Neurofeedback-System

Beinprothese mit Gespür erleichtert das Gehen

Ein neues Neurofeedback-System ermöglicht es Menschen mit Beinamputation, ihre Prothese zu spüren. Was für Vorteile das hat, wurde in einer Machbarkeitsstudie deutlich.

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Forscher Giacomo Valle (l.) und Prothesenträger Savo Panic: Gehen mit Neurofeedback strengt weniger an, der Sauerstoffverbrauch ist reduziert.

Forscher Giacomo Valle (l.) und Prothesenträger Savo Panic: Gehen mit Neurofeedback strengt weniger an, der Sauerstoffverbrauch ist reduziert.

© Federica Barberi

ZÜRICH. Erstmals spüren zwei Personen mit Beinamputation oberhalb des Knies ihren künstlichen Fuß und ihr künstliches Bein in Echtzeit, berichtet die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich). Ermöglicht wird dies durch eine neue bionische Prothese.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung der ETH Zürich und des Lausanner Start-ups Sensars hat die Schnittstelle entwickelt, um eine Beinprothese mit den Nerven im Oberschenkel der Nutzer zu verbinden und so sensorisches Feedback zu ermöglichen. In einer Studie in Zusammenarbeit mit der Uni Belgrad testeten die Wissenschaftler dieses Neurofeedback-System an zwei Prothesenträgern, denen ein Bein oberhalb des Knies amputiert worden war (Nat Med 2019; 25:1356–1363).

Elektroden im Oberschenkel

„Unsere Machbarkeitsstudie zeigt, wie vorteilhaft es für die Gesundheit von Beinamputierten ist, eine Prothese zu haben, die mit neuronalen Implantaten arbeitet, um das sensorische Feedback wiederherzustellen“, wird Professor Stanisa Raspopovic, einer der Autoren, in der ETH-Mitteilung zitiert.

In der Studie verwendeten die Wissenschaftler eine kommerziell erhältliche Prothese mit einem elektronischen Hightech-Kniegelenk. An der Sohle des Prothesenfußes befestigten sie Berührungssensoren. Während der dreimonatigen Studiendauer platzierten Chirurgen winzige Elektroden im Oberschenkel der Probanden und verbanden sie mit den dort vorhandenen Beinnerven.

„Das Ziel der Operation war es, Elektroden an den richtigen Stellen im Inneren des Nervs anzubringen, um die Wiederherstellung von lebensechtem sensorischem Feedback zu ermöglichen und die Stabilität der Elektroden zu gewährleisten“, sagt Professor Marko Bumbasirevic, Mitautor der Studie. Entwickelt wurden die Elektroden von Forschenden der Universität Freiburg, die Prothesen kamen von der Prothesenfirma Össur, die beide aktiv am Projekt beteiligt waren.

Professor Stanisa Raspopovic bei der Anpassung der Prothese.

Professor Stanisa Raspopovic bei der Anpassung der Prothese.

© Federica Barberi

Das Forschungsteam entwickelte Algorithmen, um die Informationen des Tastsensors an der Fußsohle sowie der Bewegungssensoren im elektronischen Kniegelenk in Stromimpulse zu übersetzen. Die Elektroden leiten diese Pulse an den Nerv weiter, die Nervensignale werden wiederum ans Gehirn weitergeleitet, sodass die Träger die Prothese wahrnehmen und ihren Gang entsprechend anpassen können.

Geringerer Kraftaufwand

In der Studie absolvierten die Teilnehmer eine Reihe von Tests, abwechselnd mit und ohne Neurofeedback. Die Ergebnisse machten deutlich, wie vorteilhaft das Feedback war: Das Gehen mit Neurofeedback war für die Probanden körperlich weniger anstrengend, was sich in einem deutlich reduzierten Sauerstoffverbrauch zeigte, heißt es in der ETH-Mitteilung. Auch mental war das Gehen mit Neurofeedback weniger anstrengend, wie die Forscher mit Messungen der Gehirnaktivität zeigten. Die Probanden mussten sich nicht so sehr auf das Gehen konzentrieren und konnten Ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf andere Aufgaben richten.

In einem schwierigen Test mussten die Probanden über Sand gehen. Das Feedback ermöglichte ihnen, deutlich schneller zu gehen. In Umfragen gaben die Probanden an, dass das Neurofeedback ihr Vertrauen in die Prothese stark erhöhte.

Phantomschmerz gelindert

Die Schnittstelle zum Nervensystem kann auch dazu genutzt werden, die Nerven unabhängig von der Prothese zu stimulieren. Bevor sie mit der Studie begannen, klagten beide Teilnehmer über Phantomschmerzen. In einem einmonatigen Neurostimulation-Therapieprogramm gelang es den Forschern, diesen Schmerz bei einem Prothesenträger deutlich zu reduzieren, bei dem anderen, verschwand der Schmerz sogar vollständig.

Diese Ergebnisse stimmen die Forscher optimistisch. Sie weisen jedoch darauf hin, dass eine längere Untersuchung, in der eine größere Zahl von Teilnehmern das System im Alltag testet, nötig ist, um zuverlässigere Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Für die zeitlich begrenzte klinische Studie wurden die Signale der Prothese über Kabel durch die Haut zu den Elektroden im Oberschenkel geleitet. Das bedeutete, dass sich die Versuchsteilnehmer regelmäßig einer medizinischen Untersuchung unterziehen mussten. Um dies zu vermeiden, wollen die Wissenschaftler ein vollständig implantierbares System entwickeln. „Bei Sensars planen wir die Entwicklung eines drahtlosen Neurostimulationsgerätes, das wie ein Herzschrittmacher vollständig in den Patienten implantiert und auf den Markt gebracht werden kann“, sagt Francesco Petrini, CEO von Sensars. (eb)

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