Interview mit apoBank
„Viele Ärzte wollen nicht mehr selbstständig sein“
Die Positionen der Parteien zur Gesundheitspolitik will die apoBank vor der Wahl transparent machen. Wie sie dabei vorgeht, erläutert Daniel Zehnich im Interview.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Herr Zehnich, Sie eru-ieren immer wieder die Einschätzungen von Heilberuflern zu Entwicklungen im Gesundheitswesen. Inwieweit spielte das Thema Kommerzialisierung/Ökonomisierung eine Rolle?
Daniel Zehnich: Die jungen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker sehen sich seit einigen Jahren mit einem Markt konfrontiert, in den zunehmend neue Akteure, Kapitalinvestoren und Technologiekonzerne eintreten. Entsprechend haben wir beispielsweise 2019 gefragt, wie sie die zukünftigen Entwicklungen im Gesundheitswesen einschätzen und ob ihrer Ansicht nach, Themen wie Industrialisierung und Kapitalisierung das künftige Gesundheitswesen prägen werden.
Unsere Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“ zeigte, dass mit 82 Prozent eine große Mehrheit der jungen Heilberuflergeneration von einer zunehmenden Kapitalisierung der Versorgungsstrukturen ausgeht, bei der Praxen und Apotheken durch private Investoren aufgekauft und in bundesweiten Kettenkonzepten integriert werden.
Wie sehen Heilberufler die Debatte aus heutiger Sicht?
Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen gerät immer häufiger ins Zentrum gesundheitspolitischer Diskussion. Wir beobachten, dass die Debatte sehr kontrovers geführt wird: Kritiker sagen, dass sich das Gesundheitswesen vorrangig an einer bestmöglichen Patientenversorgung und weniger an ökonomischem Handeln und Profitbestrebungen orientieren sollte.
Andere Stimmen entgegnen, dass eine gute Medizin auf ökonomisches Denken angewiesen ist und, wenn sinnvoll ausgerichtet, wichtige Anreize für eine Verbesserung der Versorgung und eine effektive Medizin liefern kann.
Vor allem die Renditeziele branchenfremder Kapitalgeber werden kritisiert. Wie wirkt sich dies auf das Berufsbild junger Ärztinnen und Ärzte aus?
Durch eine zu starke Gewichtung wirtschaftlicher Aspekte gegenüber originär medizinischen Aufgaben rückt die Versorgung schnell in den Hintergrund. Dabei wird vor allem die Gewinnausrichtung im Gesundheitssystem stark kritisiert. Es geht um Fehlanreize im Krankenhausfinanzierungssystem aber auch um branchenfremde Unternehmen und Investoren, die Kurs auf den Gesundheitsmarkt nehmen. Treiber dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass die Branche unter anderem aufgrund ihrer Konjunkturunabhängigkeit für Finanzinvestoren lukrativ erscheint. Doch auch der Mentalitätswandel in der jungen Generation spielt eine wichtige Rolle: Viele junge Ärztinnen und Ärzte wollen nicht mehr selbstständig sein, sondern bevorzugen die Anstellung.
Auf dem Land sind Praxen teils fast unverkäuflich, aber in der Stadt können Investoren oft Fantasiepreise aufrufen, bei denen Existenzgründer kaum mithalten können. Welche Auswege sehen Sie in solchen Fällen?
In der Tat gibt es die Herausforderung, auch zukünftig eine hochwertige medizinische Versorgung auf dem Land anbieten zu können. Dafür bedarf es innovativer Lösungen und Anbieter. Die Frage ist, wer nun die Initiative ergreift und das nötige Geld in die Hand nehmen wird, um solche Modelle erfolgreich in der ambulanten Versorgung einzuführen.
Die Gesundheitspolitik spielt auch im Wahlkampf eine Rolle. Wie kann und will sich die apoBank im Wettkampf der Parteien einbringen?
Als Bank der Gesundheit wollen wir die Gelegenheit nutzen, um die gesundheitspolitischen Inhalte der verschiedenen Parteien zu beleuchten. Wir nähern uns den Themen mit drei Formaten: Zu unserem dreiteiligen apoTalk Spezial zur Wahl laden wir Parteivertreter ein, die über die politischen Konzepte und ihre Vorstellungen von guter Gesundheitsversorgung sprechen und diese mit Akteuren aus dem Gesundheitswesen diskutieren. In unserem Podcast „Gesundheit ermöglichen“ schildern engagierte Heilberufler den aus ihrer Sicht akuten gesundheitspolitischen Handlungsbedarf.
Und besonders stolz sind wir auf unser Tool „Im-Puls-Gesundheit“, eine Art Wahlomat für Heilberufler, mit dem sie die eigenen Positionen mit der gesundheitspolitischen Ausrichtung der Parteien abgleichen können. Alle Maßnahmen sollen dazu dienen, Heilberuflern etwas mehr Orientierung in Zeiten des Wandels und bei der Wahlentscheidung zu bieten.
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