AOK-Vertrag
Viel Wirbel um günstige Blutzuckerteststreifen
Eine extrabudgetäre Vergütung für die Umstellung von Diabetikern auf günstigere Blutzuckerteststreifen sorgt in Nordrhein für Streit. Kritiker sehen darin Verstöße gegen das Berufsrecht. Nun könnte der Streit vor Gericht gehen.
Veröffentlicht:KÖLN. Mit einem Strukturvertrag wollen die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNo) und die AOK Rheinland/Hamburg die Kosten für die Versorgung von Diabetikern mit Blutzuckermessegeräten und -teststreifen senken.
Die Tatsache, dass dabei die Umstellung von Patienten mit wirtschaftlichen Anreizen für die Ärzte verbunden ist, hat den Verein "Therapiefreiheit für Ärzte" auf den Plan gerufen. Er hat beim Landgericht Düsseldorf Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Der Vertrag ist am 1. Juni 2014 in Kraft getreten und zielt nach Angaben der KVNo auf die "ergebnisoffene Beratung, Schulung, Information und Aufklärung des Patienten".
Im Gespräch mit Diabetikern sollen diabetologisch tätige Ärzte klären, ob eine Umstellung auf kostengünstigere Produkte möglich ist. Eine Liste mit Produkten aus zwei Preiskategorien informiert sie über kostengünstige Teststreifen.
Für die Beratung und eine eventuelle Schulung des Patienten erhalten die Ärzte einmalig extrabudgetär 25 Euro.
Verstoß gegen die Berufsordnung?
Nach Ansicht von "Therapiefreiheit für Ärzte" verstößt der wirtschaftliche Anreiz gegen das Verbot unerlaubter Zuweisungen und unerlaubter Zuwendungen durch die Musterberufsordnung und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
"Es ist ein Widerspruch, dass die Beratung ergebnisoffen sein soll, der Arzt im Erfolgsfall aber eine Vergütung erhält", sagt der Berliner Rechtsanwalt Stefan Waldeck, der den Verein vertritt.
Wenn die Vergütung für die umstellenden Ärzte gegen das Berufsrecht verstößt, wäre der Strukturvertrag nichtig, die KVNo hätte das Geld unberechtigterweise ausbezahlt.
"Wir prüfen zurzeit, ob wir Anzeige gegen die KVNo wegen des Verdachts der Untreue erstatten", so Waldeck.
Der Verein hatte zunächst versucht, von der KVNo eine Unterlassungserklärung zu erwirken. Das hatte die KVNo abgelehnt. Sie sehe keinen Verstoß gegen die Berufsordnung, teilte sie dem Vereinsvorsitzenden Uwe Berndt mit.
Nach Ansicht der KVNo ist die Beratung der Patienten ergebnisoffen, weil die Ärzte nicht auf ein bestimmtes Produkt festgelegt würden, sondern weiter große Auswahl hätten.
Zudem erfolge die Vergütung nicht für die Verordnung, sondern für die Schulung der Patienten. Die KVNo kann auch keinen Wettbewerbsverstoß erkennen.
Die Argumentation mit dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb diene nicht der Wahrnehmung der Interessen von KVNo-Mitgliedern, wirft die KV dem Verein "Therapiefreiheit für Ärzte" vor.
"Vielmehr vertreten Sie mit Ihren Ausführungen die Interessen der Herstellerfirmen, deren Produkte im hochpreisigen Bereich liegen."
Das weist der Vorsitzende Berndt zurück. "Wir arbeiten nicht unter einem Deckmantel für die Industrie", betont er. Natürlich gebe es bei der Interessenvertretung von Ärzten und Patienten teilweise Überschneidungen mit den Interessen der Hersteller.
Kritik auch auf der VV
"Wir greifen Dinge auf, bei denen aus unserer Sicht etwas nicht richtig läuft". So sei er selbst früh gegen die Praxisgebühr vorgegangen. Auch die Probleme von Patienten durch Medikamenten-Umstellung in Folge von Rabattverträgen beschäftigten die "Therapiefreiheit für Ärzte".
Der 2006 gegründete Verein habe 400 Mitglieder, 20 bis 30 kämen aus Nordrhein, sagt Berndt. Von ihnen sei er auf den Strukturvertrag der KVNo aufmerksam gemacht worden.
Für Berndt hat die Vereinbarung einen "bitteren Beigeschmack". Der Anreiz von 25 Euro mache die Beratung zum Verkaufsgespräch. "Die Ärzte werden als Händler missbraucht", ärgert sich der Berliner Allgemeinmediziner.
Die KVNo will sich wegen des laufenden Verfahrens nicht zu dem Thema äußern. Auch auf der KVNo-Vertreterversammlung gab es Kritik an der Vereinbarung - allerdings mit einer anderen Stoßrichtung.
Viele Kollegen hätten bereits in der Vergangenheit von sich aus viel Überzeugungsarbeit geleistet, um Patienten auf kostengünstigere Teststreifen umzustellen, sagte Hausarzt Rolf Ziskoven. "Durch den Vertrag werden jetzt die belohnt, die bislang faul waren." (iss)