Kassenfinanzen
Glänzende GKV-Finanzen wurmen Kliniken und Hersteller
Die hohen Überschüsse der Kassen wecken Begehrlichkeiten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fragt, ob es Zufall ist, dass die Finanzprognose so viel schlechter ausgefallen war.
Veröffentlicht:BERLIN. Krankenkassen haben nach Ansicht von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ausreichend Spielräume, um ihren Versicherten "hochwertige Leistungen bei attraktiven Beiträgen" zu gewähren.
Im ersten Halbjahr erzielten die 113 Kassen einen Überschuss von 1,41 Milliarden Euro – im gleichen Vorjahreszeitraum sind es nur knapp 600 Millionen Euro gewesen. Doch mit den guten Zahlen wachsen auch Begehrlichkeiten und Forderungen.
Weniger die Gesundheitspolitik der Koalition, als vielmehr die brummende Konjunktur ist die Ursache für den hohen Kassenüberschuss. Weil immer mehr sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen wurden, sind die Einnahmen der GKV mit 4,3 Prozent deutlich stärker gewachsen als die Ausgaben mit 3,7 Prozent.
In den drei großen Ausgabenblöcken verzeichnet die GKV moderate Zuwächse: Die Ausgaben für Arzthonorare stiegen je Versicherten um 3,9 Prozent, bei den Arzneiausgaben beträgt das Plus 2,0 Prozent. Für die Krankenhausbehandlung fällt das Ausgabenwachstum je Versicherten mit 1,3 Prozent noch geringer aus.
Unterschiede zwischen den Familien-Kassen
Doch die Durchschnittswerte verdecken die Dynamik der Entwicklung zwischen den Kassen-Familien. Denn die Zuwächse liegen bei den Ortskrankenkassen fast durchweg unter denen der Konkurrenz. Zwei Beispiele: Bei den Arzneiausgaben verzeichnen die AOKen mit minus 0,5 Prozent rückläufige Ausgaben. Im IKK-System wächst dieser Posten um 5,1 Prozent. Der erhebliche Rückgang der Ausgaben für neue Hepatitis C-Präparate hat im ersten Halbjahr die Kosten gedämpft. Auch bei den Hilfsmittel-Ausgaben schafft das AOK-System eine schwarze Null (minus 0,1 Prozent), die Betriebskassen indes verbuchen fast vier Prozent Plus.
Aus Sicht des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) belegen die Halbjahreszahlen, dass die von den Kassen "immer wieder heraufbeschworenen finanziellen Weltuntergangsszenarien" nicht ernst zu nehmen seien.
Spannend für die Kassen und die Beitragszahler wird es wieder Mitte Oktober werden. Dann stellt der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt (BVA) seine Prognose für 2018 vor. Diese bildet die Basis für die Festlegung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags. Die Einnahmen des Gesundheitsfonds beliefen sich im ersten Halbjahr auf knapp 112 Milliarden Euro, für das ganze Jahr 2017 haben die BVA-Schätzer rund 215 Milliarden Euro angenommen. Und traditionell erhöhen sich die Einnahmen des Fonds durch Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen im zweiten Halbjahr noch einmal erheblich.
Krankenhausgesellschaft ist skeptisch
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) findet es augenfällig, wie stark Schätzung und tatsächliche Einnahmen voneinander abweichen. Die Kassen "missbrauchten" das Instrument Schätzerkreis, argwöhnt daher die DKG. Vertreter der Leistungserbringer müssten daher in dem Gremium vertreten sein, um die Schätzungen verlässlicher zu machen, heißt es.
Die mutmaßlich frohe Botschaft eines konstanten durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes für 2018 wird wahrscheinlich erst der nächste Bundesgesundheitsminister Ende Oktober verkünden. Doch der könnte wieder Hermann Gröhe heißen.