Ausgeblutete Gesundheitsämter
ÖGD-Ärzte geben keine Ruhe
Der Berufsverband der ÖGD-Ärzte beendet in Berlin seine Kampagne. Doch die Probleme sind ungelöst – das zeigt das Land Berlin.
Veröffentlicht:BERLIN. Unter dem Motto „Wir arbeiten für Ihre Gesundheit – aber nicht mehr lange“ haben der Berufsverband der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) und der Marburger Bund (MB) zur Protestkundgebung in Berlin aufgerufen.
Rund 80 Ärzte machten sich bei der Abschlussveranstaltung der bundesweiten Kampagne für eine bessere Bezahlung der Ärzte im ÖGD am Montag vor dem Roten Rathaus stark.
Die Zahl der Ärzte in den Gesundheitsämtern ist laut BVÖGD in den vergangenen 18 Jahren um rund 30 Prozent zurückgegangen. Das nach Angaben des BVÖGD erste Gesundheitsamt ohne Ärzte gibt es nun in Thüringen. Der Fachdienstleiter im Unstrut-Hainich-Kreis Sören Lamm bestätigte der „Ärzte Zeitung“, dass dort aktuell außer einem Zahnmediziner kein Arzt mehr tätig ist.
Lamm bezweifelte, dass der Landkreis wirklich der erste derartige Fall ist. Er räumte aber ein, es könne offenkundig nicht mehr sichergestellt werden, „dass Gesundheitsämter in Deutschland mit Ärzten besetzt werden können“.
1000 bis 1500 Euro weniger
Die BVÖGD-Bundesvorsitzende Ute Teichert forderte bei der Kundgebung in Berlin: „Bezahlt uns anständig. Dann kommen auch die Ärzte wieder in die Gesundheitsämter.“
Die Gesundheitspolitik habe das Problem zwar erkannt, doch die Finanzminister interessiere das nicht. „Und das alles, wo es den öffentlichen Haushalten der Städte und Gemeinden so gut geht wie nie“, kritisierte Teichert.
Die ÖGD-Ärzte fordern seit Jahren die gleiche Bezahlung wie Krankenhausärzte. Der Bundesverband des BVÖGD will, dass der Arzttarifvertrag des Marburger Bundes mit der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (TVÄ-VKA) auch für den ÖGD gilt. Nach BVÖGD-Angaben verdienen Ärzte im ÖGD heute bei gleicher Qualifikation rund 1000 bis 1500 Euro weniger als im Krankenhaus.
Eine Berliner ÖGD-Ärztin schilderte der „Ärzte Zeitung“ am Rand der Kundgebung, dass sie nach Abschluss ihrer Weiterbildung zur ÖGD-Fachärztin herabgestuft wurde, weil sie danach als Berufsanfängerin galt.
Eine zweite Ärztin aus einem Berliner Gesundheitsamt berichtete, dass sie keinen Cent mehr verdienen würde, wenn sie die Amtsleitung übernehmen würde, weil sie mit 15 Jahren Diensterfahrung auf der obersten Gehaltsstufe angekommen sei.
Die Berliner Landesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, dass „die tariflichen Unterschiede zwischen einer Beschäftigung in den landeseigenen Kliniken und den Einrichtungen des ÖGD beseitigt werden“. Eine entsprechende Regelung wurde jedoch bis heute nicht geschaffen.
Stattdessen waren Ausnahmeregelungen für eine bessere Bezahlung in Einzelfällen vorgesehen, die der Gesamtpersonalrat des Landes nun aber bereits zum zweiten Mal abgelehnt hat.
Die im Koalitionsvertrag versprochene tarifliche Angleichung würde das Land nach Angaben des Berliner MB-Vorsitzenden Dr. Peter Bobbert rund fünf Millionen Euro pro Jahr kosten.
„Das muss doch möglich sein. Macht endlich was, sonst ist der kranke Patient ÖGD irgendwann tot“, sagte Bobbert vor dem Roten Rathaus.
Es geht nicht nur um Fairness
Er stellte der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) ein „Armutszeugnis“ aus. Bremen mache es Berlin nun vor. Das Land schreibe Stellen im ÖGD nun analog dem TVÄ-VKA aus. Eine Sprecherin der Bremer Gesundheitssenatorin bestätigte dies auf Nachfrage.
Der MB-Bundesvorsitzende Rudolf Henke verwies bei der Kundgebung darauf, dass die Bezahlung der ÖGD-Ärzte auch von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sei.
„Es geht nicht nur um Fairness gegenüber Ärzten, sondern auch darum, dass die gesellschaftlichen Aufgaben des ÖGD erfüllt werden“, sagte Henke.
Er kündigte an, dass der MB bei der nächsten Tarifrunde mit der VKA darauf hinwirken will, dass auch die Ärzte im ÖGD von dem Tarifvertrag umfasst werden.