Kommentar zu IT-Anwendungen
Wie Frankensteins Monster
Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass jede Software so benutzerfreundlich und anwendungsorientiert wie nur möglich programmiert ist, der Alltag in Krankenhäusern und Praxen ist ein Anderer.
Veröffentlicht:Bevor im Mittelalter etwas schriftlich festgehalten wurde, musste ein drängendes Problem bestehen. So lernt man es im Studium der Geschichtswissenschaft. Denn es war recht aufwendig, ein Pergament herzustellen, einen Schreiber zu finden und dann alles aufzuschreiben.
Und im Grunde genommen hat sich daran bis heute nichts geändert: Bevor etwas per Gesetz geregelt wird, bevor eine Forderung erhoben wird, muss es einen Problemdruck geben. Und der muss so groß sein, dass sich Menschen bereit erklären, eine Sache anzupacken.
Deswegen sollte es ein Alarmzeichen sein, wenn der Marburger Bund nun eine Leitlinie für benutzerfreundliche medizinische IT-Anwendungen fordert. Denn dieser Vorgang zeigt, wie groß die Probleme mit unausgereifter Software mittlerweile sind: Während es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, dass jede Software so benutzerfreundlich und anwendungsorientiert wie nur irgend möglich programmiert wird, ist der Alltag in Krankenhäusern und Praxen ist ein ganz Anderer: Ärzte, Pflegekräfte und MFAs klagen ohne Ende über nicht ausgereifte Programme, über abstürzende Software und Systeme, die Stunden brauchen, um ein eRezept auszustellen. Zuweilen hat die bloße Erwähnung des Begriffs „Gematik“ in Gesprächen dieselbe Wirkung wie „Frankensteins Monster“.
Natürlich braucht es Digitalisierung in Kliniken wie in Praxen. Natürlich können Computerprogramme das Leben für alle Beteiligten einfacher machen und die Qualität von Behandlung und Dokumentation verbessern. Aber das alles funktioniert nur, wenn die zum Einsatz kommende Software auch wirklich ausgereift ist. Sie muss funktionieren, bevor sie irgendwohin ausgeliefert wird.
Denn Medizinerinnen und Mediziner sind keine Versuchskaninchen oder Beta-Tester: Sie sollten ihre ohnehin schon knapp bemessene Zeit dem Patienten widmen können und sich nicht durch Troubleshooting-Anleitungen, Installationsanweisungen oder Helpdesk-Hotlines kämpfen müssen. Sie haben den gleichen Anspruch wie jeder andere Kunde darauf, dass ein einmal erworbenes Produkt einsatzfähig ist und funktioniert.