Grippewelle

Viele Praxen und Kliniken melden "Land unter"

Die heftige Grippewelle bringt Arztpraxen und Krankenhäuser an die Kapazitätsgrenzen. Manche Praxen müssen selbst wegen vieler erkrankter Mitarbeiter schließen, Kliniken nehmen teilweise keine Patienten mehr an.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof und Anke ThomasAnke Thomas Veröffentlicht:
Viele Grippe-kranke Menschen strömen in die Praxen und Kliniken. (Symbolbild)

Viele Grippe-kranke Menschen strömen in die Praxen und Kliniken. (Symbolbild)

© Klaus Eppele / stock.adobe.com

NEU-ISENBURG. Die heftige Grippewelle, die Deutschland fast flächendeckend erfasst hat, hält Ärzte, Medizinische Fachangestellte und Klinikmitarbeiter in Atem.

"Land unter" melden viele Praxen und Krankenhäuser angesichts eines hohen Andrangs von Patienten in den Hausarztpraxen, den Notaufnahmen und auch den internistischen Stationen vieler Kliniken.

Die Korrespondenten der "Ärzte Zeitung" haben in den Regionen nachgefragt, und fast überall heißt es, dass die Praxisteams bis zum Anschlag in Arbeit stecken.

Die Grippewelle bringe "die meisten hausärztlichen Praxen an ihre Kapazitätsgrenze", berichtet Axel Stelzner, Allgemeinmediziner in Lichtentanne und Bezirksgeschäftsstellenleiter Chemnitz der KV Sachsen.

Aus Schleswig-Holstein verlautete, dass pro Tag bis zu 100 Patienten mit Influenza oder grippalem Infekt die Praxen gestürmt hätten. Manche Praxen, zum Beispiel in Schleswig-Holstein und in Berlin, müssen auch selbst wegen Krankheit schließen.

"Andrang in allen Praxen sehr hoch"

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Erik Bodendieck, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Allgemeinmediziner in Wurzen, meldet, dass allein an einem Vormittag rund 60 Patienten mit Infekt in seiner Praxis waren.

Der Mediziner ergänzt, dass "der Andrang in allen Praxen sehr hoch ist". Die Praxisteams hätten "seine Hochachtung", dass sie bei oftmals reduzierter Besetzung diesen Andrang bewältigten.

Probleme melden auch viele Krankenhäuser. So sei die Zahl der Patientinnen und Patienten, die seit Januar mit Grippesymptomen in die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) eingeliefert worden sind, von Woche zu Woche gestiegen.

"In unserer Zentralen Notaufnahme haben wir seit Jahresbeginn bei Patienten mit Grippesymptomen einen Anstieg von mehr als einem Drittel verzeichnet im Vergleich zum Vergleichszeitraum des Vorjahres", sagte Professor Tobias Welte, Direktor der Klinik für Pneumologie, von der MHH in Hannover am Freitag.

Mehr Herzinfarkte als Folge der Grippewelle

Zudem hätten die Influenzaerkrankungen zu einem dramatischen Anstieg von Verschlechterungen bei obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD sowie bei schweren Lungenentzündungen geführt, sagte Welte.

Der Pneumologe nennt zwei Hauptgründe: Zum einen habe die Impfbereitschaft deutlich nachgelassen, zum anderen hat zum zweiten Mal in Folge der verwendete Grippe-Impfstoff diese Grippe nur unzureichend abgedeckt.

Insbesondere Influenza B-Viren sind in diesem Jahr dominant, ein Virustyp, der direkt das Herz infizieren kann und so zu schweren Herzmuskelentzündungen führt.

Als Folge der Grippewelle sind auch die Zahlen der Patienten mit Herzinfarkt in den ersten Wochen des Jahres 2018 stark gestiegen. "Seit Jahresanfang mussten wir 92 Patienten behandeln, die mit Herzinfarkt in die MHH gebracht wurden", betonte Professor Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie.

In Monaten ohne Grippe sind es durchschnittlich 40 Fälle."Die Zahl der schweren Fälle mit akuter Herzbeteiligung ist um 25 Prozent gestiegen."

Diese dramatische Tendenz kann auch Professor Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, bestätigen: "Seit Winterbeginn mussten wir vermehrt Patienten mit einem Bypass versorgen."

Beide Chefärzte betonen: "Die Grippe-Impfung verringert bei älteren oder Risiko-Patienten eindeutig die Zahl der Herzinfarkte, leider wird sie nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen."

Denn, so ergänzte Professor Welte: "Auch wenn der in diesem Jahr von den Krankenkassen empfohlene Impfstoff einen Teil der Erreger nicht abgedeckt hat, so bleibt dennoch immer ein deutlicher Schutzeffekt durch die Impfung."

Aufnahmestopp in München

In München treffen laut Mitteilung am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität derzeit immer wieder Grippe-Patienten über die Notaufnahme ein.

"Ein Aufnahmestopp für neue Patienten über viele Stunden ist zur Zeit die Regel", so Professor Markus Wörnle, Leiter der Notaufnahme der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV. Das sei durch aufwendige Isoliermaßnahmen auf der Station bedingt.

Wegen der Grippewelle bleiben auch die Spenderliegen leer, so der DRK-Blutspendedienst. Derzeit sei in Hessen ein etwa 15 prozentiger Rückgang an Blutspenden zu verzeichnen, so Dr. Walid Sireis, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie Kassel, im Gespräch mit Hitradio FFH.

Notfall-Op könnten durchgeführt werden, es sei jedoch möglich, dass planbare Op bei weiter sinkenden Vorräten von Blutkonserven verschoben werden müssten. Die DRK-Blutspendedienste der Länder rufen derzeit deshalb die Bürger zur Blutspende auf. (Mitarbeit sve, cmb)

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