Bundesregierung
Präventionsgesetz kommt nur mühsam in Kita & Co. an
Weg vom Kochkurs und von der Verhaltensprävention, rein in die Lebenswelten der Menschen. Der Ansatz des Präventionsgesetzes klingt gut, doch die Umsetzung gestaltet sich zäh.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Umsetzung des Präventionsgesetzes verläuft schleppend. Insbesondere hakt es weiterhin bei der Kooperation zwischen Kassen und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzGA).
Das geht aus der Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag hervor. Die Umsetzung des im Juli 2015 in Kraft getretenen Gesetzes liegt bei der Nationalen Präventionskonferenz. Es sollte erstmals einen Paradigmenwechsel ermöglichen – mehr Gesundheitsförderung in Lebenswelten wie Kitas oder Betrieben anstatt der bisher dominierenden Kurse zur Verhaltensprävention.
Doch die Bundesrahmenempfehlungen ebenso wie die entsprechenden Vereinbarungen auf Länderebene bleiben nach Ansicht der Grünen zu unkonkret: die bisherige "Projektitis" einzelner Kassen drohe sich fortzusetzen. Nur in Niedersachsen gebe es eine einheitliche Anlaufstelle, die ein kassenübergreifendes Vorgehen ermögliche.
Doch der Widerspruch der Regierung fällt sehr matt aus. Auffällig ist auch, dass das Bundesgesundheitsministerium – anders als sonst üblich – auf eine Vorbemerkung zu ihrer Antwort verzichtet. Darin wird die regierungsamtliche Weltsicht bei Anfragen der Opposition für gewöhnlich positiv dargestellt. Nun heißt es lediglich, die Bundesrahmenempfehlungen beschrieben "erstmals ein trägerübergreifendes Aufgabenverständnis". Hierdurch erhielten die Sozialversicherungsträger "erstmals die erforderliche Orientierung" für ihr konkretes Vorgehen bei Prävention in Lebenswelten. Ausdrücklich hält die Regierung fest, dass Präventionsgesetz verpflichte die verschiedenen Träger nicht zu einer "gemeinsamen Leistungserbringung".
"Die Krankenkassen verweigern die vorgesehene kassenübergreifende Leistungserbringung und unterlaufen damit auch den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen", kommentierte die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz- Asche von den Grünen. Stattdessen müssten vorrangige Handlungsfelder und Zielgruppen für Prävention bestimmt werden. Dagegen hat die Nationale Präventionskonferenz nur eine vage Zielsystematik vorgelegt, die sich am Lebenslauf orientiert: "Gesund aufwachsen", "Gesund leben und arbeiten" sowie "Gesund im Alter".
Weitergehende Akzente stehen aus – erst 2018 sollen die Bundesrahmenempfehlungen mit Schwerpunktsetzungen fortgeschrieben werden. Immerhin: zwei Arbeitsgruppen gibt es dafür schon.
Für Prävention in Lebenswelten ist seit 2016 viel Geld im Spiel: 280 Millionen Euro müssen die Krankenkassen jährlich dafür und für betriebliche Gesundheitsförderung aufwenden. Doch eine eigene "Nutzenbewertung" der Mittelverwendung gibt es nicht. Hier vertraut die Regierung offenbar allein dem Bericht, den die Nationale Präventionskonferenz zum 1. Juli 2019 vorlegen soll.
Dieser diene "maßgeblich der Erfolgskontrolle und der Evaluation", heißt es. Und auch erst dann will die Regierung entscheiden, ob es Nachbesserungsbedarf im Gesetz gibt. Die grüne Abgeordnete sieht den Präventionsbericht, der von den Sozialträgern selbst formuliert wird, skeptisch: "Es besteht die Gefahr, dass sich die Sozialversicherungen selbst beweihräuchern", so Schulz-Asche.
Auch die Umsetzung der ärztlichen Präventionsempfehlung, mit der eine gezieltere Prävention ermöglicht werden soll, will die Regierung nicht kommentieren. Vorgesehen ist vom Gemeinsamen Bundesausschuss ein ankreuzbares Formular, das auf grobe Handlungsfelder wie Bewegung, Ernährung, Sucht oder Stress Bezug nimmt. Die fachlich-inhaltliche Ausgestaltung der Richtlinien sei Sache des GBA, heißt es dazu lediglich. Eine Evaluation der Wirkung ärztlicher Präventionsempfehlungen sei nicht vorgesehen.
Völlig verfahren ist nach wie vor das Verhältnis zwischen Kassen und der BzGA. Zur Erinnerung: Die Behörde erhält 45 Cent pro Versichertem und soll insbesondere kassenübergreifende Leistungen entwickeln, die darauf zielen, sozial ungleiche Gesundheitschancen zu verringern. Der GKV-Spitzenverband wurde vom BMG zur Auszahlung der 31,5 Millionen Euro per Anweisung verdonnert, klagt dagegen vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg. Einen Termin für die Urteilsverkündung gebe es noch nicht, so die Regierung.
Erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes kam es zu einer Vereinbarung zwischen GKV-Spitzenverband und BzGA, in der Inhalt und Umfang der Beauftragung geregelt ist. Die erzwungene Zusammenarbeit gestaltet sich entsprechend zäh. Ein Konzept zur Gesundheitsförderung etwa in Kitas oder Schulen ist bisher vom GKV-Spitzenverband noch nicht beauftragt worden. Von den 31,5 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr zur Verfügung standen, wurden nur 2,6 Millionen Euro abgerufen. Im laufenden Jahr sollen es 19,4 Millionen Euro sein.
Ungeachtet des anhängigen Rechtsstreits sei das Präventionsgesetz wirksam, betonte die Abgeordnete Schulz-Asche. Die Regierung sollte den Kassen "auf die Füße treten, dieses umzusetzen".