Gesetzgebung mit der Europäischen Union sowie der Expansion im Bereich der privaten Premium-Gesundheitseinrichtungen.