Die Entscheidung zwischen Musik und Medizin fällt schwer
"Lassen sie uns durch, lassen sie uns durch, wir sind Arzt", heißt es in einer Liedzeile der deutschen Erfolgsband "Wir sind Helden": Die Strophe ist nicht weit hergeholt, zumindest, was den Bassisten betrifft: Mark Tavassol ist Arzt. Derzeit macht er im Diakonie-Krankenhaus Alten Eichen in Hamburg sein AiP. In seiner Freizeit ist er mit der Band unterwegs, probt, gibt Konzerte, arbeitet an neuen Liedern. "Man braucht ein gutes Zeitmanagement", sagt Tavassol im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".
Bei "Wir sind Helden" ist er von Anfang an dabei. Die Gruppe hatte im vergangenen Jahr mit Liedern wie "Guten Tag", "Denkmal" und "Aurélie" die Hitparaden gestürmt. Ihre erste CD namens "Die Reklamation" landete in den TopTen.
Vor einigen Wochen räumten die Musiker bei der Verleihung der Echo-Awards gleich vier Preise ab. "Das ging alles rasend schnell", erzählt der Mediziner. Als er in die Band einstieg, war das eigentlich als Hobby geplant.
Tavassol hatte früh mit der Musik angefangen. Mit vier Jahren spielte er Blockflöte, mit sechs Jahren Geige. Er wuchs bei seinem Vater - einem Zahnarzt - in Teheran auf, 1979 zog er nach Deutschland, erst nach Bremen, dann nach Hamburg. Irgendwann war die Geige abgemeldet. "Mit 14 hatte ich dann andere musikalische Interessen", erzählt er. Tavassol griff zur Gitarre und zum Baß. Während seines Medizinstudiums spielte er als Bassist in verschiedenen Bands. Im November 2001 machte er sein Examen.
Die Musik machte ihm zwar viel Spaß, doch die Zukunft schien klar: Erst das AiP, dann ein Job als Arzt. "Ich war ein bißchen unglücklich", erinnert er sich. "Ich wußte ja, was da an Arbeit auf mich zu kommt." Über seine Pläne redete er eines Abends mit einem befreundeten Musiker in einer Bar in Hamburg - es war Pola Roy, Schlagzeuger in spe von "Wir sind Helden".
"Danach fuhr ich erstmal nach Teheran", sagt er. "Dort rief mich dann Pola an, erzählte von der Band und fragte, ob ich nicht mitmachen will." Medizin oder Musik - die Entscheidung fiel ihm schwer. "Es sind beides schöne Berufe." Tavassol entschied sich für beides. Er fing in Hamburg als AiPler an, seine freie Zeit verbrachte er mit den Helden.
Die Auftritte häuften sich. Die Songs wurden oft im Radio gespielt. Im Februar 2003 handelte er mit seinem Chefarzt eine Teilzeitstelle aus. Die Band nahm ein Album auf, die Singles stiegen in die Charts ein. Auch die Deutschland-Tour lief prima. "Ich mußte zwischendurch immer mal wieder Abstand nehmen und tief Luft holen", sagt Tavassol. "Es war auch gut, daß ich kein Kabelfernsehen hatte. Ich bekam von Freunden erzählt, wenn wir auf MTV gespielt wurden."
Heute sind die vier Musiker nicht nur im Radio präsent. Derzeit touren sie durch Deutschland, die Videoclips laufen auf Viva und MTV.
Probleme mit der Berühmtheit hat der Mediziner bislang nicht. "Ich habe meine alten Freunde behalten", sagt Tavassol. "Und im Krankenhaus kannten sie mich schon vor dem Erfolg, dadurch habe ich ein ganz normales Verhältnis zu meinen Kollegen und Chefs." Die Bodenhaftung nicht zu verlieren, ist ihm wichtig. Das gilt auch für die Zukunft. Zwar will er ab Juli nach dem AiP erstmal nur noch Musik machen ("Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich die Chance jetzt nicht ergriffen hätte"), doch er kann es sich gut vorstellen, daß er irgendwann in den Beruf zurückkehrt: "Eine Perspektive sehe ich in der Musik - und in der Medizin."