Termintreue
Was tun, wenn Patienten schwänzen?
Ein Gynäkologe hat Kollegen aufgerufen, zu zählen, wie oft Patienten zu einem Termin in der Praxis unentschuldigt fernbleiben - mit überraschenden Ergebnissen. Die Termin-Untreue ist nicht nur ärgerlich, sondern schmerzt auch wirtschaftlich.
Veröffentlicht:GEORGSMARIENHÜTTE. Kaum zu glauben. Aber der Gynäkologe Jens Schweizer aus dem niedersächsischen Georgsmarienhütte und viele Kollegen haben mitgezählt.
Sie kamen auf genau 58 Termine im Monat, zu denen sich Patientinnen angemeldet hatten und ohne Erklärung nicht erschienen sind.
In einer Umfrage hatte er sich deutschlandweit an seine Kollegen gewandt und sie gebeten, Strichlisten zu führen über die "geschwänzten" Termine.
"Ich habe nicht damit gerechnet, dass so viele Kolleginnen und Kollegen mitmachen und dass so viele Termine einfach verfallen", sagt Schweizer.
622 Praxen nahmen an Umfrage teil
Bis zum 19. 12. haben 622 überwiegend gynäkologische Praxen aus ganz Deutschland an der Befragung teilgenommen, erklärt er.
Insgesamt zählen die teilnehmenden Ärzte innerhalb von frei gewählten 4 Wochen sagenhafte 35.905 Termine, die nicht eingehalten, beziehungsweie nicht rechtzeitig abgesagt wurden. Das entspricht im Schnitt 58 verfallenen Terminen im Monat.
Allerdings ist die Spanne gewaltig. Schweizers Auswertung, die der "Ärzte Zeitung" vorliegt, zeigt: Die treusten Patientinnen hatte eine Praxis mit nur zwölf versäumten und nicht abgesagten Terminen in einem Monat.
Das andere Ende der Skala markiert eine Praxis mit unglaublichen 192 unentschuldigten Absagen im Laufe von vier Wochen. Das sind bei 22 Arbeitstagen im Monat mindestens 8 Ausfälle am Tag.
"Dabei muss berücksichtigt werden, dass Urlaubszeiten, freie Praxistage aufgrund von Urlaub, Fortbildung, Erkrankung des Praxisinhabers und auch Feiertage mit enthalten sind, so dass die tatsächlichen Ausfalltermine bezogen auf die Arbeitstage im Durchschnitt deutlich höher liegen”, sagt Schweizer.
Finanzieller Verlust nur schwer ermittelbar
Den fianziellen Verlust könne man nur schwer gegenrechnen, meint der Gynäkologe. Und selbst wenn man es könnte, wie wäre das Geld rechtlich einwandfrei per Rechnung zu beanspruchen?
Dr. Uwe Köster, Sprecher der KV Niedersachsen (KVN), jedenfalls sagt: "Der Anspruch des Arztes auf einen Honorarausfall wird in der Rechtsprechung sehr uneinheitlich beurteilt.”
Die Kassenärztlche Bundesvereinigung (KBV) erklärt auf Anfrage, man könne das entgangene Honorar geltend machen.
"Dies gilt aber nur in so genannten Bestellpraxen, in der die Patienten termingenau behandelt werden und damit auch die Patienten grundsätzlich nicht warten müssen. In so geführten Praxen kommt sowohl ein Zahlungsanspruch aufgrund eines Annahmeverzuges gemäß § 615 BGB als auch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 252 BGB in Betracht”, teilt die KBV mit.
Annahmeverzug bedeutet für Patienten Zahlungspflicht
Bei einem Annahmeverzug kann der Arzt grundsätzlich die vereinbarte Vergütung verlangen, muss aber auch ersparte Kosten etwa an Material gegenrechnen.
"Die Möglichkeit, dass der Patienten wegen der kurzfristigen Absage eines Termins in Annahmeverzug gerät, wird aber von einigen Gerichten auch verneint”.
Rechtssicher sei es darum, "schriftlich zwischen Patient und Arzt zu vereinbaren, dass bei nicht rechtzeitiger Terminabsage der Patient in Annahmeverzug gerät”, so die KBV.
Letztlich müsste der Patient also das zahlen, was der Arzt verdient hätte, wenn der Patient den Termin nicht versäumt hätte, und der Arzt in der gewonnen Zeit nicht einen anderen Patienten behandelt hat, hieß es.
Wie viel das ist, ist unklar. Nach der GOÄ dürfe man sich nicht richten, betont die KBV, "da diese auch nicht Berechnungsgrundlage gewesen wäre, wenn der Patient erschienen wäre." Schweizer schlägt vor, den Fallwert aus Gesamthonorar und Fallzahl zu errechnen.
Wie dem auch sei. Viele Kollegen haben ganz anderes im Sinn, erklärt der Gynäkologe: "Sie wollen im Zweifel die Terminsprechstunde vollkommen abschaffen. Und dann können die Patienten kommen, wann sie wollen. Und wenn der Tag dann rum ist, dann geht eben nichts mehr, und wir schicken die Patienten wieder nach Hause nach dem Motto: neuer Tag, neues Glück.” (cben)