Schwerpunkt Klimaschutz

Ärztetag spricht sich für Tempolimit aus

Ein weiteres Aufschieben von Klimaschutzmaßnahmen ist nicht hinnehmbar, so die klare Ansage vom Ärztetag: Die Kammern sollen Druck auf die Politik ausüben. Die Ärzte nehmen sich aber auch selbst in die Pflicht.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Fordern schnelle und konsequente Maßnahmen gegen den Klimawandel: Die Delegierten des 125. Deutschen Ärztetags.

Fordern schnelle und konsequente Maßnahmen gegen den Klimawandel: Die Delegierten des 125. Deutschen Ärztetags.

© Rolf Schulten

Berlin. Lässt sich ein so großes Thema wie der Klimawandel und seine Folgen für die Gesundheit an einem Dreivierteltag abarbeiten? Die Skepsis war bei vielen Delegierten des 125. Deutschen Ärztetages in Berlin groß. Nicht wenige hätten sich eine „umfassendere Debatte“ gewünscht. Gleichwohl hat es das Ärzteparlament geschafft, einige tragende Beschlüsse zu fassen. Und damit ein deutliches Signal gerade auch in Richtung Politik zu senden.

Denn während die Ampelkoalitionäre das heiße Eisen Tempolimit bislang nicht gewuppt bekommen, bezieht der Ärztetag hier eine klare Position: Die Delegierten fordern nicht nur ein Tempolimit von maximal 130 km/h auf Autobahnen, sondern zur CO2-Reduktion auch Tempobegrenzungen in allen bewohnten Regionen.

Hitzeschutzpläne jetzt umsetzen!

Bund, Länder und Kommunen, aber auch Einrichtungen im Gesundheitswesen müssten zudem zügig Hitzeschutzpläne erarbeiten und umsetzen. Damit reagierte der Ärztetag auf die Ergebnisse des aktuellen Health Policy Briefs für Deutschland zum „Lancet Countdown“. Dort kritisierten Umweltmedizin- und Klimaexperten, dass die Entscheider in Politik und Gesundheitswesen ihre Hausaufgaben nicht ausreichend gemacht hätten.

Das beinhaltet laut Ärztetag eine deutliche Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und ein Mitdenken von klimabedingten Gesundheitsaspekten bei der Städteplanung.

Zugleich werden – als direkte Lehre aus der Flutkatastrophe im Sommer in NRW und Rheinland-Pfalz – Kliniken, Pflegeheime, Praxen, Apotheken und Rettungsdienste aufgerufen, ihre eigenen Katastrophenschutzpläne zu überarbeiten.

Gesundheitswesen soll bis 2030 klimaneutral werden

Das Gesundheitswesen kann in Sachen Klimaschutz aber sehr viel selbst in Bewegung bringen: Immerhin verursacht es 5,2 Prozent des nationalen CO2-Ausstoßes. Die Delegierten fordern daher, dass das Gesundheitswesen bis 2030 den Sprung in die Klimaneutralität schafft.

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Hier müssen dann aber auch die Klinikträger mit in die Verantwortung genommen werden, sagte BÄK-Vorstandsmitglied Dr. Susanne Johna. Zwingende erste Schritte seien die Benennung von Klimabeauftragten und die Verabschiedung von Klimaschutzplänen in allen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, heißt es im Beschluss. „Die Trauben hängen tief“, motivierte Johna. So müsste etwa nachts die Klimaanlage nicht in allen OP-Räumen weiterlaufen.

Auch der britische Gesundheitsdienst, der National Health Service (NHS), hat sich bereits die Klimaneutralität als Ziel gesetzt. Dort soll diese bis 2040 erreicht werden.

Zu viele Arzneimittel landen ungenutzt im Müll

Neben der Reduktion klimagefährdenden Emissionen müsse der Gesundheitssektor auch pfleglicher mit Rohstoffen umgehen. Hier zielt der Ärztetag auf den Pharmamarkt ab. Er fordert die Stärkung der Arzneimittelproduktion in Deutschland, um mehr Kontrolle über die Herstellungsverfahren zu haben. Außerdem müssten Verfallsdaten an die tatsächliche Haltbarkeit angepasst werden. Die Ärzte sollen außerdem stärker als bislang die partizipative Entscheidungsfindung mit ihren Patienten praktizieren. Denn wenn sich darüber die Compliance verbessern lasse, sinke die Zahl ungenutzter Arzneimittel, die einfach im Abfall landen, so die Hoffnung der Delegierten.

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Beim Ausbau der Digitalisierung im Gesundheitswesen sollten Energieeffizienz, Klimaverträglichkeit und Nachhaltigkeit der angewendeter Technologien im Vergleich zu bisherigen papiergebundenen Prozessen berücksichtigt werden. Die Bundesärztekammer erhält den Auftrag, hier gemeinsam mit dem Umweltbundesamt geeignete Kriterien zu entwickeln.

Papierlos? – Hier müssen die Kammern mitziehen

Auch das gehört zum Thema Digitalisierung: Der Ärztetag fordert, dass alle Ärztekammern das eLogbuch in der Weiterbildung verpflichtend einführen. Die papierfreie Dokumentation der Weiterbildung wurde mit der Novelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung 2018 geschaffen. Bislang gibt es das eLogbuch aber nur in zwölf Kammern.

Generell soll das Thema gesundheitliche Folgen des Klimawandels stärker in Weiter- und Fortbildung berücksichtigt werden.

Der Gesundheitssektor ist einer der größten Müllproduzenten, kritisierten in der Debatte mehrere Delegierte. Die Bundesregierung soll daher Medizinproduktehersteller zur Entwicklung und Produktion wiederverwendbarer Medizinprodukte verpflichten, deren Aufbereitung den notwendigen hygienischen Standards gerecht wird, heißt es in einem Beschluss. Zudem fordert das Ärzteparlament Firmen, die Praxen und Krankenhäuser mit Diagnostikmaterialien, Medikamenten, Medizinprodukten etc. versorgen, auf, Verpackungskonzepte und -material zu entwickeln, die ebenfalls unter Beachtung von Hygiene und Arbeitssicherheit Kriterien des Umweltschutzes umsetzen.

Unterstützung für Praxen

Weil Arztpraxen sich anders als Kliniken keinen eigenen Klimamanager leisten können, sollen die KVen sie unterstützen. Sie sollen Konzepte für klimaneutrale Praxen entwickeln und entsprechende Beratungsangebote mit Berücksichtigung von Fördermaßnahmen entwickeln. Erfahrungen aus Leuchtturmprojekten, von denen es bundesweit schon einige gibt, sollen so besser zugänglich sein.

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