Medica
Digital Health – für Ärzte ein essenzieller Zukunftstrend
Ärzte müssen offen für digitale Gesundheitslösungen sein und ihr Revier verteidigen, findet Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein. Sonst drohe Konkurrenz außerhalb des ärztlichen Systems, warnt er.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. Die neuen digitalen Möglichkeiten sind nicht nur eine technische Weiterentwicklung, sondern sie werden die Beziehung zwischen Arzt und Patient auf eine neue Basis stellen. Deshalb sollten Ärzte versuchen, diesen Prozess aktiv mitzugestalten, findet Dr. Franz Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein. "Ich appelliere, die Augen und Ohren offen zu halten, um zu sehen, was auf uns zukommt", sagte Bartmann am Dienstag beim Medica Econ Forum der Techniker Krankenkasse in Düsseldorf.
Wenn sich die Ärzte der Entwicklung verschließen, werden andere Anbieter kommen, die sich links und rechts außerhalb des ärztlichen Systems aufstellen, warnte er. "Wir sollten dafür sorgen, dass wir die Versorger bleiben."
Stethoskop zeigt ärztliche Dominanz
Das Stethoskop sei das erste Instrument gewesen, mit dem der Arzt Phänomene im Körper des Patienten wahrnehmen konnte. Heute könnten sich Ärzte einer Vielzahl hochmoderner medizinischer Instrumente bedienen. Die Information liege dabei immer beim Arzt. "Das Stethoskop steht nicht nur für die Würde und die Kompetenz des Arztes, sondern auf gewisse Weise auch für seine Dominanz", sagte Bartmann.
In Big Data, Künstlicher Intelligenz und den anderen digitalen Möglichkeiten liegen nach seiner Einschätzung noch ungeahnte Möglichkeiten. Doch selbst wenn sie die Diagnose und vielleicht eines Tages auch Teile der Therapie übernehmen können, bleibe dem Arzt die Empathie, die menschliche Rückkopplung mit seinem Gegenüber, betonte er. Die Disruption finde auf einer anderen Ebene statt. "Das Smartphone ist das Stethoskop des 21.Jahrhunderts, und es ist nicht mehr in der Hand des Arztes, sondern des Patienten." Darin sieht der Vorsitzende des Ausschusses Telematik/Telemedizin der Bundesärztekammer den Beginn einer neuen Arzt-Patienten-Beziehung.
Es sei wichtig, dass sich die Ärzte mit den anstehenden Veränderungen auseinandersetzen, meint auch der KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. "Wir müssen das Thema annehmen, aber müssen auch die Grenzen aufzeigen." Auch angesichts der neuen Möglichkeiten der Datengenerierung und -auswertung blieben die Ärzte wichtig als Mittler. "Die Patienten werden nicht von Algorithmen behandelt werden wollen", betonte er. Die Digitalisierung biete Chancen wie das Patientenmonitoring und die Reduktion unnötiger Arztbesuche. Sie sei aber kein Ersatz für die Arzt-Tätigkeit. "Ich warne davor zu glauben, mit irgendwelchen technischen Gimmicks könnten wir jedes Versorgungsproblem lösen." Anwendungen müssten daraufhin überprüft werden, ob sie tatsächlich der Patientenversorgung dienen. Wenn sie ihren Nutzen unter Beweis stellen, werden Ärzte sie in den Alltag integrieren, so Gassen.
Digitale Lösungen werden helfen, die Versorgung in Zukunft sicherzustellen, erwartet Dr. Kevin Schulte, Sprecher des Bündnisses Junge Ärzte. "Wir können dem demografischen Wandel nur gerecht werden, wenn wir effizienter arbeiten", sagte er. Effizienz heißt für ihn, dass die richtigen Daten dem Arzt schnell zur Verfügung stehen und die Technik funktioniert.
Defizitäre Technik mindert Effizienz
Daran hapere es heute noch. "Ich sitze drei Minuten am PC, bevor sich eine Datei öffnet", berichtete Schulte, der als Assistenzarzt auf dem Campus Kiel der Uniklinik Schleswig-Holstein arbeitet. Diese Dinge zu regeln sei wichtiger, als den Patienten durch eine Kamera vom Arzt zu trennen. Der unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patient ist für Schulte immer noch das Beste, um eine Diagnose zu stellen. "Es sollte ein gesellschaftliches Ziel sein, zumindest den Erstkontakt vis-à-vis zu ermöglichen."
Arzt sein heißt für den jungen Mediziner, die Fakten zu kennen und zu verstehen, und sie mit der individuellen Situation des Patienten zusammenzubringen. "Das ist durch Dr. Watson und Co nicht substituierbar", betonte er. Der Supercomputer Watson sei nur ein besseres Lehrbuch, das helfe, medizinische Zusammenhänge besser zu verstehen.