Managed Care
Was Deutschland vom kleinen Singapur lernen kann
Mit einem Aufruf für mehr Koordination, Wettbewerb und Digitalisierung ist am Dienstag der BMC-Jahreskongress in Berlin gestartet. Der BKK Dachverband will dafür am liebsten an das SGB V ran.
Veröffentlicht:Berlin. Eine grundlegende Neuausrichtung im Sozialgesetzbuch (SGB) V hat der Vorstand des BKK Dachverbands, Franz Knieps, gefordert. „Derzeit ist das SGB V ein Gesetz über die Institutionen im Gesundheitswesen: Wer darf an den Trog und wer nicht, und wie viel darf er aus dem Trog trinken“, sagte Knieps zu Beginn des Jahreskongresses des Bundesverbandes Managed Care (BMC) am Dienstag in Berlin. Er plädiere deshalb für einen Perspektivwechsel von den Institutionen hin zu den Nutzern – „verbunden mit einem vernetzten Leistungskatalog von gesundheitlichen und sozialen Leistungen“, betonte Knieps.
Schluss mit dem Sektorendenken
Dazu gehöre auch, das Verhältnis von Integrations- und Sektorenversorgung umzudrehen und zu sagen: „Integrationsversorgung ist die Regel, und da, wo es Regeln über Sektorenversorgung gibt, müssen die sich als Ausnahme rechtfertigen.“ Insgesamt fehle es dem deutschen Gesundheitssystem an Koordination und Wettbewerb um gute Versorgung, sagte Knieps. „Man guckt ein bisschen auf den Zusatzbeitrag, man guckt darauf, ob eine Kasse Homöopathie anbietet oder nicht, aber eine echte Differenzierung wollen Politiker aller Couleur nicht hinnehmen.“
Das sei ein Fehler. Die „Innovationskraft des Wettbewerbs“ müsse auch das Gesundheitswesen erreichen. Die Innovationspipeline sei gut gefüllt. Das treffe jedoch auf bekannte Defizite wie „Sektorenegoismus, mangelhafte Qualität und Effizienz und vor allem auf kulturelle Dissonanzen in den Gesundheitsberufen“, kritisierte Knieps.
Auch BMC-Vorstandsvorsitzender Professor Volker Amelung machte einen Nachholbedarf an koordinierter Versorgung und echtem Wettbewerb aus. Letzterer drehe sich immer stärker um Ärzte und Pflegekräfte. „Uns geht zuerst das Personal aus, bevor uns das Geld ausgeht.“ Digitale Technologien böten ein großes Potenzial, um Ärzte und Pflegekräfte zu entlasten. Allerdings zeigten Studien, dass Deutschland bei der digitalen Vernetzung nicht nur „weit hinten dran, sondern weit abgeschlagen ist“.
Dass der digitale Wandel schneller funktionieren kann, wenn er politische Unterstützung erfährt und auf breite Akzeptanz stößt, machte der Arzt Dr. Jason Cheah, Chef des Woodlands Health Campus in Singapur, deutlich. Der asiatische Stadtstaat gilt seit Jahren als echter Champion des digitalen Wandels. Auch im Gesundheitsbereich verfolge man konsequent eine nationale „Smart Health Strategie“. Ziel sei es, den Menschen mithilfe digitaler Anwendungen einen besseren Zugang zu ärztlichen und pflegerischen Leistungen zu verschaffen und ambulante und stationäre Angebote enger zu vernetzen.
Digitaler Gesundheitsmarktplatz
Große Aufmerksamkeit erfahre derzeit ein „digitaler Gesundheitsmarktplatz, so Cheah. Auf diesem könnten Patienten und pflegebedürftige Senioren ihre spezifischen Bedarfe formulieren und passende Dienstleister und Fachkräfte vermittelt bekommen. Singapur stehe vor ähnlichen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung wie Deutschland. Dazu gehörten etwa eine stark alternde Gesellschaft und eine wachsende Zahl chronisch kranker Menschen. Dank digitaler Technik sei man darauf gut vorbereitet. „Interessant“ nannte Cheah, dass in Deutschland Ärzte ihren Patienten Apps auf Kassenkosten verschreiben dürften. Diese Idee nehme er mit nach Hause.
Der für die Idee der App auf Rezept verantwortliche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach in einer Videobotschaft von einer „Weltpremiere“. Deutschland brauche bei der Digitalisierung „endlich“ einen Schub nach vorne. Noch immer sei das Fax-Gerät hierzulande „das am meisten verwendete Kommunikationsmittel“.