Biosimilars

Weniger Regressdruck und Erleichterungen für Ärzte?

Einige der umsatzstärksten Biologicals verlieren demnächst den Patentschutz. Um die Kostenvorteile von Biosimilars zu realisieren, sind vor allem Ärzte gefragt. Dass das keineswegs selbstverständlich ist, demonstriert das Nachbarland Frankreich.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Kommt ein Biosimilar-Schub, gewinnen Ärzte als Verordner wieder mehr Gewicht.

Kommt ein Biosimilar-Schub, gewinnen Ärzte als Verordner wieder mehr Gewicht.

© Johannesspreter/fotolia.com

Rund 20 Prozent des Arzneimittelumsatzes im deutschen Apothekenmarkt entfielen 2013 auf rekombinante Wirkstoffe. Zu Herstellerabgabepreisen waren das laut IMS Health 6,1 Milliarden Euro. Daran hatten Biosimilars lediglich 1,3 Prozent Anteil.

Deren Schattendasein könnte jedoch bald ein Ende haben: Gleich mehrere Biologicals, die mit zu den größten Umsatzbringern im globalen Pharmageschäft zählen, stehen an der Schwelle zum Patentverlust. Noch nie seit der ersten Zulassung eines Biosimilars in Europa 2006 wurde durch patentfrei werdende therapeutische Proteine ein derart großes Marktpotenzial eröffnet.

Was bedeutet das für die Verordner? Nimmt der Regressdruck zu, weil Nachahmer nicht selten auch Mengenzuwachs bringen? Oder ist eher mit Entspannung an der Innovationsfront zu rechnen, weil das Einsparpotenzial von Biosimilars nicht per aut idem, sondern nur durch Neueinstellungen zu heben ist? Folgende Neueinführungen sind zu erwarten:

Im Juni gab die europäische Zulassungsbehörde EMA eine positive Empfehlung für ein Insulin-Glargin-Analogon. Originator Sanofi erlöste damit 2013 stolze 5,7 Milliarden Euro.

Mehrere Biosimilars in Phase-III

Sandoz kündigte kürzlich den Start der Phase-III mit einem Adalimumab-Nachahmer an. Der TNF-Alpha-Blocker war 2013 mit über zehn Milliarden Dollar das weltweit meistverkaufte Arzneimittel. Laut Hersteller Abbvie endet das Wirkstoffpatent im Dezember 2016 (USA) sowie im April 2018 (Europa).

Außerdem testet Sandoz bereits in Phase III Biosimilars der Antirheumatika Etanercept und Rituximab. Ersteres kam 2013 auf einen Marktumsatz von knapp sechs Milliarden Euro. Rituximab brachte 5,8 Milliarden. Für sein umsatzstärkstes Produkt rechnet Roche ab 2016 mit Biosimilar-Konkurrenz.

Auch Biotechriese Amgen arbeitet an Biosimilars und zielt mit eigenen Varianten der Antikörper Bevacizumab und Trastuzumab gleichfalls auf Roche-Blockbuster. Bevacizumab brachte 2013 rund 5,2 Milliarden Euro, Trastuzumab fünf Milliarden. Nachahmer dieses Klassikers gegen Brustkrebs könnten ebenfalls ab 2016 in den Markt kommen.

Sämtliche aufgeführte Wirkstoffe rangieren unter den 15 meistverkauften Medikamenten der Welt. Und auch hierzulande betragen deren Erlöse jeweils ein Vielfaches dessen, was an rekombinanten Molekülen bis dato Marktexklusivität einbüßte.

Mit dem zu erwartenden Biosimilar-Schub gewinnen die Ärzte als Verordner wieder mehr Gewicht. Weil Biosimilars molekular nicht identisch mit dem Referenzwirkstoff sind, kommt die Substitution durch den Apotheker nicht in Betracht. Das ist in der Selbstverwaltung Konsens.

Und das wird sich sowohl im Pharmamarketing niederschlagen, als auch in den Beziehungen der Kostenträger zu den Ärzten. So hat unlängst etwa Barmer-GEK-Chef Christoph Straub betont, in Sachen Biosimilarverordnung künftig keine Regressängste schüren zu wollen.

Trotz früherer Misserfolge mit Biosimilar-Ausschreibungen werden die Kassen auch für die kommenden Analogproteine erneut Rabattangebote einfordern. Dann müssen sie aber auch für Umsetzungsquoten in Praxen sorgen. Schon seit längerem im Gespräch ist etwa die Anerkennung von Biologicals als Praxisbesonderheit nur bis zur Höhe des Nachahmerpreises.

"Zusatznutzenbewertung für Biosimilars nicht erforderlich"

Ob freilich die Preisunterschiede zwischen Original- und Zweitanbietern so hoch sein werden, wie derzeit noch kolportiert, darf leise bezweifelt werden. Von bis zu 30 Prozent ist derzeit die Rede. Knapp 40 Prozent Preisnachlass erzielen die Kassen im Schnitt durch Rabattausschreibungen für traditionelle Generika.

Eine derartige Anbietervielfalt wie bei umsatzträchtigen chemischen Wirkstoffen wird es selbst für die Mega-Blockbuster-Nachbauten jedoch nicht geben. Dafür ist der Kapitaleinsatz einfach zu hoch.

Denkbar also, dass heutige Einspar-Erwartungen zu hoch gegriffen sind und deshalb irgendwann doch wieder Begehrlichkeiten wecken, die beiden schärfsten Instrumente zeitgenössischer Kostendämpfung, frühe Nutzenbewertung und Substitutionspflicht des Apothekers, auch auf Biosimilars anzuwenden. Doch wie realistisch wäre das?

Der GBA hat bereits abgewunken: Weil Biosimilars keinen neuen Unterlagenschutz erhalten, unterliegen sie laut Verfahrensordnung auch nicht der frühen Nutzenbewertung.

 GBA-Abteilungsleiter Thomas Müller: "Wir gehen davon aus, dass Biosimilars im therapeutischen Nutzen mit den Originalen gleich sind und damit Preiswettbewerb auslösen. Eine Zusatznutzenbewertung mit anschließender Preisverhandlung ist für Biosimilars daher nicht erforderlich."

Und der Austausch nach Rabattvertragslage? Noch gilt das Diktum des AkdÄ-Vorsitzenden Professor Wolf-Dieter Ludwig, "Substitution in der Apotheke ist bei Biosimilars kein Thema".

Wie lange es Bestand hat, ohne gesetzgeberischer Verankerung zu bedürfen, steht auf einem anderen Blatt. Wohin der Hase auf einmal laufen kann, wenn es ums Geld geht, exerziert Frankreich gerade vor.

Seit Inkrafttreten des "Sozialversicherungs-Finanzierungsgesetzes 2014" zu Jahresbeginn dürfen Apotheker dort Produkte einer "Gruppe ähnlicher biologischer Wirkstoffe" untereinander austauschen - europaweit bisher einmalig.

Wegen des besonderen Charakters der Biosimilars darauf zu vertrauen, dass die ärztliche Therapiefreiheit zumindest in diesem Gebiet für immer sakrosankt bleibt, könnte blauäugig sein.

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