Cochrane-Review

Ampel wäre am besten gegen Zuckerkonsum

Süße Brause, Limo und andere Softdrinks stehen nach wie vor zu oft auf dem Speiseplan. Cochrane-Forscher haben jetzt ermittelt, wie sich das ändern ließe.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Lebensmittelampeln wie der Nutriscore werden von Konsumenten wahrgenommen und können offenbar auch positiv auf ihre Verzehrgewohnheiten wirken.

Lebensmittelampeln wie der Nutriscore werden von Konsumenten wahrgenommen und können offenbar auch positiv auf ihre Verzehrgewohnheiten wirken.

© Gerhard Seybert / stock.adobe.com

MÜNCHEN. Regelmäßiger Konsum stark gezuckerter Softdrinks gilt als Hauptverursacher der weltweiten Adipositas-Epidemie und begünstigt zudem Zahnverfall, Typ-2-Diabetes und Herzerkrankungen. Viele Gesundheitsinstitutionen wie die WHO appellieren daher an Politik, Lebensmittelindustrie, Schulen und öffentliche Verwaltung, den Konsum gesünderer Getränke zu fördern. Wirksame Möglichkeiten dazu haben Experten jetzt in einem Cochrane Review zusammen gefasst (Cochrane Database of Systematic Reviews 2019; 6: CD012292, online 12. Juni).

Der Bericht enthält dabei die Evidenz zu einzelnen Maßnahmen, mit denen sich der Konsum solcher ungesunden Getränke auf Bevölkerungsebene reduzieren lässt. Forscher aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich (UK) haben dazu mehr als 10.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen gesichtet und daraus nach vorab definierten Qualitätskriterien 58 Studien ausgewählt. An diesen Studien aus 14 Ländern in Europa, Amerika, Australien und Südostasien hatten zusammen genommen mehr als eine Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene teilgenommen.

Einfache Kennzeichnung nützt

Die Untersuchungen hatten zum Beispiel Schulen, Cafés und Restaurants, Privathaushalte oder den Einzelhandel im Fokus. Ausgewertet wurden Maßnahmen wie Lebensmittel-Kennzeichnung, Preise, Subventionen, Veränderungen bei Herstellung, Handel und Versorgung bis hin zu Handels- und Investitions-Politik. Die Qualität der Evidenz reichte dabei von sehr gering bis mittelmäßig gut, schreiben die Autoren.

Als wirksame Optionen zur Reduktion eines zuckerhaltigen Getränke-Konsums ergaben sich:

  • Einfache und verständliche Kennzeichnung der Getränke etwa mit Ampel-Symbolen, Sternen oder Ranking-Zahlen,
  • weniger Softdrinks in Schulen,
  • Verteuerung solcher Getränke in Restaurants, im Handel und in Freizeitzentren,
  • gesunde Getränke als Standard bei Kinder-Menüs in Ketten-Restaurants,
  • Förderung und bessere Platzierung gesunder Getränke in Supermärkten,
  • lokale Gesundheitskampagnen mit einem Fokus auf Softdrinks und
  • Bereitstellung alternativer Getränken zu Hause.

Zudem wurde ermittelt, dass die Verfügbarkeit von Trinkwasser und Diät-Getränken Menschen bei der Gewichtsreduktion unterstützt.

„Die Ergebnisse dieser Übersicht sind relevant für die Politik in Deutschland“, wird Erstautor Peter von Philipsborn in einer Mitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München zitiert. Der Experte ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie, und Epidemiologie (IBE) sowie an der Pettenkofer School of Public Health.

Am wenigsten geeignet halten die Cochrane-Autoren die Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie, wie sie Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) vorschwebt.

Die Bundesregierung arbeitet zum Beispiel derzeit an einem Konzept für die Kennzeichnung von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln und Getränken. Und ein Verbot von Süßgetränken in Schulen fordern zudem schon lange Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung oder Ärzteverbände wie die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). „Leider sind wir hiervon in Deutschland noch weit entfernt“, betont Philipsborn in der Mitteilung.

Gesunde Wahl vereinfachen!

„Der Review stellt die wesentlichen Bausteine einer umfassenden Strategie heraus, mit der sich der Süßgetränkekonsum in der Bevölkerung senken ließe“, sagt Mitautorin Professor Eva Rehfuess vom IBE in der Mitteilung. Die Prävalenz von Adipositas und Diabetes mellitus steigt weltweit kontinuierlich an.

Dieser Trend wird sich nicht ohne umfassende Anstrengungen umdrehen lassen. „Regierungen und Unternehmen müssen dazu beitragen, dass auch beim Getränkekonsum die gesunde Wahl zur einfachen Wahl wird“, ergänzt der TMU-Ernährungsmediziner Professor Hans Hauner in der Mitteilung.

Zur Cochrane-Übersicht äußerte sich auch Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten DANK: „Wir sehen hier erneut Belege, dass eine Kennzeichnung in Ampelfarben den Konsum ungesunder Produkte deutlich senken kann, sogar bei den besonders problematischen Softdrinks.“ Sie forderte daher erneut ein mehrfarbiges Kennzeichnungssystem in Deutschland.

Hierbei plädiert DANK  für den Nutri-Scores, für den sich bereits mehrere europäische Länder ausgesprochen haben.

Blitzer verwies darauf, dass der Cochrane-Auswertung zufolge der Absatz von Softdrinks, die mit „rot“ gekennzeichnet waren, um bis zu 56 Prozent zurückging. „Dies ist besonders bedeutsam, weil Softdrinks eine große Rolle bei der Entstehung von Übergewicht spielen“, äußerte Bitzer in einer Mitteilung ihres Verbands.

Wir haben diesen Beitrag ergänzt und aktualisiert am 12.6.2019 um 16.30 Uhr.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 13.06.201919:30 Uhr

Rote Karte für die Bundeslandwirtschaftsministerin!

Wer sich wie die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Julia Klöckner, unter "BMEL - Verifizierter Account - @bmel - 3. Juni"
äußert:
"Weniger #Zucker, Fette und #Salz in Fertigprodukten – dafür setzt sich BMin @JuliaKloeckner mit der #Reduktions- und #Innovationsstrategie ein.
Dass dies geht, zeigt @NestleGermany, die die Strategie unterstützen. Sie haben 10% der Inhalte reduziert; weitere 5% sollen folgen"
https://twitter.com/bmel/status/1135815350224924672
praktiziert einen "Kuschelkurs" gegenüber einer hochtechnisierten, entfesselten Lebensmittelindustrie bzw. blamiert sich mit einem der Marktführer namens Nestle® bis auf die Knochen.

Eine echte "Reduktions- und Innovationsstrategie" ist das natürlich nicht! Denn wenn ich auf "freiwilliger" Grundlage einer Reduktions- und Innovationsstrategie den Zucker-, Fett- und Salzgehalt in Fertigprodukten um ganze 10 Prozent reduziere, müsste ich doch zugleich zugeben, 90 Prozent dieser gesundheitsgefährdenden Bestandteile in meinen Fertignahrungsmitteln ("ultraprocessed food") weiterhin belassen zu wollen.

An einer einprägsamen und wirksamen Lebensmittel-Ampel führt kein Weg vorbei!

Aber die wurde bereits von Julia Klöckners Vorgänger konterkariert: "...im Ernährungs-Report, den Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) Anfang des Monats [Januar 2017] vorgestellt hat, steht kein Wort davon. Im Gegenteil: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft teilt dem NDR auf Anfrage mit, dass "eine farblich unterlegte Kennzeichnung von Nährstoffen unwissenschaftlich und der Information der Verbraucher nicht dienlich" sei." (Zitat Ende)
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Ernaehrungsminister-uebergeht-Verbraucherwillen-,ernaehrung500.html

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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