"Eine der wichtigsten Veranstaltungen des Jahres"

Schüler haben 1000 Fragen zu Organspenden

Modellprojekt: Ärzte, Politiker und eine Betroffene bringen Oberstufenschülern bei, wie schwierig und wichtig das Thema Organspende ist. Dabei dürfen die Schüler sogar anfassen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Sie informierten die Schüler: Prof. Alena Buyx (UKSH), Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop, Schulleiter Christian Stegmann, Dr. Stefanie Wailke (UKSH), Antje Winkler (DSO), Prof. Felix Braun (UKSH) und Heidrun Dreher (von links).

Sie informierten die Schüler: Prof. Alena Buyx (UKSH), Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop, Schulleiter Christian Stegmann, Dr. Stefanie Wailke (UKSH), Antje Winkler (DSO), Prof. Felix Braun (UKSH) und Heidrun Dreher (von links).

© Schnack

KIEL. Die Lehrer sitzen in der letzten Reihe und die Schüler tauschen die Klassenzimmer gegen den Hörsaal ein: Einmal im Jahr kommt der elfte Jahrgang des Kieler Ernst-Barlach-Gymnasiums in das Uniklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), um sich mit Experten über das Thema Organspende auszutauschen – ein vielversprechendes Projekt.

"Eine der wichtigsten Veranstaltungen des Jahres" nennt Professor Alena Buyx das Treffen mit den 16- und 17-Jährigen Schülern. Die Aussage der Professorin für Medizinethik, immerhin Mitglied des Deutschen Ethikrates, zeigt, wie ernst es den Medizinern am UKSH mit Information und Austausch mit dem Nachwuchs ist.

Die rund 100 Schüler kommen nicht unvorbereitet in den Hörsaal der Kieler Hautklinik. Im Philosophie- und Religionsunterricht haben sie über Organspenden gesprochen und sie werden die Veranstaltung im UKSH im Unterricht auch anschließend besprechen.

Ethische Konflikte

An diesem Tag nutzen sie die Chance, um mit Ärzten, einer DSO-Vertreterin, einem Politiker und mit der Organtransplantierten Heidrun Dreher zu sprechen. "Was war das für ein Gefühl, als Sie von dem Spenderorgan erfahren haben?" "Fragen Sie sich, wer der Spender war?" "Hatten Sie Angst vor der OP?", sind einige der Fragen, die Heidrun Dreher beantworten muss.

Sie geht direkt auf die Jugendlichen zu, lässt sie ihren Dialyseshunt unter der Haut anfassen. Die Schüler zögern kurz, bevor sie die Hand auflegen – danach haben sie einen hautnahen Eindruck erhalten, was es heißt, mit solchen gesundheitlichen Problemen konfrontiert zu sein wie Heidrun Dreher.

Sie hatte eine Zystenleber. Was das für ihr Leben bedeutete, welche Einschränkungen und welche Ängste sie bis zur Transplantation erdulden musste, beschreibt sie eindringlich. Es ist aber nicht nur dieser persönliche Kontakt, der die Informationsveranstaltung im UKSH so wertvoll macht. Die Schüler nehmen auch jede Menge Wissen mit. Etwa von den Ärzten Professor Felix Braun, Professor Alena Buyx und Dr. Stefanie Wailke, die ihnen Fakten und Abläufe erklären und ethische Fragen näher bringen.

Buyx verdeutlicht, worum es beim Thema Organspende gehen kann: "Das Überleben eines Menschen ist mit dem Tod eines anderen verknüpft. Mehr ethischer Konflikt geht nicht." Und sie veranschaulicht, welch ein Dilemma mit zurückgehenden Organspenden entsteht: "Mediziner könnten Patienten vor dem sicheren Tod bewahren. Sie schaffen es aber nicht, weil keine Spenderorgane da sind. Das ist für Mediziner unerträglich und für die Betroffenen fürchterlich."

 Chirurg Professor Felix Braun aus dem UKSH-Transplantationszentrum beschreibt es so: "Es sterben Patienten auf der Warteliste. Versuchen Sie mal, den Mangel an Spenderorganen gerecht zu verteilen."

Was unterscheidet die Zustimmungs- von der Widerspruchslösung, was versteht man unter dem Begriff Hirntod, wie ist die Entwicklung bei den Organspenden, wie ist der Ablauf nach Meldung eines Spenderorgans und welche Kriterien spielen bei der Platzierung auf der Warteliste eine Rolle? Dies sind weitere Fragen, die die Ärzte des UKSH und Antje Winkler von der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) in den zwei Stunden im Hörsaal mit den Schülern klären. Vorher spricht Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop, der den erkrankten Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg vertritt.

Aufklärung ist das oberste Gebot

Er erläutert, was die Politik tun könnte – nämlich die Einführung einer Widerspruchslösung wieder auf die Tagesordnung bringen. Damit setzt er auf einen Dreiklang: Aufklärung der Öffentlichkeit, Unterstützung für die Entnahmekliniken und Änderung der Rechtsordnung. Wenn diese Instrumentarien greifen, so hofft Badenhop, könnte sich die Situation zumindest entschärfen.

Derzeit ist die so angespannt wie nie. Täglich sterben Menschen auf der Warteliste. Heidrun Dreher will trotzdem niemanden überreden zur Organspende, wie sie sagt. Aber: "Jeder sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen." Die Schüler des Ernst-Barlach-Gymnasiums haben das an diesem Tag intensiver getan als viele andere Menschen in ihrem ganzen Leben.

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